LBBL Herren / Rückblick auf die Saison: Kurios, Favoritensterben und Bobby Melcher
Es war eine kuriose Meisterschaftssaison 2021/22, die am Samstagabend mit dem Titelgewinn der Amicale Steinsel endete. Am Ende setzte sich der Siebte der regulären Saison gegen den Achten durch, ein Novum im luxemburgischen Basketball, genauso wie die Tatsache, dass fünf Spiele in der Finalserie herhalten mussten, um den Meister zu küren. Das Tageblatt blickt nachfolgend auf die gerade abgelaufene Saison zurück, auf die Spieler, die Eindruck hinterlassen haben, und die größten Enttäuschungen.
Profispieler der Saison
Jarvis Williams: Mit ihm kam der Umschwung in Steinsel. Als Jarvis Williams am 22. Oktober gegen den Racing ein erstes Mal für die Amicale auf dem Parkett stand, lag das Team quasi am Boden. In den ersten fünf Saisonspielen gab es fünf Niederlagen, viermal hatten die Steinseler dabei noch nicht einmal 70 Punkte erzielt, gegen Heffingen sogar gerade einmal 46. An den Meistertitel dachte zu diesem Zeitpunkt niemand. Doch bei seinem ersten Einsatz gelang der Amicale auch gleich der erste Sieg. Williams, mit 32 Jahren der Routinier im Steinseler Team, brachte die Erfahrung mit, die man im Verein so dringend gesucht hatte. Als Spieler, der zuvor bereits zweimal im Großherzogtum unter Vertrag stand, wusste der US-Amerikaner sofort, was von ihm im der luxemburgischen Liga verlangt wurde. In der Offensive harmonierte Williams schnell hervorragend mit Bobby Melcher, entlastete den Steinseler Guard sowie den weiteren Rückkehrer Tom Konen so, dass beide plötzlich mehr Impulse setzen konnten. Allein sein Schnitt von 28,8 Punkten in der Finalserie gegen den T71 – 40 im dritten Spiel – unterstreicht seinen Stellenwert beim diesjährigen Meister.
Luxemburger Spieler der Saison
Bobby Melcher: Im luxemburgischen Basketball gibt es derzeit kein Vorbeikommen an Bobby Melcher, der sich nicht nur mit dem Meistertitel eindrucksvoll in der LBBL zurückmeldete. Mehr denn je drehte der 27-Jährige in den Play-offs richtig auf. So gelang es keinem anderen Spieler in dieser Saison, den starken und zuvor so dominierenden Résidence-Guard Alex Stein in die Schranken zu verweisen. Melchers Defensivleistung im Viertelfinale war es zu verdanken, dass Steinsel im Viertelfinale im Alzette-Derby die Oberhand behielt. In der Finalserie gegen Düdelingen überzeugte der Spielmacher auf allen Seiten des Parketts. In Spiel Nummer drei sorgte er dafür, dass Jimmie Taylor in den letzten Minuten keinen Korberfolg mehr verbuchen konnte. Im Entscheidungsspiel traf er die schwierigsten Würfe und schaffte es zudem auch, seine Mitspieler wie etwa Jarvis Williams perfekt in Szene zu setzen. Kein anderer luxemburgischer Spieler verfügt über ein derartiges Spielverständnis wie Bobby Melcher, der X-Faktor und Hauptgarant für den Steinseler Meistertitel.
Joé Kalmes: Auch wenn sich der Düdelinger in der Finalserie häufig mit Foulproblemen herumschlagen musste – etwas, das am Ende ihn und auch sein Team vor Probleme stellte –, zeigte der 26-Jährige in dieser Saison immer wieder, welches Potenzial in ihm steckt. Und ohne die Leistungen von Joé Kalmes in den wichtigen Spielen der regulären Saison gegen Hesperingen und Steinsel und im entscheidenden Halbfinale gegen Esch, wo er ein bemerkenswertes Double-double von 37 Punkte und 15 Rebounds schaffte, hätte der T71 den Einzug ins Finale gar nicht erst geschafft. Joé Kalmes hat gezeigt, dass er unter den Brettern auch gegen die gegnerischen Profis mithalten kann und dabei auch auf seine starke Wurfhand Verlass ist. Im Verlängerungskrimi in Esch zeigte er zudem seine Nervenstärke an der Freiwurflinie.
Yann Wolff: Am Ende schafften die mitfavorisierten Ettelbrücker nicht einen Finaleinzug. Doch mit Yann Wolff zeigte besonders ein Etzella-Spieler in der regulären Saison, dass er ohne Zweifel zu den Besten des Landes zählt. Immer wieder schaffte es der 27-jährige Center-Spieler, sich unter den Brettern gegen die US-Profis zu behaupten. Kein Wunder, dass Wolff mit einem Schnitt von 11,7 Rebounds pro Partie in dieser Kategorie unter sämtlichen Spielern – auch die Profis mitgezählt – den fünften Rang belegt. Und auch in der Offensive überzeugte der Ettelbrücker mit einem Schnitt von 11,3. Am Ende ging dem Nationalspieler etwas die Puste aus, doch an ihm lag es sicherlich nicht, dass die Etzella 2022 ohne Titel blieb.
Trainer der Saison
Etienne Louvrier: Er betrachtet die Sachen stets sehr sachlich und nimmt bei seinen Analysen auch kein Blatt vor den Mund. Etienne Louvrier hat vor seiner Zeit in Steinsel in Luxemburg bereits einmal auf sich aufmerksam gemacht, als er mit dem damaligen Aufsteiger, dem Racing Luxemburg, in der Saison 2017/18 souverän den Klassenerhalt schaffte. In Steinsel sollte er nun den Neuaufbau einleiten und das Team langsam wieder in stabile Play-off-Ränge führen. Ein Plan, der mit dem Meistertitel inzwischen komplett überholt ist. Louvrier schaffte es nach dem schwierigen Saisonbeginn, dass das Team zusammenhielt und in Steinsel keine zu große Unruhe aufkam. Auch zu dem Zeitpunkt, als vor allem die Jugendspieler, die vor einem Jahr noch viel Einsatzzeit bekamen, auf einmal kaum noch Spielpraxis sammeln durften. Ihre Integration dürfte nun seine nächste große Herausforderung sein.
Newcomer der Saison
Max Logelin: Bereits im Sommer 2021 überzeugte der gerade einmal 18-jährige Max Logelin schon bei der U20-EM, bei der er zu den besten Spielern des Turniers gewählt wurde. Und auch in der LBBL konnte das Sparta-Talent einen weiteren bedeutenden Schritt nehmen und hat sich in der Spielzeit 2021/22 bereits seinen Platz in der Startfünf erkämpft. Logelin ist zweifelsohne eines der größten Talente im nationalen Basketball, was auch sein Schnitt von 10,4 Punkten, 2,6 Assists und 4,1 Rebounds pro Partie zeigt.
Lou Demuth: Mit seinen 22 Jahren war es zwar seine erste Saison in der LBBL, doch Lou Demuth überraschte nicht wenige. Schnell entwickelte sich der 2,13 große Center-Spieler zum Leistungsträger der US Heffingen, die auch dank Demuth eine starke Saison ablieferte. Der 22-Jährige zeigte sich beweglich unter dem Korb, wo er sozusagen der Fels in der Brandung war. Zudem packte er auch in der Offensive seine starke Wurfhand aus und ist auf jeden Fall einer der Spieler, der in der Saison 2021/22 Eindruck hinterließ.
Pechvogel der Saison
Jordan Hicks: Einmal mehr hatte der Basket Esch, der mit dem Pokal seinen ersten „richtigen“ Titel der Vereinsgeschichte gewinnen konnte, mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Und dass die Gesundheit am Ende nun einmal das Wichtigste ist, zeigt der Fall von Jordan Hicks, der nach seiner Corona-Infektion an einer Herzmuskelentzündung litt. Der US-Amerikaner fehlte seinem Team seit Beginn des Kalenderjahres. Ein schmerzlicher Verlust für die Escher, denn die größte Stärke des Teams ist ohne Zweifel, dass sich die Spieler seit Jahren kennen. Am Ende fehlte auch Hicks im Halbfinale gegen den T71 Düdelingen, wo nach dem doppelten Verlängerungsdrama Schluss war.
Comeback der Saison
T71 Düdelingen: Fast schon abgeschrieben, dann doch noch bis ins Finale eingezogen. Auch wenn der Amicale Steinsel und den Musel Pikes ebenfalls ein erstaunliches Comeback gelang, war das der Düdelinger wohl das spektakulärste. Erst mit dem Sieg am letzten Spieltag der regulären Saison in Hesperingen und der gleichzeitigen Niederlage der Pikes gegen Contern machte Kalmes und Co. die Play-offs überhaupt klar. Wie gemacht für jemanden wie Tom Schumacher, der im Verlauf der Spielzeit als Trainer in die Bresche sprang. Auch im Halbfinale gegen Esch und im Finale gegen Steinsel feierte Düdelingen eine bemerkenswerte Rückkehr in die Serie. Am Ende blieb das große Happy End aber aus.
Enttäuschung der Saison
AB Contern: Vom Viertelfinalisten der letzten Saison, der mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung und jungen Talenten wie Dan Mantz und Charel Moes überzeugen konnte, zum großen Sorgenkind. Am Ende schaffte das Team um den scheidenden Coach Gavin Love zwar den Klassenerhalt nach zwei Relegationsspielen gegen Mondorf, doch zufrieden kann man in Contern mit der Saison sicherlich nicht sein. Letztendlich wurde man das Gefühl nicht los, dass die Mannschaft nicht mehr harmonierte und so wird auch Kapitän Mihailo Andjelkovic den Klub in der Zwischensaison verlassen.
Zahl der Saison
5: Es scheint am Ende die Glückszahl der Amical Steinsel gewesen zu sein: Die ersten fünf Saisonspiele verloren, um sich am Ende den Titel im fünften und alles entscheidenden Finalspiel den Titel gegen den T71 zu sichern.
Fazit der Saison
Favoritenstürze und mehr: Die Saison 2021/22 war unberechenbar, denn ein Finale zwischen Steinsel und Düdelingen hatte sicherlich niemand vorausgesagt. Auch wenn im Tageblatt-Almanach immerhin Racing-Kapitän Gaëtan Bernimont die Amicale im Finale sah. Es war vielmehr die Saison der Favoriten, die zum entscheidenden Zeitpunkt nicht präsent waren. Es war eine Spielzeit, die vom Niveau her vielleicht nicht die beste war, doch auf jeden Fall Spannung bis zum Schluss bot. Gespannt darf man auf die kommende Saison blicken, die mit der Rückkehr der Nationalspieler Thomas Grün und Oliver Vujakovic viel versprechen dürfte.
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