European Games / Missionschef Raymond Conzemius: „Geht um die Repräsentation eines Landes“
Am Mittwoch fällt der Startschuss zur dritten Ausgabe der European Games. Nach Baku (2015) und Minsk (2019) finden die europäischen Kontinentalspiele diesmal rund um das polnische Krakau statt. Mit dabei sind 25 luxemburgische Einzelsportler sowie ein Leichtathletik-Team. Im Gespräch mit dem Tageblatt sprach COSL-Missionschef Raymond Conzemius über Organisation, die Ziele der luxemburgischen Delegation und den Stellenwert der Europaspiele im internationalen Kalender.
Tageblatt: Herr Conzemius, Sie sind seit Ende der vergangenen Woche in Polen. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
Raymond Conzemius: Ich bin mit dem Lieferwagen des „Comité olympique“ nach Krakau gefahren, weil wir über diesen Weg nicht unser ganzes Material, wie zum Beispiel Tische für die Physios, im Flugzeug mitbringen mussten. Ich bin am Freitagnachmittag um 15 Uhr im Athletendorf angekommen und habe die Akkreditierungen erhalten. Das hat alles gut geklappt. Man hat mir bereits gezeigt, welche Zimmer wir belegen werden. Diese sind in einem Studentenwohnheim, das freigeräumt wurde. Wir sind zusammen mit Deutschland in einem Haus und müssen jetzt noch schauen, unsere Corporate Identity ein bisschen anzubringen, sodass man sieht, dass wir auch in diesem Gebäude sind. Die ersten Eindrücke sind gut. Es ist eine tolle Stimmung, aber man merkt, dass der Organisator noch im Schlusssprint steckt.
Wie zufrieden sind Sie mit der Organisation vor Ort?
Die Kommunikation mit den Organisatoren hat sehr gut geklappt. Vor allem die großen Nationen haben jetzt kurz vor Beginn aber noch viele Fragen gestellt, weil sie sich zum Beispiel um den Transport sorgen. Ich selbst mache mir da nicht zu viele Gedanken, denn ich gehe davon aus, dass es in den ersten Tagen sowieso noch die eine oder andere Panne geben wird. Durch die Gespräche, die dann geführt werden, wird der Organisator dementsprechend reagieren. Die Sportevents werden von den europäischen Verbänden organisiert, von daher bin ich überzeugt, dass alles klappen wird. Vor allem die Form der Zusammenarbeit ist exzellent. Wir haben einen sehr guten und engen Kontakt zu den Polen. Jetzt muss man schauen, wie sie eben noch auf die zahlreichen Fragen vor Ort reagieren können. Wir hätten zum Beispiel gerne noch ein paar Zimmer für unsere Physios leergeräumt und ein Office. Da hoffen wir, dass sie noch entsprechend reagieren.
Nach den JPEE sind die European Games das zweite große Multisportevent für die luxemburgische Delegation innerhalb kurzer Zeit. Wo liegen die Unterschiede in der Organisation und wie stressig ist diese Zeit?
Malta war eine ganz andere Größenordnung mit rund 200 Leuten, die wir dorthin bringen mussten. Vom Prinzip her ist es aber das Gleiche, nur dass alles multipliziert werden muss. In Malta war es hauptsächlich die Kommunikation, die nicht gut funktionierte und die Nicht-Reaktivität der Organisatoren. Ich muss sagen, dass das In Polen extrem gut klappt, sie sind gut vorbereitet. Wir als COSL haben unsere Leute natürlich auch entsprechend aufgestellt. Der Großteil von unserem Team war bei den Spielen der Kleinen Staaten, deswegen bin ich während der ersten Tage noch alleine in Polen. Erst danach kommen die Kollegen dazu, Laurent (Carnol) und Michelle (Tousch). Wir sind im Moment schon Tag und Nacht beschäftigt und auch am Wochenende – aber es ist eine Arbeit, die zu schaffen ist. Für Marie-Jo (Ries) im Games-Management kam eine Zeit lang viel zusammen, bald kommen auch noch die EYOF (European Youth Olympics Festival) in Maribor dazu. Es lagen ein paar Dossiers bei einer Person, was sicherlich nicht leicht war. Wir haben das aber dann auf ein paar Schultern verteilt. Ich habe das Gefühl, dass wir alles gut regeln. Langeweile gab es jedenfalls in den vergangenen Wochen nicht. Man muss die Sachen nehmen, wie sie kommen.
Was hat man als Missionschef in den Tagen vor Beginn der Spiele noch für Aufgaben?
Ich verschaffe mir ein Bild vor Ort und plane alles, was in den kommenden Tagen ansteht und wie wir alles vorbereiten für die Ankunft der Delegation. Dann geht es darum, die Abläufe genau zu verstehen, sodass ich dementsprechend mit der Mannschaft kommunizieren kann. Ich schaue mir zudem die Wege und Uhrzeiten noch einmal genau an, sodass es keine Überraschungen gibt. Es geht auch darum, die einzelnen Tage vorauszuplanen. Ich werde deshalb morgen (Samstag, das Gespräch fand am Freitag statt; Anm. d. Red.) die Wege ein bisschen abfahren, damit ich sehe, was die reellen Zeiten zwischen den verschiedenen Orten sind, im Vergleich zu dem, was der Organisator angibt. Es gibt einfach noch eine Reihe an Fragen, die geklärt werden müssen, bevor die ersten Leute ankommen. Es geht hauptsächlich um die Logistik und darum, die Abläufe zu verstehen. Die Leute, die drei Tage vor ihrem Wettkampf ankommen, müssen gut gebrieft sein und es soll keine Zeit verloren werden mit Fragen, die ich im Vorfeld schon stellen kann.
Bei den diesjährigen European Games werden 43 Prozent der Wettbewerbe als Europameisterschaft ausgetragen, 91 Prozent sind sogar Teil der Olympiaqualifikation. Das ist erheblich mehr als 2019 in Minsk. Was bedeutet das für das Event?
Es ist „à court terme“ ein Zeichen dafür, dass die Entwicklung von Baku über Minsk und jetzt Krakau positiv ist. Das IOC versucht, die Wertigkeit des Events zu erhöhen. Das ist natürlich nicht in jeder Disziplin gleichermaßen möglich gewesen. Man muss pro Sportart eine Analyse machen, wie hochwertig die einzelnen Wettbewerbe sind. Sind die Besten dabei oder nicht? „Au départ“ ist es aber – wenn ich mir anschaue, wie alles aufgezogen ist – im Vergleich mit Tokio ein Schritt in die Richtung, wo die Europaspiele ihre Daseinsberechtigung haben. Das einzige „Bémol“ ist der sehr große Wettkampfkalender für die Sportler. Da muss man irgendwann die Fragen stellen: Was hat wo im Kalender wirklich Sinn und was verlangt man den Sportlern ab? Das ist nicht einfach.
Welchen Stellenwert haben die European Games Ihrer Ansicht nach in diesem vollen internationalen Wettkampfkalender?
Es sind die Kontinentalspiele – diese haben in jedem olympischen Kalender ihren Stellenwert. Über diese Kontinentalspiele werden in Europa auch Plätze für die Olympischen Spiele verteilt. In dem Sinn ist die Wertigkeit schon hoch. Aber natürlich schaut jeder einzelne Sportler, auf welchem Weg er seinen Quotenplatz kriegen kann. Für den einen oder anderen sind die Kontinentalspiele da sicherlich eine weniger attraktive Option. Es geht hier aber auch um die Repräsentation eines Landes. Wenn ich sehe, wie sich die großen Länder hier zeigen – wir sind mit den Deutschen in einem Haus, neben uns ist England und auch die Holländer sind nicht weit weg –, die großen europäischen Nationen kommen hier schon mit einem starken Aufgebot. Sie identifizieren sich sehr stark damit, was auch für die Wertigkeit des Events ein gutes Zeichen ist.
Für einige ist es eine Art schnuppern am höchsten europäischen und internationalen Niveau (…), andere erhoffen sich aber natürlich ein gutes Resultat und wollen sich hier zeigenüber die luxemburgischen Sportler in Krakau
Und die luxemburgischen Athleten?
Für jeden Athleten, der sich für die European Games qualifizieren konnte, hat das Event einen ganz hohen Stellenwert. Für eine ganze Reihe von ihnen ist es vielleicht das größte Event, was sie bisher hatten. Sie werden sich hier mit Leuten messen, die zum großen Teil besser sind als sie. Es ist eine Art schnuppern am höchsten europäischen und internationalen Niveau. In dem Sinn ist es für eine Reihe von ihnen auch der Höhepunkt ihrer Saison. Andere erhoffen sich aber natürlich ein gutes Ergebnis und wollen sich hier zeigen. Im Tischtennis gibt es eine Reihe von Sportlern, die gute Ergebnisse anpeilen. Gleiches gilt für das Bogenschießen und die Mixed-Staffel im Triathlon. Natürlich auch die Leichtathleten bei ihrem Teamevent. Sie alle werden danach wissen, wo sie im internationalen Vergleich stehen.
Was kann man in den kommenden zwölf Tagen von der luxemburgischen Delegation erwarten?
Für einige wird es darum gehen, zu zeigen, dass sie ihren Platz im ersten Drittel des Feldes haben. Für einen Großteil von ihnen wird es aber eher eine Erfahrung im letzten Teil des Pelotons werden, weil es eben vielleicht auch nur so gerade eben reichte, um sich überhaupt für die European Games zu qualifizieren – was aber an sich schon eine Leistung ist. Wenn man mit den Besten an einer Stelle ist, muss man schauen, wie man gegen sie überlebt und wie man sich beweisen kann.
Bei den letzten European Games 2019 holten mit Gilles Seywert (Bogenschießen), Ni Xia Lian (Tischtennis) und Jenny Warling (Karate) drei luxemburgische Athleten eine Medaille. Was wird in dieser Hinsicht diesmal möglich sein?
Ich kann keine Zahl nennen, aber es sind, denke ich, gleichermaßen viele Leute dabei, die eine Medaille holen könnten. Es kann aber natürlich auch ganz anders ausgehen.
Leichtathleten schon am Dienstag im Einsatz
Bereits vor dem offiziellen Start der European Games am Mittwoch steigen die Leichtathleten am Dienstag bei den „European Team Championships“, die am Rande der Europaspiele in Chorzow ausgetragen werden, in ihren Wettbewerb ein. Unter anderem wird Rekordfrau Patrizia Van der Weken im 100-m-Sprint am ersten Tag im Einsatz sein. Für das FLA-Team geht es bei dem Team-Wettbewerb darum, ihren Platz in der 2. Division zu verteidigen.
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