Radsport / Nina Berton über ihre starke Klassiker-Kampagne: „Paris-Roubaix ist eine Hassliebe“
15. bei Gent-Wevelgem, 21. bei Dwars door Vlaanderen, 19. bei der Flandern-Rundfahrt und 40. bei Paris-Roubaix: Die Leistungen von Nina Berton bei den Klassikern in diesem Jahr sind beeindruckend. Die 22-Jährige hat sichtlich einen Sprung in ihrer Entwicklung gemacht. Im Gespräch mit dem Tageblatt blickt die Radsportlerin vom deutschen Team Ceratizit-WNT Pro Cycling auf die vergangenen Rennen zurück.
Tageblatt: Nina Berton, Sie haben intensive Wochen hinter sich. Wie haben Sie sich nach Paris-Roubaix gefühlt?
Nina Berton: Ich war ziemlich überrascht, dass es am Abend und am Tag nach Roubaix nicht so schlimm war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Jeder hat mir gesagt: „Wenn du eine ganze Klassiker-Kampagne fährst, bist du nach Roubaix völlig leer.“ Aber ich fühle mich ziemlich gut. Klar spüre ich die Anstrengungen im Körper, aber es ist besser als gedacht. Auch meine Hände sind noch ganz.
Sie haben zum ersten Mal an Paris-Roubaix teilgenommen. Wie haben Sie das Rennen erlebt?
Das Rennen war heftig. Ich habe mir im Rennen schon die Frage gestellt, warum ich mir das antue (lacht). Aber es ist eine Hassliebe. Als ich die Kopfsteinpflaster-Passagen befuhr, dachte ich mir, dass es doch sehr verrückt ist, was wir hier machen. Nach dem Rennen wusste ich aber direkt, dass ich wiederkommen und es noch besser machen will.
Was wollen Sie konkret besser machen?
Meine Positionierung war nicht so gut wie in den Rennen davor. Ich hatte in Roubaix diesbezüglich meine Schwierigkeiten. Am Anfang des Rennens war ich in einen Sturz verwickelt. Von da an war ich im Kopf nicht mehr ganz so frei. Ich hing dann hinten, das war das Problem. Der Sturz war ziemlich früh im Rennen, es war alles sehr nervös. Wir sind noch vor den ersten Kopfsteinpflaster-Passagen gestürzt. Es war nichts Schlimmes, aber es gab immer wieder kleinere Stürze. Ich konnte direkt weiterfahren, aber es war ein kleiner mentaler Rückschlag.
Ich habe mir im Rennen schon die Frage gestellt, warum ich mir das antue
Welche Taktik ist Ihr Team bei Paris-Roubaix angegangen?
Marta Lach war ganz klar unsere Kapitänin. Sie war letztes Jahr sehr stark und wurde als Ausreißerin Sechste. Vom Profil her liegt Paris-Roubaix ihr am meisten, weil es doch sehr flach ist. Das ist nicht ganz meine Art von Rennen. Du brauchst viel Power. Wir wollten immer aufmerksam sein und wenn sich eine Ausreißergruppe bildet, wollten wir unbedingt drin sein. Da hatte jeder seine freie Karte. Da kann man nicht bestimmen, wer da mitgeht. Dann wollten wir immer schauen, dass Marta gut platziert ist und ihr im Finale helfen (Lach wurde 22.; Anm. d. Red.). Aber Roubaix ist immer Chaos, die Taktik ist schwer umzusetzen.
Bei der Flandern-Rundfahrt waren Sie als 19. die beste Fahrerin Ihres Teams.
Ich bin dort als letzte Helferin ins Rennen gegangen. Marta Jaskulska war Leaderin. Aber der Koppenberg war sehr chaotisch. Es war so, wie wir es erwartet hatten (lacht). Letztes Jahr war es auch schon so. Es ist immer der Moment, bei dem die erste große Entscheidung fällt. Jeder will vorne platziert sein. Es ist der Moment, bei dem viele den Fuß auf den Boden setzen müssen. Die Radsportler, die sitzen bleiben, sind weg. Am Ende war ich die Fahrerin des Teams, die noch vorne dabei war und habe meine Chance bekommen.
Sind die Kopfsteinpflaster-Klassiker Rennen, auf die Sie sich auch in Zukunft fokussieren wollen?
Ich sehe mich als Allrounder. Ich mag alles ziemlich gerne, aber die Klassiker kommen mir am meisten entgegen. Es wird kurz richtig anstrengend, man muss über das Limit hinaus und kann sich dann kurz erholen. Dann geht es wieder schwer weiter. Die Rennen sind außerdem sehr lang und hart, das mag ich. Auch das Wetter passt. In den Klassikern sehe ich mich und will mich da weiterentwickeln.
Hätten Sie mit diesen starken Resultaten vorher gerechnet?
Vor der Saison hätte ich damit nicht gerechnet. Weil ich als Helferin in die Rennen gegangen bin, habe ich mir keine Gedanken über die Platzierungen gemacht. Ich wollte einfach nur gute Beine haben und meine Arbeit machen. Ich habe nicht über Top 40 oder Top 30 nachgedacht. Am Ende bin ich aber sehr zufrieden. Ich bin zum ersten Mal in der WorldTour in die Top 20 gefahren.
Sie haben einen Sprung in Ihrer Entwicklung gemacht. Wie erklären Sie sich das?
Das kann ich klar sagen, das liegt vor allem am Winter. Ich habe mich voll auf die Klassiker fokussiert und das Training sowie den Trainer gewechselt (Misch Wolter trainiert sie; Anm. d. Red.). Ich habe viel Krafttraining gemacht, was ich vorher gar nicht getan habe. Da hat es in den letzten Jahren noch gefehlt. In den steilen Anstiegen und auf dem Kopfsteinpflaster hatte ich nicht die Explosivität oder die Kraft, um mitzuhalten. Jetzt habe ich Kraft aufgebaut, aber es ist immer noch nicht so, wie es sein sollte. Die Entwicklung ist aber positiv.
Werden Sie die Ardennen-Klassiker bestreiten?
Sonntag und Montag war komplett Ruhe angesagt. Ich schaue mal die nächsten Tage, wie ich mich körperlich fühlen werde. Amstel Gold Race und Flèche Wallonne fahre ich nicht, das wäre zu viel geworden. Ich mache noch ein Vorbereitungsrennen in Chambéry (Grand Prix Féminin de Chambéry am 14.4.) und dann starte ich bei Liège-Bastogne-Liège (21.4.). Ich gehe ohne Ambitionen in dieses Rennen, weil ich schon weiß, dass die Form für die Flandern-Klassiker gut sein sollte. Liège kommt als Bonusrennen und um dem Team zu helfen. Ich glaube, dass Cédrine Kerbaol gute Chancen auf ein gutes Ergebnis hat. Ich mag das Rennen, es ist außerdem nah an Luxemburg.
Welche Ziele peilen Sie in dieser Saison noch an?
Das Festival Elsy Jacobs (27./28.4.) ist ein Ziel. Ich muss schauen, wie gut die Form bis dahin ist. Ich habe mich auf die Klassiker fokussiert und weiß nicht genau, wie ich mich bis dahin fühlen werde. In Luxemburg will ich mich immer von meiner besten Seite zeigen. Danach möchte ich für die Tour de France (12.-18.8.) berufen werden. Ich hoffe, dass ich die Chance bekomme, mitzufahren. Die Tour läuft auch nah an Luxemburg vorbei. Auch die Rennen der EM (15. September in Limburg) und der WM (28. September in Zürich) kommen mir entgegen, vor allem das Rennen in Belgien.
Für mich ist es Christine (Majerus), die sich Olympia verdient hat
Spielt Olympia 2024 bei Ihnen eine Rolle (die luxemburgischen Damen haben einen Startplatz zur Verfügung)?
Paris war nie wirklich mein Ziel. Natürlich würde ich gerne irgendwann ein olympisches Rennen fahren. Aber ich habe von Anfang an gedacht, dass Christine (Majerus) sich dieses Rennen verdient hat. Es ist ein schöner Abschluss (Majerus beendet nach dieser Saison ihre Karriere; Anm. d. Red.). Bis letztes Jahr habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, weil ich nicht vorne mitgefahren bin. Den Sprung habe ich erst in den letzten zwei Jahren gemacht. Wenn ich es angeboten bekommen würde, dann wäre ich sehr gerne dabei. Aber für mich ist es Christine, die sich Olympia verdient hat.
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