Interview / Marketa Vondrousova genießt ihre Zeit auf der großen Tennis-Bühne
Spätestens seit 2019 ist Marketa Vondrousova auf der großen Tennisbühne keine Unbekannte mehr. Damals stürmte sie als 19-jährige Teenagerin ins Finale der French Open – dort war die Australierin Ashleigh Barty eine Nummer zu groß. Die Zeit nach dem Endspiel lief nicht so, wie es sich die Tschechin vorgestellt hatte. Eine Verletzung am Handgelenk warf die Linkshänderin zurück. Mit der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio tastet sich die heute 22-Jährige aber wieder an die Weltspitze heran. Im Endspiel gegen Belinda Bencic fehlte nicht viel – bei den BGL BNP Paribas Luxembourg Open könnte es zu einer Neuauflage des olympischen Finales kommen. Im Gespräch mit dem Tageblatt sprach die ehemalige Nummer 1 der Juniorinnen über das Finale in Tokio, die schwierige Zeit nach ihrer Verletzung und ihre besondere Freundschaft zu Bencic.
Tageblatt: Sie haben Ihr Auftaktmatch bei den Luxembourg Open 6:2, 6:3 gegen Alyson Van Uytvanck (Belgien) gewonnen. Sie sind sicherlich zufrieden …
Marketa Vondrousova: Ich habe vor ein paar Wochen schon gegen Alyson in Chicago gewonnen, vor zwei Jahren habe ich aber auch schon mal gegen sie verloren. Ich wusste, dass sie eine zähe Gegnerin ist, und auch wenn das Resultat auf ein einfaches Spiel hindeutet, war es ein schwieriges Match.
Sie haben im ersten Satz ein „Medical Timeout“ genommen und am Knie geblutet …
Ja, ich habe eine Schürfwunde am Knie, die immer wieder anfängt zu bluten. Es ist nichts Ernstes. Das ist auch schon vor zwei Wochen in Chicago passiert. Wenn man blutet, muss man eine Pause machen, der Medical Timeout war daher nicht meine Entscheidung.
Sie haben Ende Juli bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille geholt. Vor knapp zwei Wochen standen Sie noch bei den US Open auf dem Platz. Wie würden Sie Ihre bisherige Saison beschreiben?
Es gab immer wieder Höhen und Tiefen. Natürlich war Tokio großartig, ich habe dort im Finale gespielt und viele besondere Momente erlebt. Das war außerdem das beste Ergebnis in meiner bisherigen Saison. Bei den Australian Open habe ich es bis in die vierte Runde geschafft, mit der Leistung war ich ebenfalls zufrieden. Es gab aber auch weniger schöne Momente. Bei den US Open bin ich in der zweiten Runde in drei Sätzen gegen Daria Kasatkina ausgeschieden, obwohl ich in Führung lag. Ich bin mir aber bewusst, dass solche Niederlagen dazugehören. Aktuell fühle ich mich aber wieder gut. Mal sehen, wozu es hier in Luxemburg reicht.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit den Olympischen Spielen?
Ich habe im Finale gegen Belinda (Bencic) gespielt. Wir sind privat gut befreundet und haben die Erfahrung beide sehr genossen. Wir haben uns vor und nach dem Endspiel viel unterhalten. Wir haben uns ein Finale auf hohem Niveau und von großer Qualität geliefert. Auch wenn ich das Spiel verloren habe, freue ich mich sehr über die Medaille.
Ich habe in Tokio aber auch viele neue Leute kennengelernt. Die Atmosphäre war speziell, ich habe mich sehr gefreut, das erleben zu dürfen. Es war natürlich schade, dass keine Zuschauer zugelassen waren.
Sie haben in Tokio Lokalmatadorin Naomi Osaka besiegt und sprachen anschließend von dem besten Match Ihrer Karriere …
Sie ist eine der besten Spielerinnen der Welt und war die Favoritin für die Goldmedaille. Ich habe gegen sie in der dritten Runde gespielt und hatte nichts zu verlieren. Es war ein großartiges Match. Ich bin immer sehr ruhig geblieben und habe mich auf mein Spiel konzentriert. Der Sieg hat mir aber auch viel Selbstvertrauen verliehen, das war toll.
Im Finale haben Sie dann gegen Belinda Bencic gespielt. In Luxemburg könnte es am Sonntag zu einer Neuauflage des olympischen Finalspiels kommen …
Wir haben danach schon einmal in Cincinnati gegeneinander gespielt (Bencic entschied das Aufeinandertreffen 6:3, 7:5 für sich, Anm. d. Red). Ich hatte mich aber leicht erkältet und war nicht in guter Verfassung. Ich würde mich sehr freuen, jetzt noch einmal gegen Belinda zu spielen. Es ist aber für uns beide noch ein langer Weg bis dahin (beide können frühestens im Finale am Sonntag aufeinandertreffen, Anm. d. Red.). Uns verbindet aber eine gute Freundschaft. Es ist nicht so, dass ich auf eine Revanche sinne. Im Tennis gibt es nicht viele Freundschaften, deshalb bin ich sehr glücklich, solche Momente mit ihr teilen zu können – auch wenn sie mich besiegt hat. Es ist einfach nur toll, eine solche Freundschaft im Tennis zu haben.
Sie standen 2019 bei den French Open im Finale, danach wurden Sie von einer Verletzung gestoppt. Denken Sie oft daran zurück?
2019 war ein großartiges Jahr. Dann kam die Verletzung. Nach meiner Rückkehr habe ich nur zwei Matches gespielt, dann kam auch schon Corona. Durch die Unterbrechungen war das Comeback wirklich hart. Es gab zwar viele Höhen und Tiefen, es tut aber einfach gut, wieder auf dem Platz zu stehen. Ich genieße es sehr, wieder zu spielen. Ich hoffe nun, dass ich die Saison zu Ende spielen kann. Es wäre meine erste komplette Saison – davor kamen immer Verletzungen dazwischen.
Würden Sie an Ihrer bisherigen Laufbahn etwas ändern, wenn Sie könnten?
Ich bin manchmal zu hart zu mir selbst gewesen. Alles drehte sich nur um Tennis, jeder will immer alles gewinnen – dabei vergisst man, das Leben zu genießen. Nach Paris 2019 war ich sehr traurig und habe viel geweint. Ich habe mir danach selbst sehr viel Druck gemacht und habe immer nur gedacht: Wenn ich noch einmal ein Finale verliere, werde ich wieder so traurig sein. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Ich habe zwischendurch vergessen, meine Zeit auf der Tour zu genießen. Das würde ich vielleicht ändern wollen. In der Hinsicht habe ich mich aber auch weiterentwickelt. Nach dem Finale in Tokio war ich nicht traurig. Ich habe mich einfach nur gefreut, überhaupt dort zu sein. Ich habe mein ganzes Leben von solchen Momenten geträumt und will diese nun auch genießen können.
Konnten Sie Ihre Zeit in Luxemburg schon genießen?
Wir sind aus Prag mit dem Auto angereist und waren mehr als sieben Stunden unterwegs. Bisher gefällt es mir sehr gut in Luxemburg, auch die Courts sind toll. Ich fühle mich wirklich wohl hier. Ich hatte aber noch keine Zeit, mir Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Das werde ich aber sicherlich noch machen. Denn wenn ich schon in ein neues Land reise, will ich mir das auch ansehen können.
Was wollen Sie in Ihrer sportlichen Laufbahn noch erreichen?
Ich will immer mein Bestes geben und gutes Tennis zeigen. Ich wurde 2019 in der Weltrangliste an Position 14 geführt, bin aber aufgrund meiner Verletzung und Corona abgerutscht (jetzt WTA 35). Ich glaube, dass ich mich wieder weiter nach oben arbeiten kann.
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