Tennis / „Mir fehlte oft der Glaube an einen großen Sieg“: Mandy Minella blickt auf ihre Karriere zurück
Eine mehr als 20-jährige Karriere als Tennisprofispielerin ging für Mandy Minella mit dem Aus in der zweiten Runde in der Qualifikation in Wimbledon zu Ende. Es war für die 36-Jährige trotz der Niederlage ein gelungener Abschluss. Obwohl die Luxemburgerin ihre Sportart nicht mehr professionell ausübt, greift die zweifache Mutter in den nächsten Monaten noch des Öfteren zum Schläger. Ganz ohne Tennis auszukommen, ist für sie derzeit noch keine Option. Im Interview verrät Minella u.a. auch, wie sie während ihrer Laufbahn mit dem Thema Druck umgegangen ist und welche Träume sie in ihrer Kindheit hatte.
Tageblatt: Sie haben sich vor kurzer Zeit aus dem Profisport zurückgezogen. Wie geht es Ihnen momentan damit?
Mandy Minella: Ich fühle mich sehr erleichtert. Ich muss nämlich zugeben, dass die letzten Monate und Jahre hart für mich waren. Glücklich bin ich auch darüber, dass ich die Entscheidung selbst treffen konnte, einen Schlussstrich unter meine Karriere zu ziehen. Unsere ganze Familie ist wohlauf. Das ist das Wichtigste.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als die letzte Partie Ihrer professionellen Karriere zu Ende ging?
Es klingt vielleicht etwas seltsam, aber ich war nicht einmal so richtig traurig. Es wurde mir zwar bewusst, dass dies wirklich mein letztes Spiel auf dieser Anlage in Wimbledon war, doch von den Gefühlen hatte ich mich recht gut im Griff. Die Atmosphäre mit dem Sonnenuntergang trug auch noch dazu bei, dass ich mir sagte: „Okay, so kann ich aufhören.“ Mein Abschied in Kockelscheuer hingegen war deutlich emotionaler. Dies lag auch daran, dass bei meinem letzten Auftritt im CK Sportcenter viele Angehörige der Familie, Freunde und Fans zugegen waren.
Können Sie jetzt beruhigt einschlafen, ohne gleich an das nächstes Spiel denken zu müssen?
Seit einiger Zeit bin ich innerlich schon viel ruhiger geworden. Aber von heute auf morgen so richtig abzuschalten, gelingt mir noch nicht. Das macht mir auch ein wenig Angst. Deshalb gehe ich noch weiterhin zum Training, denn ich liebe einfach das Gefühl, wenn mein Körper ausgelaugt ist. In diesem Sommer nehme ich in verschiedenen Ländern noch am Interklub teil. Dieser Wettkampf macht mir viel Spaß, denn er wird in der Mannschaft gespielt. Diesen kollegialen Aspekt habe ich auch zum Schluss meiner Karriere ein wenig vermisst. Ich stand nicht mehr so gerne allein auf dem Court. Bei diesen Meisterschaften herrscht immer eine großartige Atmosphäre.
Wie ist das Leben aus der Tour als Tennis-Mama?
Der Fokus ändert sich komplett. Das Tennisspielen genießt nicht mehr die höchste Priorität. Als Sportler braucht man seine Ruhephasen, doch dies ist als Mutter von zwei Kindern schwer möglich. In den ersten beiden Jahren reisten wir zusammen mit Emma (Minellas erste Tochter, Anm. d. Red.) zu den Turnieren und meine Eltern haben uns oft unter die Arme gegriffen. Emma hat mir an sich sehr geholfen, um ein wenig abzuschalten, und mir auch bewusst gemacht, dass sich nicht alles ums Tennis dreht. Mit der Geburt meiner zweiten Tochter Maya hat sich der Arbeitsaufwand noch einmal erhöht. Emma geht nun in den Kindergarten und ich will auch, dass sie einen normalen Schulweg, gemeinsam mit ihren Freunden, einschlagen kann. Ich wollte nicht, dass meine Töchter auf der Tour aufwachsen.
Ich brauche immer etwas, das mich antreibt. Ansonsten werde ich verrückt.
Wie gingen Sie mit dem Thema Druck um? Denn Sie hatten nicht nur als Spielerin, sondern auch als Mutter ihre Pflichten zu erfüllen …
Ohne die Hilfe der Familie und von Tim wäre es unmöglich gewesen. Hätte er mich nicht unterstützt, hätte ich schon längst früher aufgehört. Mit dem Druck bin ich an sich immer gut umgegangen. Ich brauchte diese Anspannung, um bessere Leistungen zu bringen. Doch ab einem bestimmten Zeitpunkt einer Karriere will man nicht mehr jeden Tag diesem Gefühl ausgesetzt sein und entspannter an die Sache herangehen können. Vor allem, wenn man einige Tage, z.B. wegen einer Erkältung, nicht ordentlich trainieren konnte, will man diese Ungewissheit, wie man performt, nicht mehr aushalten müssen. In jungen Jahren gehen einem ganz andere Gedanken durch den Kopf. „Erreiche ich meine Ziele?“, „Kann ich auf der Tour bestehen?“ und „Kann ich mit dem Tennis meinen Lebensunterhalt verdienen?“ – das sind die Fragen, die ich mir am Anfang meiner Karriere gestellt habe. Der Druck ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht so präsent, aber ich wollte auf keinen Fall scheitern.
Steckbrief
Geburtsdatum: 22. November 1985
Größe: 1,80 m
Profi: von 2001 bis 2022
Spielhand: Rechtshänderin
Bestes Ranking: 66 (17. September 2012)
Preisgeld: 2.158.833 US-Dollar
Titel: Einzel: 1 WTA-Titel in Bol, 16 ITF-Titel; Doppel: 3 WTA-Titel, 10 ITF-Titel
In Ihrer gesamten Karriere haben Sie 2.158.833 US-Dollar an Preisgeld gewonnen. Das ist eine recht stolze Summe, doch es bedeutet wohl trotzdem, dass Sie in Zukunft einem anderen Beruf nachgehen müssen …
Das stimmt. Es reicht nicht aus, um für mein ganzes Leben finanziell ausgesorgt zu haben. Spielerinnen, die über eine gewisse Zeit in den Top 20 standen, können sich vielleicht diesen Luxus leisten. Ich habe das große Glück, dass ich nicht innerhalb kürzester Zeit einen Job finden muss und zunächst mehrere interessante Projekte austesten kann, ohne gleich eine Entscheidung treffen zu müssen. Doch ich will auch unbedingt einen neuen Job ausüben, denn ich war immer eine, die sehr aktiv war und neue Herausforderungen suchte. Ich brauche immer etwas, das mich antreibt. Ansonsten werde ich verrückt.
Ihr Ehemann Tim Sommer war während Ihrer Karriere gleichzeitig auch Ihr Coach. Kam es bei dieser besonderen Beziehung nie zu Meinungsunterschieden?
Es gab einige harte Phasen mit einigen Aufs und Abs. Doch die guten Momente überwiegen bei weitem. In einem ruhigen Moment zu Hause dankte ich Tim aber noch einmal für alles. Wir kamen außerdem zu dem Entschluss, dass diese Phase unseres Lebens uns dermaßen als Paar zusammenbrachte, dass wir wirklich alles überstehen können. Wir sind als Team einfach enorm zusammengewachsen und konnten die Welt bereisen. Zunächst ohne Kinder, dann mit Nachwuchs. Das war schon eine Bereicherung für uns. Wir hatten auch das Glück, dass wir uns auch auf beruflicher Ebene gut ergänzt haben.
Wir Luxemburger müssen uns den Gedanken abgewöhnen, dass wir nicht imstande wären, Unglaubliches leisten zu können
Mit 16 Jahren haben Sie die Entscheidung getroffen, Tennis zu Ihrem Beruf zu machen. Mit welchen Zielen sind Sie dieses Abenteuer angegangen?
Ich hatte stets die Top 100 vor Augen, denn mit diesem Ranking steht man sicher im Hauptfeld eines Grand Slams. Ich weiß aber nicht genau, warum ich mir diese Zahl in den Kopf gesetzt habe. Warum habe ich nicht die Top 50 oder sogar die Top 30 angepeilt? Ich sehe in Luxemburg manchmal in diesem Bereich das Problem, dass wir bei der Zielsetzung nicht genug träumen. Wir Luxemburger müssen uns den Gedanken abgewöhnen, dass wir nicht imstande wären, Unglaubliches leisten zu können. Es ist eine Kopfsache. In meiner Karriere hatte ich mehrmals bewiesen, dass ich auch gegen absolute Topspielerinnen mithalten kann. Spielerisch war ich mit ihnen auf dem gleichen Niveau, doch es hat mit oft der Glaube an den großen Sieg gefehlt. Man benötigt dafür auch eine gewisse Arroganz. Hätte ich vielleicht eine andere Mentalität von klein auf eingetrichtert bekommen, wäre es vielleicht anders verlaufen. In diesem Bereich möchte ich auf jeden Fall meine Erfahrungen an die Jugend weitergeben, sodass diese mit einer anderen Einstellung ihre Karriere beginnen kann.
In dieser Hinsicht gibt es heutzutage aber viel mehr Möglichkeiten, um den jungen Sportlern unter die Arme zu greifen …
In den letzten Jahren hat sich in dieser Hinsicht enorm viel im luxemburgischen Sport getan. Das Sportlycée und das LIHPS (Luxembourg Institute for High Performance in Sports) wurden ins Leben gerufen. Der Sport wird jetzt mehr gefördert, als dies noch zu meiner Jugend der Fall war. Ich musste meinen eigenen Weg einschlagen. Ich musste ins Ausland gehen, um mich weiterentwickeln zu können. Heutzutage besitzt man – abgesehen von geeigneten Trainingspartnern – alle Möglichkeiten, professionell seinen Sport hierzulande ausüben zu können. Und was ich besonders wichtig finde, ist, dass viele Posten beim LIHPS von Spezialisten besetzt sind, die früher selbst Sportler waren. In Sachen Kompetenz und Erfahrung können diese Experten die derzeitigen Sportler wirklich enorm weiterbringen.
Rang 66 aus dem Jahr 2012 steht bei Ihnen als Karrierebestwert zu Buche. Haben Sie nie geglaubt, dass Sie in der Weltrangliste noch weiter vorne landen könnten?
Doch, natürlich habe ich daran gedacht. In der Saison 2016 bis Mitte 2017 war ich wohl in der Form meines Lebens und kam aufgrund der guten Resultate wieder ganz nah an mein „career high“ heran. Doch dann wurde ich schwanger. (lacht) Ich hatte in diesem Jahr auch fast keine Punkte mehr zu verteidigen, sodass ich vielleicht die Top 50 geknackt hätte. Doch es kam aufgrund der Schwangerschaft etwas anders.
Im Großen und Ganzen würde ich wirklich gerne dem Luxemburger Sport helfen und meine Erfahrungen weitergeben
Haben Sie schon konkrete Ideen im Kopf, wie Ihre berufliche Zukunft aussehen könnte?
Was das Tennis betrifft, werde ich wie schon erwähnt neben den diversen Interklubmeisterschaften auch am Einladungsturnier in Kockelscheuer teilnehmen. Darauf freue ich mich sehr. Ich könnte mir vorstellen, Tennispartien zu kommentieren. Das würde mir sicherlich auch Spaß machen. Des Weiteren wurde ich gefragt, der einen oder anderen Tennisspielerin unter die Arme zu greifen. Im Großen und Ganzen würde ich wirklich gerne dem Luxemburger Sport helfen und meine Erfahrungen weitergeben.
Nicole Kidman, Serena Williams und eine Hitzeschlacht
Die vier Grand-Slam-Turniere sind die Crème de la crème der internationalen Tennisszene. Während ihrer Karriere stand Minella insgesamt 20 Mal im Hauptfeld eines Major-Turniers. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Luxemburgerin an einige prägende Momente bei diesen Wettbewerben erinnern kann.
Bei den US Open sind ihr gleich zwei Ereignisse im Gedächtnis hängen geblieben. Bei ihrem Durchbruch in Flushing Meadows trat die damals 24-Jährige in der dritten Runde gegen den lokalen Superstar Venus Williams auf dem Center Court mit mehr als 20.000 Zuschauern an. „Diese Leute sind an sich nur hier, um Venus (Williams) spielen zu sehen. Dieser Gedanke ließ mich nicht los. Ich dachte mir nur, ich möchte diese Verantwortung nicht übernehmen, dass ich Teil dieser Show sein müsste. Das löste in mir ein wenig Stress aus“, erinnert sich Minella an diese Begegnung aus dem Jahr 2010. Zwei Jahre später stand die Luxemburgerin erneut in der dritten Runde in Flushing Meadows. Nach der Partie gegen Anna Tatishvili erfuhr sie, dass Nicole Kidman in den Rängen saß, um sich ihre Partie anzusehen. „Ich dachte mir nur, dass es gut war, dass ich diese Information nicht vorher hatte, denn sonst wäre ich wohl nervöser gewesen und hätte Ausschau nach ihr gehalten“, erzählt sie.
In London hat die FLT-Spielerin auch noch eine ganz spezielle Begegnung im Kopf. Damals stand ein Duell mit Serena, der jüngeren der beiden Williams-Schwestern, auf dem Center Court in Wimbledon an. „Als Serena den ersten Aufschlag servierte, wurde es mucksmäuschenstill auf dem Spielfeld. Das war für mich ein wenig unheimlich. Ich war diese Atmosphäre an sich gar nicht gewohnt, obwohl ich schon auf großen Plätzen gespielt habe. Aber diese Stille war schon etwas Besonderes“, gibt die Tennisspielerin zu verstehen.
Bei den Australian Open im Jahr 2014 war es nicht die Gegnerin, die ihr zu schaffen machte, sondern die extremen Wetterbedingungen. Es war 44 Grad heiß und der Wind hat sich wie Feuer angefühlt. Die Augen haben gebrannt. „Ich sagte nur zu Tim, ich will nicht aus dem Tunnel in diese Affenhitze gehen. Ich konnte die Partie zwar für mich entscheiden, doch ich war einfach nur knallrot im Gesicht“, sagt Minella mit einem Schmunzeln. Zwei Jahre später wurden Krämpfe nicht ihr, sondern ihrem Trainer und Ehemann zum Verhängnis. „Er war während der Partie so angespannt, dass er sich mit Krämpfen in den Armen herumplagen musste. Ich bekam zwar nichts davon mit, weil ich zu sehr auf mein Spiel fokussiert war. Aber das hätte ich doch gerne gesehen“, verrät die ehemalige Nummer 66 der Welt.
Wird Minella auf die French Open angesprochen, so verrät sie, dass das Turnier in Paris nicht gerade zu ihren Favoriten zählte. „Obwohl ich gerne auf Sand gespielt und zehn Jahre in Paris gelebt habe, mag ich Roland Garros von den vier Major-Wettbewerben am wenigsten“, so Minella, die an diesem Ort oft mit einer harten Auslosung zu kämpfen hatte. Die Accessoires hingegen, die die Teilnehmer bei den Grand Slams ergattern können, haben ihr aber auch in Paris gut gefallen. Eine Louis-Vuitton-Brieftasche gab es dort einmal zur Begrüßung. „Das war schon ein richtig cooles Geschenk“, sagt sie. Aber das größte Geschenk machte sie sich selbst, wenn sie eine Runde bei den Majors weiterkam.
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