Cyclocross / Ein Hauch von Beles in der Schweiz
Simon Zahner gehört zu den alten Hasen der Cyclocross-Szene. Mit 36 Jahren kommt er am Wochenende in den Genuss einer Weltmeisterschaft im eigenen Land. Was die Schweizer Titelkämpfe mit der WM in Beles verbindet, verrät Zahner im Gespräch mit dem Tageblatt.
Am Wochenende findet das Highlight der Cyclocross-Saison, die Weltmeisterschaft, im schweizerischen Dübendorf statt. Die Glanzzeit des Schweizer Cyclocross liegt bereits einige Jahrzehnte zurück und es wird mit ziemlicher Sicherheit kein Eidgenosse in die Fußstapfen bzw. Erfolgsspur des fünffachen Cross-Weltmeisters Albert Zweifel fahren. Trotzdem befindet sich der Sport wieder etwas im Aufwind. Für den Schweizer Cyclocross-Spezialisten Simon Zahner wird die Heim-Weltmeisterschaft ein absoluter Höhepunkt seiner Karriere. „Es ist ein absoluter Traum, der in Erfüllung geht.“ Sein Herz schlägt seit jeher fürs Querfeldein, obwohl die Schweiz eigentlich ein Mountainbike-Land ist. Zahner fehlte in jungen Jahren allerdings die Ausdauer für Mountainbike-Rennen. „Beim Cyclocross war ich zu dem Zeitpunkt, in dem mir beim Mountainbike die Luft ausging, bereits im Ziel“, erklärt der 36-Jährige mit dem ungewöhnlichen Karriereweg, wie er zum Radquer kam.
In Luxemburg ist Zahner vor allem durch seine Leistungen auf der Straße aufgefallen. 2009 hat er die Gesamtwertung der Flèche du Sud gewonnen – vor einem gewissen Ben Gastauer. Nicht zuletzt durch diesen Sieg bekam er im darauffolgenden Jahr einen Vertrag beim damaligen WorldTour-Team BMC. Zahner bestritt unter anderem den Giro d’Italia, doch nach zwei Saisons wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert. „Es war mir klar, dass die Chancen, bei einem anderen Team unterzukommen, nicht sonderlich hoch waren. Da es mir bei BMC untersagt war, im Winter Cross-Rennen zu fahren, wollte ich mich noch mal ein Jahr auf meine Leidenschaft konzentrieren.“
Der Kompanie-Clown
Damals hatte Zahner bereits zwei Kinder im Alter von einem und drei Jahren und seine Frau Sina war mit Zwillingen schwanger. Das viele Reisen eines Straßen-Radprofis wollte Zahner nicht mehr auf sich nehmen. Er wollte mehr Zeit für seine Familie haben. Also entschied er sich für den Cyclocross. Das war 2012. Acht Jahre später geht Zahner seiner Leidenschaft immer noch nach und darf nun bei seiner Heim-WM starten. Dass sein Karriereverlauf nicht gerade ein Business-Modell für andere ist, weiß der Schweizer Routinier. Zahner kann auf die Unterstützung treuer Sponsoren zählen. Außerdem berät er Hobby-Radfahrer in Materialfragen und teilt seine Faszination so mit anderen. Er will sein Geschäft in Zukunft ausbauen. „Momentan finden die Beratungen in meiner Garage statt. Bald werde ich aber ein Lokal zur Verfügung haben“, sagt Zahner.
Dass seine Karriere so lange dauern würde, hätte der Zürcher Oberländer nicht gedacht. Den Aufschwung, den die Weltmeisterschaft mit sich bringt, genießt er. Jahrelang war er, neben Marcel Wildhaber, einer der wenigen Schweizer, die sich ausschließlich auf Cyclocross spezialisiert haben. „Meine Karriere begann, als die Disziplin in der Schweiz am Sterben war. Man beklagte sich über immer weniger Rennen im Kalender und jeder sprach nur von der guten alten Zeit.“ Das tat Zahners Leidenschaft keinen Abbruch, auch wenn er sich mehr oder weniger als Einzelkämpfer behaupten musste. Oder, wie er es formuliert, als „Kompanie-Clown“ des Cross.
Da haben wir gesehen, dass die Organisatoren sehr wohl Ahnung hatten. Die wussten ganz genau, was sie tun würden.nach der Streckenbesichtigung in Beles
Der 36-Jährige freut sich aber, dass er heute in gewisser Weise auch für den Aufschwung des Schweizer Radquers steht. „Der Verband leistet eine gute Arbeit. Der Cyclocross ist zwar nur eine Randdisziplin, dennoch kümmert man sich bei Swiss Cycling richtig gut um uns.“ Außerdem hat die Rennserie EKZ Crosstour, das Schweizer Pendant zum Skoda Cross Cup, das Interesse am Radquer gesteigert. Die Weltmeisterschaft in Dübendorf soll dem Sport weiteren Auftrieb verleihen. So, wie man es sich 2017 in Luxemburg erhofft hat, wo der Cross eine ähnliche Entwicklung nahm und die besten Tage hinter sich hatte. Zahner hat gute Erinnerungen an Beles. Die WM in Luxemburg stehe ganz weit oben auf seiner „Hitliste“.
2017 belegte er Rang 9, eine von drei Top-Ten-Platzierungen bei Weltmeisterschaften in seiner Karriere. „Ich kam echt gut mit der Strecke zurecht. Während des Trainings war der Parcours noch gefroren und so gut wie jeder ist gestürzt. Ich kam aber ohne Sturz durch. Als das Rennen startete, war die Strecke dann schon zu einem großen Teil aufgetaut“, erinnert sich Zahner, der auch schon in Petingen und Anfang der 2000er in Kayl bei Radquers in Luxemburg startete.
Vor der Weltmeisterschaft in Luxemburg herrschte in der internationalen Cross-Szene große Skepsis. Die Organisatoren hatten nicht, wie sonst üblich, im Jahr vor der WM einen Weltcup ausgerichtet. Und nun sollte diese unerfahrene Truppe eine WM organisieren? Eine Frage, die sich Zahner auch stellte. Bis zum 19. Dezember 2016. Am Tag nach dem Weltcup in Namur hatten die Organisatoren von „Bieles 2017“ die Crosser nach Belval eingeladen, um ihnen die Strecke zu erklären. Marcel Wildhaber und Simon Zahner waren fast die einzigen Fahrer, die damals vor Ort waren. Für die anderen Nationen kamen die Trainer oder die technischen Direktoren. „Da haben wir gesehen, dass die Organisatoren sehr wohl Ahnung hatten. Die wussten ganz genau, was sie tun würden. Wir waren beeindruckt nach der Besichtigung“, sagt Zahner heute.
Den Moment genießen
Es bestehen einige Parallelen zwischen der WM 2017 und der von 2020. Daran ist Zahner nicht ganz unschuldig. Ähnlich wie in Beles fand auch in Dübendorf kein Weltcup als Generalprobe für die WM statt. Wildhaber und Zahner wurden für die Streckenplanung hinzugezogen und da erinnerten sie sich wieder an Beles. „Für jede Passage hatten wir Beispiele von der WM in Luxemburg im Kopf, sodass das Konzept der Strecke in Dübendorf im Grunde dem von Beles ähnelt.“
Zahner steht aber nicht nur den WM-Organisatoren mit Rat und Tat zur Seite. Er liebt es, seine Erfahrungen an jüngere Athleten weiterzugeben. Zum Beispiel an Kevin Kuhn, das wohl größte Cyclocross-Talent der Schweiz. Kuhn fährt in diesem Jahr bei den U23 vorne mit und hat nicht weniger als drei Weltcups gewonnen. „Es tut gut, zu sehen, dass der Nachwuchs auch Spaß am Cross hat. Ich hoffe, dass ich vielleicht auch ein wenig dazu beigetragen habe.“ Wie es für Zahner nach seiner Heim-Weltmeisterschaft weitergeht, weiß er noch nicht. „Darüber wollte ich mir jetzt noch keine Gedanken machen. Ich will den Moment einfach genießen.“
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