Schwimmen / Pit Brandenburger: „Was mir in zwei Jahren nicht gelang, ist jetzt wieder super easy“
Pit Brandenburger schwimmt endlich wieder schnelle Zeiten. Nach einer zweijährigen Leidenszeit ist der 26-Jährige auf dem Weg zurück zu alter Stärke und hat sich kürzlich für die Europameisterschaft in Rom qualifiziert. Dort will er im August den nächsten Meilenstein in seiner Karriere erreichen.
Es ist 9 Uhr früh. Pit Brandenburger ist schon seit anderthalb Stunden im Wasser. Der 26-Jährige befindet sich mitten im Training in der Coque und ist an diesem Tag richtig schnell unterwegs. „Heute läuft es wirklich gut. Er schwimmt großartige Zeiten. Die Presse müsste öfter vorbeischauen“, scherzt sein Trainer Christophe Audot am Beckenrand. Brandenburger selbst stieg nach zweieinhalb Stunden anstrengendem Training dann auch sichtlich zufrieden aus dem Wasser. „Ich schwimme immer ein bisschen besser, wenn Leute zuschauen, weil ich dann beweisen will, was ich drauf habe“, stimmt er seinem Coach lachend zu: „Nein, im Ernst. Ich war heute selbst überrascht, weil ich mich eigentlich nicht besonders gut gefühlt hatte.“
Die schnellen Zeiten passen aber ins Bild. Der 26-Jährige ist in letzter Zeit richtig gut drauf und steckt mitten in den Vorbereitungen auf die Europameisterschaften in Rom (11.-21. August 2022). Die Qualifikation hatte er am 2. April über 200 m Kraul im norwegischen Bergen geschafft. Damals blieb die Uhr bei 1:50,72 stehen. Es war ein wahrer Befreiungsschlag für Brandenburger, der damit einer langen Leidenszeit ein Ende setzte.
Denn die vergangenen zwei Jahre waren alles andere als leicht. „Es hat schon vor Covid angefangen“, erinnert sich der Luxemburger, der in den vergangenen Jahren im französischen Antibes lebte und trainierte: „Von meinen letzten fünf Jahren dort war ich gefühlt während drei Jahren im Übertraining. Ich habe richtig gemurkst. Irgendwann ging dann gar nichts mehr.“
Den Spaß an der Leidenschaft verloren
Als die Pandemie im März 2020 Europa einholte, nutzte Brandenburger die Zeit, um sich zu erholen, und ist aus Antibes nach Luxemburg zurückgekehrt. Erst mehrere Wochen später, als es die ersten Lockerungen für Profisportler gab, nahm er das Training in der Coque wieder auf. Die Pause schien sich gelohnt zu haben, denn es lief scheinbar wieder gut. Aber nur etwa fünf Wochen lang. Dann folgte der nächste Rückschlag in Brandenburgers Karriere: Schon nach einem lockeren Training fühlte er sich plötzlich völlig verausgabt. „Es ging wieder gar nichts mehr. Ich wusste nicht, was los war, aber meine Arme schmerzten höllisch.“
Zusammen mit seinem Trainer Christophe Audot entschied er sich dann erneut für eine kurze Erholungspause und ging erst sieben Tage später wieder zum Training. „Wir haben es locker angehen lassen, die Arme nicht stark belastet und nur Beinarbeit gemacht. Meine Arme fühlten sich danach trotzdem an wie Beton“, erinnert er sich an die schwierige Zeit. Die Blockade versuchte er beim Physiotherapeuten und mit Akupunktur zu lösen. Dies zeigte allerdings nicht die erhoffte Wirkung. Zurück in Frankreich, tauchte das Problem wieder auf. „Ich habe nur einmal am Tag trainiert und bin dabei etwa vier Kilometer geschwommen. Das ist für mich eigentlich nichts Anstrengendes. Ich hatte aber das Gefühl, ich würde die ganze Zeit voll durchziehen. Es war deprimierend, weil ich mit meiner Gruppe trainieren wollte, aber nicht mithalten konnte.“
Das Schwimmen ist eigentlich die Leidenschaft des ehrgeizigen Sportlers. Doch es wurde immer mehr zu einer Qual. Brandenburger verlor den Spaß und dachte sogar darüber nach, ganz aufzuhören. Er war frustriert: „Ich habe mich gefragt, was es überhaupt noch bringt, zum Training zu gehen, wenn es einfach nicht läuft und besser wird.“
Lange Leidenszeit endet
Zusammen mit seinen Trainern entschied er sich dann gegen das Karriereende, nahm aber eine längere Auszeit. Brandenburger kehrte Anfang Juli 2021 erneut zurück in sein Heimatland, wo er sich mehreren Untersuchungen unterzog. Dabei kam aber nie etwas Konkretes heraus. Ein Arzt vermutete, dass beim Heben der Schulter ein Nerv und eine Ader gequetscht werden. „Er sagte mir, sollte sich dies bestätigen, dann wäre es vorbei mit meiner Karriere“, so Brandenburger. Die Schocknachricht wollte er nicht glauben und holte deswegen eine zweite Meinung ein. Die Diagnose bestätigte sich nicht, etwas Konkretes wurde auch danach nie festgestellt. Auch zwei Monate später noch nicht. Brandenburger war ungeduldig, wollte nicht länger warten und endlich zurück ins Wasser.
Genau das tat er dann. Er ging zurück nach Frankreich, wo er wieder langsam ins Training einstieg – und die Zeiten immer schneller wurden. – Und die Schmerzen? Die waren plötzlich weg. „Im Nachhinein denke ich, dass es sich um eine psychische Blockade handelte. Das ganze Package davor hat irgendwie nicht funktioniert“, sagt Brandenburger im Rückblick. Das Ende einer langjährigen Beziehung, Corona, Stress in großen Trainingsgruppen in Frankreich – alles war auf einmal zusammengekommen.
Die Blockade war zwar nun durchbrochen und im Training lief es wieder besser, „im Rennen aber noch nicht“, erinnert sich der Sportler. Er entschied sich daraufhin, Antibes ganz hinter sich zu lassen und in seine Heimat zurückzukehren. Dort liegt der Fokus seitdem auf dem Training mit Audot. Neben neun Einheiten im Wasser pro Woche und dem Krafttraining arbeitet Brandenburger hier auch mit einem Mentalcoach zusammen. Zudem machte er eine Hypnosetherapie. Beides trug zur Verbesserung der Situation bei, denn Brandenburger fühlt sich wieder wohl im Wasser.
Nur kurze Zeit später gelang es ihm dann, den Bann zu brechen und seine Leistung auch unter Wettbewerbsbedingungen wieder abzurufen. Eine Zeit von 1:52,13 beim CIJ Meet in der Coque sowie die 1:50,72 im norwegischen Bergen und die Qualifikation zur EM waren das Ergebnis. Brandenburger ist auf dem besten Weg zurück zur alten Stärke. „Was mir in zwei Jahren nicht gelang, ist jetzt wieder super easy“, sagt er.
Die 1:50er-Barriere durchbrechen
Bis auf die nationalen Meisterschaften im Juli sind bis zur EM in Rom keine weiteren Wettbewerbe mehr geplant. Brandenburger konzentriert sich ganz auf die Europameisterschaften, bei denen er wohl über 100, 200 und 400 Meter Kraul sowie in zwei Staffeln starten wird. Bis dahin wird er weiter hart arbeiten.
Vor allem in einem Bereich sieht sein Coach noch Verbesserungsbedarf: „Er beginnt das Rennen oft zu langsam“, erklärt Audot. Brandenburger stimmt zu: „Ich habe immer die Tendenz, den ersten 50er zu vermasseln, daran arbeiten wir zurzeit am meisten. Denn die Zeit, die ich am Anfang verliere, kann ich danach nicht mehr aufholen. Egal, wie schnell ich da bin.“ Wird der Kraul-Spezialist auf der ersten Beckenlänge schneller, ist auch die 1:50er-Marke auf der 200-Meter-Distanz zu knacken. Es wäre der nächste Meilenstein in der Karriere des 26-Jährigen.
Und genau diesen zu erreichen, lautet das Ziel für Rom. Dass es wohl nicht ganz reichen wird, um vorne mit den besten Schwimmern Europas mitzumischen, dessen ist sich der Sportsoldat bewusst. Eine Platzierung peilt er deswegen nicht an, sondern eine Zeit unter 1:50. „Diese Barriere müssen wir durchbrechen“, sagt auch Audot. Brandenburger kratzte schon einmal daran. Sein aktueller Bestwert liegt bei 1:50,10 (August 2019 in Guangzhou). „Damals war ich wütend, weil ich die 50er-Marke so knapp verpasst hatte“, erinnert sich der ehrgeizige Sportler.
Was vor drei Jahren nicht klappte, soll nun nachgeholt werden. Und der Schwimmer wagt einen positiven Blick in die Zukunft: „Ich bin bisher bei jedem großen Wettbewerb, an dem ich teilgenommen habe, eine Bestzeit geschwommen. Es gibt keinen Grund, warum das diesmal nicht klappen sollte. Bis zur EM werde ich optimal vorbereitet sein.“
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