Glosse / Luxemburgs Sportwelt feiert: Bertemes mit Weltmeistertitel, Muller gibt furioses Comeback
Während vier Wochen herrscht in der Sportwelt wegen des Lockdowns nun schon Eiszeit. Dabei hätte es eine durchaus erfolgreiche Zeit für luxemburgische Athleten werden können. Das Tageblatt hat sich Gedanken darüber gemacht, wie die Sport-Berichterstattung in den letzten 28 Tagen hätte aussehen können, wenn Corona nicht sein Unheil treiben würde.
„Bobastisch“ beschreibt die grandiose Leistung von Kugelstoßer Bob Bertemes bei der Leichtathletik-Hallen-WM im chinesischen Nanjing wohl am besten. Zum ersten Mal in der luxemburgischen Geschichte kürt sich ein Leichtathlet zum Weltmeister. Im sechsten und letzten Versuch katapultierte Bertemes die Kugel auf 22,22 m, was ihm den Platz auf dem obersten Treppchen einbrachte. „Das ist der Hammer“, so die Reaktion des CAB-Athleten. Wie schon letzte Saison brachte ihm seine Rekordweite auch dieses Mal Glück. „Ich hatte eine gewisse Vorahnung. Mein Trainer gab mir das neueste Buch von meinem Lieblingsautor Sebastian Fitzek zu lesen. Auf den ersten 22 Seiten waren aber nur 22 Anleitungen mit Verbesserungen zu verschiedenen Wurftechniken zu finden. Das passte zwar nicht zu seinem Schreibstil, doch ich interpretierte es als ein gutes Omen“, erzählte der COSL-Elitesportler.
Sein umgestelltes Ernährungsprogramm ist aber auch sicherlich einer der Gründe, warum es zum Titel gereicht hat. „Ich musste viel Körpergewicht drauflegen. So musste ich innerhalb kürzester Zeit einige Kilo zunehmen. Somit war ich gezwungen, nach jeder Trainingseinheit ein Dessert zu verschlingen. Es war die Hölle“, sagte der Luxemburger. Mit dieser gewonnenen Goldmedaille kann der 26-Jährige für den weiteren Verlauf der Saison eine ruhige Kugel schieben. „Ich werde jetzt erst mal ins Großherzogtum zurückkehren, um dort an den nationalen Meisterschaften im Bankdrücken teilzunehmen. Danach will ich meinen Namensvetter Bob Bertemes bei der Coupe du Prince auf den 3.000 m schlagen“, lauten seine ambitionierten Zielsetzungen.
Vom Pech verfolgt
Nur ganz knapp an einem Podiumsplatz schrammte Bob Jungels beim Klassiker-Rennen Paris-Roubaix vorbei. „In der Schlussphase war ich vom Pech verfolgt“, sagte Jungels, der sich letztendlich mit dem vierten Platz zufriedengeben musste. Doch zuvor war es der Quick-Step-Profi, der dem Rennen seinen Stempel aufgedrückt hatte. Vor allem auf den „Pavés“ fuhr der 27-Jährige ein Loch auf die Konkurrenz heraus. Dabei besann sich Jungels auf eine Taktik, die ihm in früheren Jahren schon den Erfolg bei diesem Monument-Rennen bei den Junioren einbrachte: „Früher fuhr ich mit meinem Vater oft auf Kopfsteinpflaster. Er diktierte auf dem Fahrrad von vorne das Tempo, ich eilte mit dem Dreirad hinterher. Diese Methode würde mich abhärten, hat er immer gesagt“, erinnert sich der Radprofi. Bis 1 km vor Schluss sah die Welt noch in Ordnung aus, doch ein Plattfuß zerstörte dann seine Träume, sodass er die restlichen 1.000 m in Cyclocross-Manier ins Velodrom zurücklegen musste. Am Ende reichte es somit nur zum undankbaren Platz vier.
Bei einem weiteren FSCL-Fahrer verlief „die Hölle des Nordens“ nicht unbedingt nach seinen Erwartungen. Das Bora-hansgrohe-Team von Jempy Drucker präsentierte sein neuestes Radmodell – ein Einrad. „Mir fehlte es noch etwas an der nötigen Sicherheit. Ich hatte das Gefühlt, ich hätte ein Rad ab“, gestand Drucker. Am Ende erreichte er das Ziel erst nach dem Zeitlimit. „Die Enttäuschung war natürlich groß, weil Paris-Roubaix zu meinen Lieblingsrennen gehört. Doch trotzdem hatte dieser Auftritt etwas Gutes“, verriet der 33-Jährige. Nach dem Rennen wurde das gesamte Team nämlich vom Zirkus Roncalli als Showact gebucht. Drucker wurde die Hauptrolle angeboten. „Ich freue mich auf die neue Herausforderung“, sagte er.
Unerwarteter Final-Einzug
Für drei luxemburgische Tennisspieler lohnte sich der Trip in die USA. Dabei gab es ein überraschendes Comeback beim Masters-Turnier in Miami zu feiern. Der beste luxemburgische Spieler aller Zeiten, Gilles Muller, hatte es satt, sich als Hobbyfußballer auf der linken Außenbahn rauf und runter zu quälen, und griff nach knapp zwei Jahren wieder zum Tennisschläger. Dank einer Wildcard trat die ehemalige Nummer 21 der Welt zusammen mit Mullers altem Davis-Cup-Partner Mike Scheidweiler in der Doppelkonkurrenz an. „Als ich bei den US Open meine Karriere beendete, plagte ich mich immer noch mit einem Gedanken herum. Viele Experten der Tenniswelt hatten Mike (Scheidweiler) und mir eine große Zukunft prophezeit. Jetzt wollen wir der Welt zeigen, was wir noch auf dem Kasten haben“, sagte „Mulles“, der sich optimal auf diesen Wettbewerb vorbereitet hat.
Kein Geringerer als der 20-fache Grand-Slam-Champion Roger Federer diente ihm dabei als Sparringspartner. „Als Roger mal wieder auf ein Bierchen und eine Scheibe Brot mit „Kachkéis“ nach Reckingen/Mess vorbeikam, haben uns unsere Söhne Lenny und Nils auf eine Tennispartie herausgefordert. Auf dem hauseigenen Center Court haben wir sie aber dank unserer Aufschlagstärke bezwingen können“, verriet der Linkshänder. „Das gab mir den Anreiz, wieder auf die Tour zurückzukehren“, so der FLT-Spieler.
Nach problemlosen Erfolgen stürmte das FLT-Duo in Miami bis ins Finale, wo die Bryan-Zwillinge (119 Titel in dieser Disziplin) warteten. Erst im Super-Tiebreak mussten sich Muller/Scheidweiler geschlagen geben. „Wir hatten es selbst in der Hand. Doch zum Schluss verließ mich mein Service. Dennoch: Unser Auftritt gibt mir Selbstvertrauen für die kommenden Wettbewerbe“, so der ehemalige Weltranglisten-21.
Beim zweiten Turnier im „Sunshine State“ in Indian Wells sorgte Mandy Minella ebenfalls für Furore. Nach überstandener Qualifikation war erst im Achtelfinale gegen die ehemalige Weltranglisten-Erste Kim Clijsters Schluss. Mit 6:7 (2), 7:6 (4) und 6:7 (12) musste sich die FLT-Spielerin äußerst knapp geschlagen geben. Nach der Partie häuften sich aber die Gerüchte, dass die Luxemburgerin nicht mit voller Power an die Sache heranging. Wie das Tageblatt erfuhr, war ein Viertelfinal-Einzug für Clijsters Bedingung, um bei den BGL BNP Paribas Luxembourg Open in diesem Jahr teilnehmen zu können. „Ich glaube, ich habe den Turnierverantwortlichen um Danielle Maas einen großen Gefallen getan. Mehr will ich nicht dazu sagen“, sagte Minella mit einem verschmitzten Lächeln. Damit scheint Clijsters’ Teilnahme in Kockelscheuer also beschlossene Sache zu sein.
Neues Spielsystem
Die luxemburgische Fußball-Nationalmannschaft feierte im Testspiel gegen Montenegro einen knappen 1:0-Sieg. Die „Roten Löwen” behielten durch ein Tor von Dave Turpel die Oberhand. In einer offensiv geführten Partie zeigte Turpel seinen Torinstinkt und hämmerte eine Flanke von Laurent Jans per Direktaufnahme in den Winkel. Eine wahre Augenweide! Doch wie der Paderborner Jans nach Spielende verriet, war dieser Spielzug kein Produkt des Zufalls. „Dave und ich hatten uns überlegt, wie wir in Zukunft die gegnerische Verteidigung besser aushebeln könnten. Auf der Diekircher Kavalkade fiel uns dieser Spielzug ein”, sagte der Kapitän des FLF-Nationalteams. In der Eselstadt wurde diese neue Variante mit einem Plastikbecher ausgetestet. Jans’ ehemalige Teamkollegen vom FF Norden 02 standen auch gleich als Trainingspartner zur Verfügung. „Laurent ließ sie wie Fahnenstangen stehen“, beschreibt Turpel die Szene.
Die beiden Nationalspieler erzählten sofort ihrem Trainer Luc Holtz von ihrer Idee. Und der stellte die Taktik auf ein 1-2-7-System um. „Das war wichtig, denn so wusste unser Gegner nicht genau, auf wen die entscheidende Flanke von Jans kommen wird“, so Holtz. Der Schachzug ging voll auf. „Mit dieser revolutionären Aufstellung erwischten wir unseren Gegner im wahrsten Sinne des Wortes auf dem falschen Fuß“, sagte der FLF-Coach.
Für die Zukunft darf man also gespannt sein, auf welches System Holtz ab September in den WM-Qualifikationsspielen setzen wird: auf die alte oder die neu entdeckte und jetzt schon berühmt-berüchtigte Kavalkade-Taktik?
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