/ Favoriten souverän: Majerus und Jungels siegen im Zeitfahren
Bei den Meisterschaften im Zeitfahren blieben die großen Überraschungen gestern auf dem Col de l’Europe in Differdingen aus. Christine Majerus und Bob Jungels sicherten sich souverän die Titelverteidigung.
Ein weiteres Mal durfte Bob Jungels gestern in Differdingen das rot-weiß-blaue Meistertrikot überstreifen. Der Profi von Deceuninck-Quick Step, der sein erstes Rennen seit einem doch enttäuschenden Giro d’Italia bestritt, dominierte das Zeitfahren auf der 17,19 Kilometer langen Strecke nach Belieben und nahm der Konkurrenz gestern über eine Minute ab: „Nach dem Giro habe ich zehn Tage lang kein Fahrrad angefasst, nach solch einer Verschnaufpause ist es nie einfach, wieder seinen Rhythmus zu finden. Ich war selbst etwas überrascht, wie schnell ich direkt wieder unterwegs war“, meinte der alte und neue Zeitfahrmeister.
Etwas enttäuscht war da schon Tom Wirtgen, der mit einem Rückstand von 1:07 Minuten auf Rang zwei landete. „Natürlich bin ich an den Start gegangen, um zu gewinnen. Ich wusste aber, dass es eine harte Nuss werden würde, Bob zu schlagen und es ist keine Schande ist, hinter ihm auf Rang zwei zu landen.“ Somit sind alle Blicke auf das Straßenrennen am Sonntag gerichtet. Während Wirtgen, Ivan Centrone – der gestern den dritten Platz auf dem Podium belegte – oder Ben Gastauer, der das Treppchen in Differdingen um fünf Sekunden verpasste, am liebsten direkt Revanche nehmen würden, ist sich Jungels bewusst, dass er der Gejagte sein wird: „Ich gehe in dieses Rennen, um meinen Titel zu verteidigen. Ob es bei dem heißen Wetter aber möglich sein wird, so lange alleine vorne zu fahren wie in den letzten beiden Jahren, weiß ich nicht. Man muss ja auch seine Kräfte ein wenig einteilen.“
Wenig überraschend war auch der Erfolg von Kevin Geniets im Zeitfahren der U23. Liebend gerne wäre er bei der Elite gestartet, doch beim Verband wollte man das nicht, wie der 22-Jährige erklärte. Und so dominierte der Fahrer von Groupama-FDJ, der noch in der vergangenen Woche bei der Tour de Suisse auf sich aufmerksam gemacht hatte, das Rennen ebenfalls nach Strich und Faden: „Ich wusste zu Beginn nicht wirklich, wie gut meine Beine sind, doch schnell habe ich meinen Rhythmus gefunden und habe eigentlich ein perfektes Zeitfahren absolviert. Ich war von Anfang bis zum Schluss richtig im Rennen drin.“
Interessanter wird es da am Sonntag, wenn das Straßenrennen ansteht. Denn auch wenn der Titel der U23 bereits vor zwei Wochen bei der Drei-Länder-Meisterschaft vergeben wurde, haben die Espoirs – anders als im letzten Jahr – diesmal auch die Chance, sich den Titel bei der Elite zu schnappen. „Die Favoritenrolle liegt bei Bob und Ben und vielleicht auch bei den Leopard-Fahrern, die als Team ins Rennen gehen werden. Ich mache mir da keinen Druck und werde sehen, was auf der Strecke möglich sein wird“, gibt sich Geniets zurückhaltend. Auch bei Leopard sieht dies nicht anders aus: „Die Favoritenrolle liegt bei Bob. Es kann sehr schnell so wie im letzten Jahr gehen, als er während 80 Kilometern vorne weggefahren ist“, meinte Pit Leyder, der gestern im Zeitfahren als Dritter der Espoirs ebenfalls auf dem Podium stand.
Dennoch begrüßen beide die Entscheidung, dass die Espoirs dieses Mal die Chance erhalten, sich das Trikot der „Großen“ zu schnappen und so wird man sehen, ob und welche Allianzen sich eventuell morgen schließen werden.
Majerus zum 13.
Bei den Damen sicherte sich Christine Majerus unterdessen ihr 13. Meistertrikot. Den 11,46 Kilometer langen Parcours beendete sie in 16:25 Minuten. Erst am Mittwoch hatte die Nationalmannschaft um die Profi-Radsportlerin von Boels-Dolmans sowie die beiden Nachwuchsfahrerinnen Anne-Sophie Harsch und Claire Faber die Rückreise von den Europaspielen in Minsk angetreten. Die Vorbereitung auf das Zeitfahren fiel somit relativ kurzfristig an, wie Majerus bestätigte: „Erst heute (gestern) Morgen habe ich mir die Strecke angeschaut und war froh, nach einer doch eher demoralisierenden Woche in Weißrussland einen so schönen Parcours bestreiten zu dürfen.“
Eine Strecke, die jedoch so ihre Tücken bot, denn vor allem auf den ersten beiden Kilometern ging es über einen eher holprigen Belag: „Etwas überrascht war ich schon, vor allem mit dem Zeitfahrrad war diese Passage doch gefährlich, da musste man schon aufpassen, dass nichts passiert“, erklärte die 32-Jährige. In Minsk war für die FSCL-Fahrerinnen nicht alles ideal verlaufen. Zuerst kamen mehrere Koffer nicht mit an, dann hatte Majerus einen technischen Defekt im Straßenrennen und verpasste im entscheidenden Sprint das richtige Hinterrad, so dass sie diesen nicht wirklich lancieren konnte: „Die Europaspiele sind alles andere als ideal verlaufen, ich hatte mir diese im Kalender auch nicht groß angekreuzt. Doch wenn es um die Nationalmannschaft geht, sage ich natürlich auch nicht Nein, vor allem weil wir jetzt so eine tolle Gruppe zusammen haben, die gut funktioniert.“
Auch die Perspektive auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr und die hierfür nötigen Punkte gaben im Endeffekt den Ausschlag, warum die 32-Jährige den Termin in Minsk nach einer anstrengenden Rundfahrt in England, bei der sie im Gesamtklassement Rang vier belegte, dann doch noch in ihren Kalender quetschte, auch wenn diese voraussichtlich keine Rolle mehr spielen werden, wie Majerus ebenfalls hervorhob.
Das Rennen der Espoires ging an Anne-Sophie Harsch, die ihren Titel mit einem Vorsprung von elf Sekunden auf Claire Faber verteidigte: „Ich bin unter der Woche leider krank geworden, weswegen das Rennen nicht so einfach war. Dafür bin ich mit meiner Leistung schon ziemlich zufrieden, meinen Rhythmus habe ich schnell gefunden“, meinte die 19-Jährige.
Minsk bezeichnete Harsch als eine wertvolle Erfahrung für die Zukunft, denn auch sie war unter den Leidtragenden, deren Koffer es erst spät zu ihrem Ziel schafften: „Man lernt in einer solchen Situation plötzlich auch, mit wenig zurechtzukommen. Zum Glück ist das gesamte Material aber mit nach Luxemburg gekommen, so dass einem Start beim Zeitfahren nichts im Weg stand, auch wenn es stressig war“, meinte sie lachend. Pech hatte dagegen Faber, die gestern zwischenzeitlich von einem Motorrad behindert wurde und so wertvolle Sekunden verlor. Für die Damen geht es bereits heute Nachmittag mit dem Straßenrennen in Zolver weiter.
Bei der Elite ohne Vertrag setzte sich Tim Diederich durch, bei den Junioren ging der Titel an Loïc Bettendorf, den knappsten Abstand gab es bei den Débutants, bei denen Mathieu Kockelmann im Ziel 2 Sekunden Vorsprung auf Alexandre Kess hatte.
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