Olympia / Misslungener Breakdance-Auftritt: Australien stellt sich hinter seine Rachael
Australien hat bei den Olympischen Spielen in Paris ausgezeichnet abgeschnitten. Nur beim Breaking der Frauen ging es daneben. Rachael Gunn erhielt null Punkte und wurde im Internet verspottet. Jetzt stellen sich Sportskollegen und sogar der Premierminister hinter die 36-Jährige.
Rachael Gunn, in der Breaker-Szene unter dem Namen Raygun bekannt, hat sich bei den Olympischen Spielen in Paris nicht wegen ihrer sportlichen Leistungen einen Namen gemacht, sondern eher wegen ihrer „Nicht-Leistungen“. Für ihre Tanzroutinen beim Breaking erhielt die Dozentin, die an einer Universität in Sydney zur „Kulturpolitik“ des Breaking forscht, null Punkte.
Im Internet erntete die 36-Jährige dafür eine Menge Häme und böse Kommentare. Auf ihrer Instagram-Seite kommentierten Nutzerinnen und Nutzer, dass ihr Auftritt, „die schlechteste Leistung“ gewesen sei, die sie bei den Olympischen Spielen in Paris gesehen hätten. Ein Nutzer schrieb: „Liebe Australier, nächstes Mal schickt ihr einfach Kängurus, die sind wenigstens süß und bewegen sich besser.“ Auch Niels „Storm“ Robitzky, der in der Szene als „Legende“ gilt, gab dem Spiegel ein Interview, in dem er seinen Unmut über die Australierin zum Ausdruck brachte. Der misslungene Olympia-Auftritt sei für die ganze Szene „ein furchtbarer Moment“, kommentierte er.
Selbst der Premierminister gratulierte
Ganz anders dagegen in ihrem Heimatland: In Australien führte der Spott aus dem Ausland zu großer Unterstützung für die 36-Jährige. Selbst Premierminister Anthony Albanese stellte sich hinter sie. Bei den Olympischen Spielen gehe es vor allem um die Teilnahme und deswegen gratuliere er Raygun dazu, Australien vertreten zu haben. Raygun habe ihr Bestes versucht, das sei toll, und er wolle das loben, sagte er gegenüber Reportern. „Das entspricht der australischen Tradition, Menschen etwas ausprobieren zu lassen.“
Auch Ministerin Tanya Plibersek äußerte sich und sagte gegenüber dem TV-Sender Seven, Hasser würden nun mal Hasser bleiben „Wenn ich ein Raygun-T-Shirt kaufen könnte, würde ich es tun“, meinte sie. Der Rest dieser Leute sitze auf der Couch und treibe sich in den sozialen Medien herum. „Sie hat unser Land tatsächlich bei den Olympischen Spielen in Paris vertreten. Sie ist eine Olympionikin.“ Das könne ihr niemand mehr nehmen. „Gut, dass sie es versucht hat. Genau darum geht es beim Sport.“
„Packt es in den Louvre“
Anna Meares, Leiterin der australischen Olympiadelegation, hatte in einer Pressekonferenz bereits betont, Raygun sei die beste Breakerin Australiens und habe den olympischen Geist mit Mut und Begeisterung vertreten. „Damit jemand im Sport gewinnt, braucht man jemanden, der im Sport nicht gewinnt“, meinte sie. Tatsache sei, dass Rachael zwar keinen Punkt geholt habe, „aber ihr Bestes gegeben hat“. Es erfordere viel Mut, in ein sportliches Umfeld zu gehen und sich dort auszuprobieren. „Wie können wir unsere Kinder weiterhin dazu ermutigen, wenn wir bereit sind, unsere Athleten, die es auf einer globalen Bühne tun, zu verurteilen?“
Rayguns männlicher Kollege in Paris, der 16-jährige Jeff Dunne, unterstützte die Breakerin ebenfalls und sagte gegenüber Medienvertretern, er respektiere sie „zu 100 Prozent“. Der australische Wasserspringer Domonic Bedggood, der ein Video auf sozialen Medien teilte, das die Breakerin zeigte, wie sie zum Abschluss der Olympischen Spiele auf den Straßen von Paris tanzt, schrieb dazu: „Packt es in den Louvre.“ Das australische Comedy-Duo Inspired Unemployed ernannte die Dozentin in einem Instagram-Post sogar zur „neuen Königin Australiens“.
Dass Gunn im Ausland kritisiert und daheim gefeiert wird, liegt vor allem auch daran, dass Australier eine Schwäche für den „Underdog“ haben, also jemanden, der bei etwas benachteiligt ist. Dies wurde bereits bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000 deutlich, als Eric Moussambani, ein Schwimmer aus Äquatorial-Guinea, der erst acht Monate vorher Schwimmen gelernt hatte, trotz seines schlechten Abschneidens im Pool von der Menschenmenge bejubelt wurde.
Während Australien seinen „Underdog“ feierte, brachte der südafrikanische Futurist Graeme Codrington jedoch einen völlig neuen Gesichtspunkt ins Spiel – nämlich, dass deutlich mehr hinter der Null-Punkte-Tanzroutine der Australierin stecken könnte als bisher vermutet: nämlich ein Statement. So verwies Codrington in einem Facebook-Post auf einen Artikel, den sie in der Fachzeitschrift „intellect Discover“ veröffentlicht hatte und in dem die Dozentin Bedenken der Szene schilderte, die Kultur von Breakdance könne sich durch die Aufnahme bei den Olympischen Spielen verändern. Beispielsweise könne es zu einem Verlust von Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung kommen. „Geben Ihnen diese Informationen Anlass zum Nachdenken?“, schrieb Codrington und applaudierte der Australierin mit den Worten. „Bravo, Raygun. Lang lebe der Widerstand.“
Gunn selbst äußerte sich zu dieser These bisher nicht. Kritik wie auch Lästereien schien sie mit Gelassenheit zu begegnen. So postete die Akademikerin auf Instagram den Satz: „Hab keine Angst davor, anders zu sein, geh raus und repräsentiere dich selbst, du weißt nie, wohin dich das führen wird.“
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