Radsport / „Jeder bekommt etwas mit“: Oliver Corpus hat vor 13 Jahren Doping im Amateurradsport angeprangert
Oliver Corpus ist einer der wenigen Radsportler, die offen über die Dopingproblematik reden. Er ging 2007 an die Öffentlichkeit und prangerte in einem Zeitungsinterview die Missstände im Amateurbereich an. Auch heute noch sagt der 49-Jährige, dass Doping nicht im verborgenen Kämmerlein stattfindet. Was sein Interview von damals bewirkt hat und wie er die aktuelle Situation im Radsport einschätzt, hat Corpus dem Tageblatt erzählt.
Es war im Sommer 2007, als Oliver Corpus endgültig der Kragen platzte. Wenn er heute daran zurückdenkt, muss er lachen. Es war eine nicht immer ganz einfache Zeit, die für ihn folgte. Er selbst spricht von einem persönlichen Erdbeben.
Im Juli 2007 wurde der deutsche Radprofi Patrick Sinkewitz bei der Tour de France des Dopings überführt, woraufhin ARD und ZDF aus der Live-Berichterstattung ausstiegen. Dabei sollte ein Jahr nach der Aufdeckung des Fuentes-Skandals einmal mehr alles anders sein. Es hatte sich aber nicht wirklich etwas geändert. Das allein war jedoch nicht der Grund, wieso Corpus der Kragen platzte. Vielmehr waren es die Beteuerungen von Verbandsfunktionären, dass es ja nur im Profiradsport ein paar Dopingsünder gebe. Mit dieser verzerrten Realität wollte der damals 36-jährige Saarländer aufräumen. Am 25. Juli erschien ein Artikel in der Saarbrücker Zeitung mit dem Titel: „Auch im Saarland wird gedopt“. „Die Entscheidung, an die Öffentlichkeit zu gehen, habe ich damals innerhalb von 48 Stunden getroffen“, so der Merziger, der in Luxemburg kein Unbekannter ist. Corpus war beim LC Tetingen lizenziert und ist immer noch Mitglied im Verein. Er hat die Flèche du Sud bestritten sowie zahlreiche Querfeldein-Rennen, auch noch als Master.
Dass die Reaktionen teils so heftig ausfallen würden, damit hatte ich nicht gerechnetRadsportler
Mit seinem Interview 2007 in der Saarbrücker Zeitung ging es Corpus nicht darum, auf einzelne Dopingsünder hinzuweisen, vielmehr wollte er aufzeigen, dass der gesamte Radsport, auch im Amateurbereich, krank sei.
Damals hatte Corpus das beste sportliche Alter bereits hinter sich. Er war ein guter Fahrer, war Teil der deutschen Nationalmannschaft und hatte den Traum einer Profikarriere vor Augen. „Aufgrund meines Alters war es für mich natürlich leichter, die Missstände anzuprangern, als für einen jungen Fahrer, der seine Karriere noch vor sich hat“, blickt Corpus heute zurück.
Dabei war die Zeit nach der Publikation des Artikels alles andere als einfach für den Saarländer. „Ich wusste, dass ich mir keine Freunde damit machen würde, aber dass die Reaktionen teils so heftig ausfallen würden, damit hatte ich nicht gerechnet.“ So wollte Corpus sonntags nach dem Interview ein regionales Rennen bestreiten. „Schon vor dem Start gab es Anfeindungen und es riskierte zu Handgreiflichkeiten zu kommen. Nach dem Start wurde es nicht besser, sodass ich nach zwei Runden ausstieg und nach Hause fuhr.“ Corpus kann von vielen ähnlichen Vorfällen erzählen. Mit einigen Fahrern hat er seitdem kein Wort mehr gewechselt.
Sperren für einige Unbelehrbare
Die Reaktionen haben aber auch gezeigt, wie tief diese Dopingmentalität selbst im Amateursport verankert war. Corpus hat in seiner Zeit verrückte Dinge erlebt. Fahrer, die sich in der Umkleidekabine vor allen anderen eine Spritze setzten. Andere reisten mit einem ganzen Medikamentenkoffer zu einem kleinen Etappenrennen an. „Da fahren wir um die goldene Ananas und trotzdem bringen einige eine ganze Apotheke mit.“ Selbst hat Corpus auch schon mal auf Koffeintabletten oder Asthmaspray zurückgegriffen, weiter ging er aber nie. Dass der Sport heute noch so verseucht ist wie zu seiner Zeit, glaubt Corpus nicht. „Heute wird viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet, was es zu meiner Zeit überhaupt nicht gab. Das Dopingproblem bekommt man nie ganz aus dem Sport raus, aber die heutige Generation hat eine ganz andere Einstellung zu der Thematik.“
Dass es sich zum Teil um eine Frage der Generationen handelt, hat Corpus mit 40 bei seinem Wechsel zu den Masters erlebt. „Dort wurde ein Höllentempo angeschlagen, wie ich es noch nicht einmal bei der Elite erlebt habe“, sagt der heute 49-Jährige sichtlich amüsiert. Für ihn ist deshalb klar, dass man die Fahrer aus der Hochdoping-Ära, die immer noch diese Mentalität verinnerlichen, von der jüngeren Generation fernhalten muss. „Die haben weder als Trainer, Sportliche Leiter noch in sonst irgendeiner Form etwas im Radsport zu suchen.“
Nicht so geheim, wie man annehmen könnte
Trotz des persönlichen Erdbebens und der Anfeindungen bereut Corpus sein Interview von damals nicht. „Im Nachhinein war ich vielleicht etwas blauäugig und würde heute anders an die Sache herangehen. Aber ich bereue es nicht, denn es hat positive Entwicklungen nach sich gezogen.“ So wurden zum Beispiel regelmäßige Dopingkontrollen bei den saarländischen Amateurrennen organisiert, die auch zum Erfolg führten und einige Unbelehrbare mit langen Sperren belegten. Einer solchen Kontrolle versuchte sich bekanntermaßen der Luxemburger Pascal Triebel bei einem Mountainbike-Rennen in Orscholz zu entziehen. Die Folge war eine vierjährige Sperre. Nicht zuletzt durch das Interview von Corpus wurde das Bewusstsein für die Problematik im Amateurbereich größer.
Doping ist laut Corpus nichts, was im Geheimen passiert. „Einige gehen sogar sehr offen damit um. Von daher bekommt jeder etwas mit.“ Es sind aber auch heute nur die wenigsten, die offen darüber reden.
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Bravo. Toll das es Sportler wie Herrn Corpus gibt,
die vor der Dopingproblematik im Radsport nicht die Augen
verschließen. Mehr Kontrollen, harte Strafen und ein
konsequentes Gegensteuern von Verbänden und Funktionären.
Im Profisport kann ein langjähriger Doper wie Kim Andersen
weiterhin beim Team Trek in leitender Funktion agieren. Dies ist
einfach nur enttäuschend. Kronzeugen, die auspacken (s.h.Jörg
Jänschke oder Tyler Hamilton) werden nicht unterstützt und
kaltgestellt. Es bleibt noch viel zu tun….