Sport-Rückblick / Olympia, elf Sekunden und eine historische Chance
Der Sportsommer 2024 war geprägt von den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris und endete für Luxemburg mit der Bronzemedaille von Tom Habscheid. Mit Patrizia van der Weken, Jeanne Lehair, Marie Schreiber und den Basketballerinnen sorgten 2024 aber vor allem die Damen für besondere Momente. Ein Überblick über die Ereignisse der letzten zwölf Monate, die besonders in Erinnerung bleiben werden.
Rekord des Jahres: Plötzlich ist die Elf-Sekunden-Grenze ganz nah: Bei der EM im Juni in Rom sprintete Patrizia van der Weken im Halbfinale in genau elf Sekunden ins Ziel und pulverisierte einmal mehr ihren Landesrekord über 100 Meter. Es war der Höhepunkt einer Saison, in der die Sprinterin immer mehr von sich reden machte. Wenige Stunden nach ihrer Bestleistung verpasste sie in Rom die Bronzemedaille um gerade einmal eine Hundertstelsekunde, unterstrich aber, dass sie endgültig in der europäischen Spitze angekommen ist. Dass Van der Weken aber auch über den Kontinent hinaus mithalten kann, zeigte sie beim Diamond-League-Meeting in Paris, bei dem sie das Hundert-Meter-Rennen sogar gewann. Bei Olympia standen am Ende das Halbfinale und ein 15. Platz zu Buche. Abgerundet wurde das bemerkenswerte Jahr von Patrizia van der Weken schließlich noch mit der Qualifikation für das Diamond-League-Finale in Brüssel, in dem sie Fünfte wurde.
Abschiede des Jahres: Gleich drei Größen des luxemburgischen Sports zogen im Jahr 2024 einen Schlussstrich unter ihre Karriere: Christine Majerus, Bob Bertemes und Charline Mathias. Während Bertemes und Majerus noch einmal in den Genuss von Olymischen Spielen kamen, verpasste Mathias den Saisonhöhepunkt in Paris knapp, verabschiedete sich aber mit einem neuen Landesrekord über 800 Meter von der Sportbühne.
Aufholjagden des Jahres: Die Handball-Nationalmannschaft stand im Januar in der EM-Qualifikation nach einer 25:32-Niederlage im Hinspiel gegen Lettland vor dem Aus. Doch vier Tage nach dem enttäuschenden Auswärtsergebnis lieferte die FLH-Auswahl in der Coque eine sensationelle und denkwürdige Aufholjagd ab. Durch einen 36:28-Sieg im zweiten Aufeinandertreffen sicherten sich die „Roten Löwen“ doch noch ihr Ticket für die Gruppenphase.
Im Februar lagen die FLBB-Herren in ihrer ersten Partie der Vorqualifikation für die WM 2027 in Rumänien bereits deutlich, mit 23 Punkten, in Rückstand. Kaum jemand hatte zu diesem Zeitpunkt wohl noch damit gerechnet, dass das Team von Ken Diederich als Sieger vom Platz gehen würde. Doch angeführt von den beiden Youngsters Malcolm Kreps und Max Logelin, holten die Luxemburger in den letzten Minuten Punkt für Punkt auf, erkämpften sich die Verlängerung, in der sie sich schlussendlich mit 76:72 behaupteten. Ein Comeback, wie es einem nicht alle Tage gelingt.
Sieg des Jahres: Viel besser als Kevin Geniets kann man nicht in eine Saison starten. Bei seinem ersten Rennen im Jahr 2024 gewann er gleich – beim Grand Prix Cycliste de Marseille setzte er sich nach 167,5 Kilometern im Sprint gegen den Franzosen Alexis Baudin durch. Für den 27-Jährigen war es der erste Profisieg, abgesehen von den Titeln bei den Landesmeisterschaften (drei im Straßenrennen, einer im Zeitfahren).
Mannschaft des Jahres: Die Damennationalmannschaft im Basketball hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. Vor drei Jahren spielte das Team von Trainer Mariusz Dziurdzia noch in der Small Countries Division, nun hat es die realistische Chance, sich erstmals in der Geschichte des Verbandes für ein EM-Endrundenturnier zu qualifizieren. Auf zwei Siege gegen die Schweiz und Bosnien-Herzegowina im November 2023 folgte ein Jahr später ein weiterer beeindruckender 71:49-Erfolg gegen den Gruppenfavoriten Montenegro. Mit drei Siegen in vier Spielen belegen die FLBB-Damen in ihrer Gruppe derzeit den ersten Tabellenplatz und könnten im Februar, wenn die letzten beiden Partien auf dem Programm stehen, einen Traum wahrmachen, den sie vor wenigen Monaten noch nicht einmal zu träumen gewagt hätten.
Enttäuschung des Jahres: So schnell kann es im Fußball gehen. 2023 war für die Fußball-Nationalmannschaft ein Rekordjahr. 17 Punkte in einer EM-Qualifikation waren bis dahin unerreicht. 2024 folgte die kalte Dusche. Zunächst wurde das EM-Ticket im Play-off-Spiel gegen Georgien verpasst. Dies kann man nicht unbedingt als Enttäuschung kategorisieren, denn Luxemburg bei einer EM wäre eine Sensation gewesen. In der darauffolgenden Nations League waren die Erwartungen dementsprechend hoch. Mit drei Punkten und keinem Sieg aus sechs Partien wurde die Gruppe als Letzter abgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass die FLF-Auswahl im März 2026 in einem Hin- und Rückspiel gegen Malta gegen den Abstieg in die Division D der Nations League kämpfen muss.
Pech des Jahres: Mit ihrem fünften Platz in der Weltrangliste und vier Top-Ten-Platzierungen bei Wettkämpfen der Weltmeisterschaftsserie gehört Jeanne Lehair zu den absoluten Top-Triathletinnen auf der internationalen Bühne. Umso ärgerlicher, dass ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt, den Olympischen Spielen in Paris, das Material ihr einen Strich durch die Rechnung machte. Aufgrund eines Defektes am Fahrrad, wie ihn Lehair, Nationaltrainer Cyrille Eple oder FLTri-Präsident Christian Krombach bisher noch nie gesehen haben – ein Gummiband am Schuh hat sich am Schaltwerk des Rads verfangen und es kaputtgerissen –, war die 28-Jährige gezwungen, aufzugeben.
Aufstieg des Jahres: Die Rugby-Nationalmannschaft hat 2024 den erstmaligen Aufstieg in die Europe Trophy, die zweite europäische Division, geschafft. Vorangegangen war eine beeindruckende Saison in der Europe Conference, in der die FLR-Auswahl alle ihre Spiele souverän gewinnen konnte. Auch im alles entscheidenden Aufstiegsspiel gegen Moldawien am 25. Mai behielt die Mannschaft im Stade Josy Barthel die Nerven und setzte sich klar mit 19:0 durch.
Strafen des Jahres: Die nationale Anti-Doping-Agentur (ALAD) hat 2024 gleich zwei luxemburgische Sportler gesperrt. Beide haben nicht gedopt, allerdings Verfahrensfehler begangen und gegen Artikel 2.4 des Anti-Doping-Codes verstoßen, sprich drei Dopingkontrollen innerhalb eines Jahres verpasst oder falsche Angaben zu Standortdaten gemacht. So wurde Triathlet Bob Haller im August für ein Jahr gesperrt, woraufhin er seine Karriere für beendet erklärte. Kurze Zeit später wurde auch Springreiterin Charlotte Bettendorf für 18 Monate suspendiert. Eine Berufung der Sportlerin war nicht erfolgreich.
Event des Jahres: Die Erwartungen waren im Vorfeld gedämpft: Korruption, hohe Ticketpreise, befürchtetes Verkehrschaos, Terrorangst. Kaum jemand hätte wohl damit gerechnet, das die Olympischen Spiele im Sommer in Paris ein derartiges Spektakel werden würden. Doch zu sehen gab es ausverkaufte Stadien und Hallen, Zuschauer, die bereits frühmorgens an die Straßenabsperrungen kamen, um Triathleten, Marathon-Läufer und Radsportler anzufeuern. Die Stimmung in Paris war außergewöhnlich und sorgte für viele Gänsehautmomente. Sportfans aus aller Welt feierten gemeinsam und friedlich den Sport, die Sportler und sich selbst. Die Organisatoren, die mit ihren Sportstätten im Herzen der Stadt Olympia wieder nahbarer machen wollten, hatten jedenfalls den richtigen Nerv getroffen. Und so erlebte Paris einen magischen Sportsommer, der bis zu den Paralympics Anfang September weiterging.
Wechsel des Jahres: Nach acht Jahren bei Mainz 05 und dem geschafften Klassenerhalt in der Bundesliga wechselte Fußball-Nationalspieler Leandro Barreiro im Sommer nach Portugal und schloss sich dort dem europäischen Spitzenklub Benfica Lissabon an. Da sein Vertrag bei Mainz ausgelaufen war, sprengte dieser Wechsel den Luxemburger Transferrekord nicht. Dieser wird noch immer von Christopher Martins gehalten, der für rund neun Millionen Euro von Spartak Moskau gekauft wurde. Berücksichtigt man nur die Staatsangehörigkeit, dann ist der teuerste Luxemburger aller Zeiten Miralem Pjanic, der 2020 für 60 Millionen Euro von Juventus Turin zum FC Barcelona wechselte.
Comeback des Jahres: Tom Habscheid hatte seine internationale Karriere eigentlich schon beendet, für die Paralympischen Spiele 2024 kehrte er aber noch einmal auf die große Bühne zurück. Nach dem vierten Platz 2021 in Tokio und einer Leistung, mit der er nicht zufrieden war, hatte Habscheid mit den Paralympics nämlich noch eine Rechnung offen – und diese konnte er im Sommer in Paris begleichen. Mit einer Weite von 14,97 Metern sicherte sich der Para-Kugelstoßer in der französischen Hauptstadt den dritten Platz und veredelte damit sein Comeback mit der Bronzemedaille. Im Dezember wurde er für seine Leistung als erster Para-Athlet zu Luxemburgs Sportler des Jahres gewählt.
Siegesserie des Jahres: Chris Rodesch hat im Mai 2024 das College abgeschlossen und danach seine Profikarriere begonnen. Zu dem Zeitpunkt stand er in der Tennis-Weltrangliste auf Rang 691. Was folgte, war ein rasanter Aufstieg. Zwischen dem 15. Juli und 12. Oktober feierte er auf der ITF-Tour 28 Siege in Folge, in dieser Zeit gewann er fünf seiner bisher sieben Profititel. Anschließend feierte Rodesch in den USA auch seine ersten Siege auf der ATP-Tour und stieß in der Weltrangliste auf den 302. Platz vor. So gut war seit Gilles Muller kein Luxemburger mehr.
Medaille des Jahres: Die Olympia-Qualifikation im Oktober 2023 kam für Céleste Mordenti einige Monate zu früh. Doch auch ohne das Highlight in Paris sammelte die Kunstturnerin 2024 wichtige Erfahrungen. Im März bestritt sie ihre ersten Weltcups, bei denen sie am Stufenbarren sogar erstmals die magische 13-Punkte-Grenze knackte. Bei der EM in Rimini holte sie mit 50,050 anschließend ihr bisher bestes Mehrkampfergebnis. Der Höhepunkt folgte schließlich im Oktober, als sich Mordenti beim Weltcup in Ungarn Bronze am Stufenbarren sicherte. Es war nicht nur die erste Weltcup-Medaille für die 21-Jährige, sondern auch für den luxemburgischen Turnverband FLGym.
Ritt des Jahres: Victor Bettendorf feierte im November im saudi-arabischen Riad den größten Erfolg in seiner bisherigen Karriere. Bei dem Saisonfinale der Longines Global Tour war die gesamte Weltelite des Springreitens vertreten. Mit seinem Pferd Foxy de la Roque war es Bettendorf, der sich dann gegen sämtliche Konkurrenz bei dem mit 1,25 Millionen US-Dollar dotierten Springen durchsetzen konnte.
Karriereende des Jahres: Tommy Wirtz beendete nach der Saison 2023/24 seine Handballkarriere. Der langjährige Kapitän der Nationalmannschaft spielte zuletzt für den HB Düdelingen und Saarlouis, davor lief er eine Saison lang in der 2. Bundesliga für die Rimpar Wölfe auf. Im Trikot der FLH-Auswahl erzielte er in 69 Spielen 199 Tore.
Affäre des Jahres: Drei Tischtennisspieler bei den Olympischen Spielen. Das hatte es zuvor noch nie gegeben. Ein Erfolg, der jedoch von dem Eklat zwischen Sarah de Nutte und dem Tischtennis-Verband überschattet wurde. Die Sportlerin hatte nach ihrem Aus in Paris Kritik an der FLTT geübt. Anstatt die Geschehnisse gemeinsam mit de Nutte aufzuarbeiten, erteilte man ihr einen öffentlichen Tadel – was in der ganzen luxemburgischen Sportwelt auf großes Unverständnis stieß. In der Affäre herrscht auch Monate später immer noch keine Ruhe, zuletzt belasteten neue Tageblatt-Informationen die FLTT um Präsident André Hartmann.
Erfolg des Jahres: Das beste Weihnachtsgeschenk machte sich Marie Schreiber wohl selbst. Am 21. Dezember setzte sich die 21-Jährige im niederländischen Hulst gegen die komplette Weltelite durch und feierte den ersten luxemburgischen Sieg überhaupt im Cyclocross-Weltcup. Mit einem überragenden Start-Ziel-Sieg brach die Landesmeisterin zudem die Siegesserie der Niederländerinnen, die seit Oktober 2021 alle Weltcups für sich entschieden hatten.
Ausreißer des Jahres: Es war eine ganze besondere Atmosphäre, die beim WM-Straßenrennen der Männer in Zürich herrschte. Obwohl zuvor der tragische Tod von Muriel Furrer die Veranstaltung überschattete, schafften es die Fans am Sonntag, für einzigartige Stimmung zu sorgen. Mit Kevin Geniets, Michel Ries, Bob Jungels und Luc Wirtgen erlebten auch vier Luxemburger das Rennen hautnah. Wirtgen war es, der lange ganz vorn in der Spitzengruppe fuhr. „Die Atmosphäre im Anstieg, da hatte ich Gänsehaut. Uns taten von der Lautstärke die Ohren weh“, sagte er nach dem Rennen. Selbst die entscheidende Attacke vom späteren Weltmeister erlebte Wirtgen hautnah. „Der fliegt den Berg hoch, das ist unglaublich.“ Wirtgen beendete das Rennen dann vorzeitig.
Die Espoirs des Jahres: Es waren starke Auftritte, die die FSCL-Espoirs in diesem Jahr zeigten. Durch mannschaftlich geschlossene Leistungen schafften es immer wieder verschiedene Akteure, sich bei den größten Rennen für Espoirs ganz vorne zu platzieren. So gewann Mathieu Kockelmann eine Etappe beim Orlen Grand Prix, Arno Wallenborn wurde beim selben Rennen Dritter und Mats Wenzel beendete die Tour de l’Avenir auf Platz neun. Nach der Tour de l’Avenir belegte das FSCL-Team Platz vier im Nations-Cup-Ranking, hinter Frankreich, Großbritannien sowie Dänemark – und damit vor großen Nationen wie Belgien, den Niederlanden oder Italien. Am Ende der Saison fielen die Espoirs im Gesamtranking auf Platz acht zurück.
Oldie des Jahres: Ni Xia Lian war bei den Olympischen Spielen nach ihrem Erstrundensieg gegen die Türkin Sibel Altinkaya eine der gefragtesten Interviewpartnerinnen in der ganzen Tischtennishalle. Auch internationale Medien wurden plötzlich auf sie aufmerksam. Denn die Luxemburgerin sorgte für einen ungewöhnlichen Rekord. Mit ihren 61 Jahren avancierte Ni zur ältesten Tischtennisspielerin, die je einen Einzelsieg bei den Spielen feiern konnte. In der zweiten Runde wartete dann mit der Nummer eins der Welt allerdings eine Herkulesaufgabe. Das Duell verlor Ni mit 0:4, doch ihr Auftritt in Paris war dennoch einer für die Geschichtsbücher.
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