Formel 1 / McLaren-Höhenflug in Baku, kein Spaß für Verstappen
Oscar Piastri gewinnt, Lando Norris pflügt durchs Feld – McLaren hat am Sonntag alles richtig gemacht und Red Bull erstmals seit zwei Jahren vom Thron gestoßen. Die Weltmeister um Verstappen sind ein Schatten ihrer selbst.
Der ungebrochene McLaren-Höhenflug bringt Max Verstappen und sein Red-Bull-Team im Formel-1-Titelrennen immer mehr in Schwierigkeiten. Dank Oscar Piastris Sieg im Baku-Krimi und einer tollen Aufholjagd von Stallgefährte Lando Norris ist für McLaren nicht nur der erste Teamtitel seit 1998 greifbar, auch Verstappens Führung in der Fahrerwertung wird immer dünner. „Das hat natürlich nicht viel Spaß gemacht“, sagte der ernüchterte Niederländer, der mit Bremsproblemen und überhitzten Reifen chancenlos war.
59 Punkte Vorsprung hat der Titelverteidiger noch auf Norris, nachdem der Brite es von Startplatz 15 noch auf Rang vier schaffte und dabei kurz vor Schluss unwiderstehlich auch an Verstappen vorbeizog. „Es ist mehr, als ich erwartet habe. Riesendank ans Team“, sagte Norris, der in den verbleibenden sieben Saisonläufen weiter die Chance auf den WM-Triumph hat.
In der Konstrukteurswertung hat McLaren schon jetzt Branchenführer Red Bull an der Spitze abgelöst. Weil Sergio Pérez kurz vor Schluss mit Ferrari-Fahrer Carlos Sainz im Kampf um einen Podiumsplatz kollidierte und ausschied, büßte Red Bull viele Punkte ein und liegt nun 20 Zähler hinter McLaren. „Das ist ein massiver Rückschlag“, räumte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko bei Sky ein.
Zur Nummer zwei degradiert und gewonnen
McLaren ließ in Baku erneut die Muskeln spielen. Der eigentlich gerade erst zur Nummer zwei hinter Kollege Norris degradierte Piastri zeigte seine Klasse und fuhr knapp vor Ferrari-Star Charles Leclerc als Erster ins Ziel. „Das war der stressigste Tag meines Lebens“, funkte Sieger Piastri an seine Box.
Es war sein zweiter Karriere-Erfolg nach dem Sieg in Ungarn im Juli. „Wenn man bedenkt, wo wir gestartet sind, als ich letztes Jahr kam. Da waren wir buchstäblich Letzter, jetzt sind wir ganz vorn“, schwärmte der 23 Jahre alte Piastri. Dritter wurde George Russell im Mercedes. Ein starkes Rennen fuhren auch die beiden Rookies Franco Colapinto (Williams) und Oliver Bearman (Haas/Ersatz für gesperrten Magnusson), die sich beide Punkte sicherten.
Noch vor dem 17. Saisonlauf am Kaspischen Meer hatte McLaren nach längerem Zögern Norris den Nummer-1-Status gewährt. Im Kampf um den Fahrertitel sollte der Brite künftig den Vorzug vor Piastri erhalten, der australische Jungstar stellte Schützenhilfe in Aussicht. Doch prompt verpatzte Norris die Qualifikation in Baku.
Von der Pole-Position nahm zum vierten Mal in Serie in Aserbaidschan Leclerc das Rennen auf. Kein gutes Omen: Ein Sieg war dem 26-Jährigen bei den drei Versuchen davor nicht gelungen. Doch beflügelt von seinem jüngsten Sieg beim Ferrari-Heimspiel in Monza, behauptete Leclerc souverän in den ersten Kurven Platz eins und blieb zunächst auch locker vorn, als sich das Feld sortiert hatte.
Red Bull kämpft gegen Formschwäche
Dahinter folgten Piastri und Pérez. Verstappen, der mit seiner Qualifikation als Sechster nicht zufrieden war, verbesserte sich auf den ersten Kilometern auf Rang fünf. Die Formkrise, in die Red Bull über den Sommer gerutscht war, zeigte sich auf dem Stadtkurs nicht so deutlich wie zuletzt in Monza. Doch die Überlegenheit der ersten Saisonmonate, als der Dreifach-Weltmeister sieben von zehn Rennen gewann, ist lange dahin.
McLaren und Ferrari hatten in den Vorwochen schon mächtig Boden gutgemacht und brachten offenkundig auch das stärkere Paket mit nach Aserbaidschan. Umso ärgerlicher war es besonders für Norris, dass er sich die Chance auf den Sieg und viele Punkte schon am Samstag verbaut hatte.
Immerhin lief die Aufholjagd des 24-Jährigen nach Plan. Schnell hatte er sich unter die besten Zehn verbessert, vor seinem ersten Reifenwechsel war er sogar Fünfter. Noch besser lief es für seinen Stallgefährten Piastri. Mit frischen Gummiwalzen attackierte er Leclerc und quetschte sich in Runde 20 am Ferrari-Piloten vorbei an die Spitze.
Enges Duell an der Spitze
Ganz eng hintereinander jagten nun Piastri, Leclerc und Pérez dahin. Dahinter duellierten sich Norris und Verstappen, der immer wieder über seinen Dienstwagen klagte. Trotz neuer Reifen kam der Niederländer einfach nicht an seinem Titelrivalen vorbei, der seinen ersten Boxenstopp lange hinauszögerte. Als Norris dann auch auf frische Pneus wechselte, krönte er seine starke Rennleistung. Rund 15 Sekunden Rückstand auf Verstappen holte Norris auf und kam kurz vor Ende wieder vorbei.
Derweil lieferten sich Piastri und Leclerc rundenlang einen packenden Zweikampf. Mittels der Überholhilfe DRS kam der Ferrari-Fahrer auf der Zielgeraden mehrfach ganz nah an den jungen Australier heran, doch Piastri verteidigte sich immer wieder geschickt. Kurz vor Schluss musste sich Leclerc geschlagen geben. (dpa)
Im Überblick
Großer Preis von Aserbaidschan: 1. Oscar Piastri (Australien) McLaren 1:32:58,007 Stunden (197,522 km/h im Schnitt), 2. Charles Leclerc (Monaco) Ferrari 10,910, 3. George Russell (Großbritannien) Mercedes 31,328, 4. Lando Norris (Großbritannien) McLaren 36,143, 5. Max Verstappen (Niederlande) Red Bull 1:17,098, 6. Fernando Alonso (Spanien) Aston Martin 1:25,468, 7. Alexander Albon (Thailand) Williams 1:27,396, 8. Franco Colapinto (Argentinien) Williams 1:29,541, 9. Lewis Hamilton (Großbritannien) Mercedes 1:32,401, 10. Oliver Bearman (Großbritannien) Haas 1:33,127, 11. Nico Hülkenberg (Deutschland) Haas 1:33,465, 12. Pierre Gasly (Frankreich) Alpine 1:57,189, 13. Daniel Ricciardo (Australien) Racing Bulls 2:26,907, 14. Zhou Guanyu (China) Sauber 2:28,841, eine Runde zurück: 15. Esteban Ocon (Frankreich) Alpine, 16. Valtteri Bottas (Finnland) Sauber, ausgeschieden: Yuki Tsunoda (Japan) Racing Bulls (14. Runde/Schaden nach Unfall), Lance Stroll (Kanada) Aston Martin (45./Unfall), Sergio Perez (Mexiko) Red Bull und Carlos Sainz jr. (Spanien) Ferrari (beide 49./Unfall)
WM-Stand: 1. Verstappen 313, 2. Norris 254, 3. Leclerc 235, 4. Piastri 222, 5. Sainz jr. 184, 6. Hamilton 166, 7. Russell 143, 8. Perez 143, 9. Alonso 58, 10. Stroll 24, 11. Hülkenberg 22, 12. Tsunoda 22, 13. Albon 12, 14. Ricciardo 12, 15. Gasly 8, 16. Bearman 7, 17. Kevin Magnussen (Dänemark) Haas 6, 18. Ocon 5, 19. Colapinto 4
Teamwertung: 1. McLaren 476, 2. Red Bull 456, 3. Ferrari 425, 4. Mercedes 309, 5. Aston Martin 82, 6. Racing Bulls 34, 7. Haas 29, 8. Williams 16, 9. Alpine-Renault 13
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