Basketball / Schiedsrichter Manuel Fonsecas Kampf gegen das Guillain-Barré-Syndrom und zurück aufs Spielfeld
Von einem Moment auf den anderen hat sich das Leben von Basketball-Schiedsrichter Manuel Fonseca radikal verändert. Der 56-Jährige leidet am Guillain-Barré-Syndrom, durch das er zwischenzeitlich komplett gelähmt war, geht mit seiner Erkrankung jedoch offen um.
Manuel Fonseca sitzt mit einem Lächeln vor dem Computer in seinem Büro, das Regal im Hintergrund schmücken etliche Basketball-Pokale und -Medaillen: „Dann bin ich nach Monaten im Krankenhaus und der Reha endlich wieder zu Hause und bin wegen der Corona-Pandemie trotzdem wieder eingesperrt“, erklärt er mit einem Lachen. „Doch ich nehme es, wie es kommt und versuche, das Beste aus der Situation zu machen.“ Dass der 56-Jährige eine wahre Kämpfernatur ist und sich nicht so leicht von Rückschlägen unterkriegen lässt, wurde in den vergangenen Monaten mehr als deutlich.
Es gibt wohl kaum jemanden in der luxemburgischen Basketballwelt, der Manuel Fonseca nicht kennt. In den letzten Jahren stand der bei der AS Zolver lizenzierte Basketball-Schiedsrichter, der im Jahr 1981 als Unparteiischer begann, mehrmals in der Woche auf dem Parkett, um Spiele zu leiten. Auch wenn es nicht mehr die höchste Spielklasse ist, so ist Fonseca in den unteren Divisionen, bei Jugendbegegnungen oder auch im Betriebsbasketball immer wieder im Einsatz. Vor der Saison 2019/20 hatte er bereits 5.328 offizielle Partien geleitet, ein echter Dauerbrenner unter den luxemburgischen Schiedsrichtern. Ein Leben ohne Basketball, das schien für den engagierten 56-Jährigen kaum vorstellbar.
Doch in der Nacht vom 1. auf den 2. November 2019 änderte sich das Leben von Manuel Fonseca radikal: „Ich hatte in den Wochen zuvor eine Erkältung verschleppt, erwischte dann eine weitere. Als ich in dieser Nacht aufstand, um ins Badezimmer zu gehen, bin ich zusammengebrochen und konnte mich plötzlich nicht mehr bewegen. Meine Freundin war nicht da. Als sie zurückkam, hat sie mich so gefunden.“ Die Diagnose war für den 56-Jährigen ein Schock: Guillain-Barré-Syndrom (siehe Infobox). Eine Erkrankung, von der die Wenigsten wohl schon etwas gehört haben, so ging es zu diesem Zeitpunkt auch Fonseca selbst: „Einfach ausgedrückt ist es ein Syndrom, das die eigenen Muskeln angreift. Dabei versuchen die Hämoglobine, die Krankheit zu bekämpfen, attackieren dabei aber deinen eigenen Körper und lassen deine Nerven sozusagen einschlafen.“
Für den 56-Jährigen begann vor fünf Monaten somit ein langer Leidensweg. Nicht nur, dass er Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, der 56-Jährige litt unter einem schweren Verlauf der Krankheit: „Auch die Brustmuskulatur wurde angegriffen, so dass ich ebenfalls Probleme beim Atmen hatte. Schlucken und Sprechen war ebenfalls nur schwer möglch, meine Oberlippe ist immer noch leicht taub.“ Acht Wochen lang war Manuel Fonseca gefangen im eigenen Körper, lag insgesamt drei Wochen auf der Intensivstation: „Wenn man das selbst nicht erlebt hat, kann man sich nicht ansatzweise vorstellen, wie sich das anfühlt.“ Dabei erlitt er auch immer wieder Rückschläge: „Die Behandlung bestand in Form einer Hämoglobin-Kur, die jeweils fünf Tage andauerte. Nach der ersten habe ich aber eine Lungenentzündung erwischt, da ging es dann zurück auf die Intensivstation. Zurück auf dem Zimmer, wieder Hämoglobine, dann traten plötzlich Nierenprobleme auf, erneut wurde die Therapie gestoppt. Das war schon eine sehr harte Zeit.“
Nach und nach machte Manuel Fonseca durch die Hilfe eines Physiotherapeuten Fortschritte, gewann etwas Kraft in den Armen zurück: „Erst dann ist man bereit, um vom CHL ins Rehazenter verlegt zu werden.“ Doch auch hier gab es noch einmal einen heftigen Rückschlag zu verkraften, gerade an Heiligabend, einem Tag, den er wohl nie wieder vergessen wird: „Morgens litt ich unter einer sogenannten ’Fausse-route’. Beim Trinken gelangte das Wasser in die Lunge, dadurch hatte ich dann auch Halsschmerzen. Zu essen gab es später noch Brühe, das Problem hatte sich dadurch aber nur noch verschlimmert. Da ich auch noch so stur bin, habe ich davon nichts gesagt, doch mein Zustand verschlechterte sich dramatisch, meine Hände sackten zusammen, ich war wieder gelähmt.“ Für den 56-Jährigen ging es zurück ins CHL, die Weihnachtsfeiertage und auch Neujahr lag Manuel Fonseca also erneut auf der Intensivstation.
„So krass es auch klingt, am 24. Dezember wäre ich fast draufgegangen.“ Doch dies war auch der Moment, als sich der Schalter im Kopf endlich umlegte. Geholfen hat ihm da auch die Ernährungsberaterin, die ihn fragte, was er denn am liebsten essen würde, und ihm den langersehnten Wunsch nach Nudeln erfüllte: „Das kann man sich kaum vorstellen, die rutschten runter wie nichts.“ Die Muskeln begannen immer besser zu arbeiten, durch die neue Kraft funktionierte auch das Trinken plötzlich wieder. „Als ich langsam wieder normal essen und trinken konnte, ging es wieder bergauf.“ Zwischenzeitlich hatte Manuel Fonseca nämlich 24 Kilogramm abgenommen.
Zurück im Rehazenter, hieß es dann weiter hart arbeiten: „Mein Tag war von morgens acht bis fünf Uhr nachmittags prall gefüllt. Ich musste nicht nur wieder Laufen lernen, sondern auch beispielsweise wieder, eine Gabel zu halten oder mit einem Stift zu schreiben.“ Und da machte sich auch die positive Einstellung, die Fonseca stets an den Tag legte, bemerkbar: „Für mich stand immer fest, dass ich nach vorne schauen möchte, denn dort liegt mein Ziel, zurückzublicken hätte mich nicht weitergebracht. Wenn ich eine Übung zehnmal ausführen musste, habe ich halt versucht, sie 20-mal zu schaffen.“ Dank seines Ehrgeizes schaffte er es von anfänglichen Gehversuchen mit einem Roboter zu weiteren im Wasser. Vom Rollstuhl zu zwei Krücken und folglich zu einer: „Abends habe ich noch zusätzlich im Flur am Geländer weiter versucht, ohne Krücken zu laufen, am Anfang ging alles sehr langsam vonstatten, doch nach und nach immer besser.“ Mit den Ärzten hatte er schließlich seit Januar eine Wette laufen. Manuel Fonseca setzte sich als Ziel, im April entlassen zu werden, am Ende durfte er bereits Anfang März wieder nach Hause: „Dabei wollte ich eigentlich nur den Pokalendspielen am 14. März beiwohnen, die durch die Corona-Krise dann doch nicht stattfanden.“
Offener Umgang
Von Anfang an ging Manuel Fonseca mit seiner Erkrankung sehr offen um. Sobald es möglich war, postete er Fotos und Videos von seinem Kampf zurück zu einem normalen Leben auf Facebook: „Wenn man da liegt, stellt man Fragen, man kriegt auch detaillierte Antworten von Ärzten und Pflegekräften, doch was ich vor allem gebraucht hätte, wäre ein Gespräch mit jemandem gewesen, der selbst davon betroffen war. Hierdurch wollte ich auch ein Dokument für die Zukunft erstellen.“ Denn für den 56-Jährigen steht fest, sollte er einmal gebraucht werden, würde er nicht zögern, um Betroffenen selbst zu helfen.
Emotional wird er dann jedoch, wenn er von der Unterstützung erzählt, die er in dieser Zeit erhielt: So gab es nicht nur Besuch von der Familie aus Portugal, sondern auch von vielen Menschen aus der luxemburgischen Basketballszene. Als er von einer Begegnung spricht, kann Fonseca die Tränen nicht mehr zurückhalten und so muss sich der 56-Jährige dann doch kurz sammeln: „Sogar Menschen, die mich viel kritisiert haben, sind vorbeigekommen. Einer meiner Hauptkritiker hat mich besucht und wir standen gemeinsam dort und mussten einfach nur weinen. Die Emotionen sind einfach noch so frisch.“
Und gerade deswegen lernt er die kleinen Dinge im Leben wieder schätzen: „Man kann sich nicht vorstellen, wie schön es war, als ich entlassen wurde, endlich wieder in einem Auto sitzen zu dürfen.“ Was er zudem noch besonders feststellen konnte? „Ich mochte Püree noch nie, daran hat sich auch nichts geändert“, scherzt er, um sich dann doch etwas nachdenklicher zu zeigen: „Ich arbeitete ja in der Baubranche. Als ich in den letzten Monaten im Rollstuhl saß, habe ich zwar bemerkt, dass viel für Rollstuhlfahrer getan wird, aber bei weitem noch nicht genug. Zudem habe ich schon vor der Corona-Krise zu schätzen gelernt, welche Arbeit Ärzte und Pflegepersonal eigentlich leisten.“
Auch wenn er inzwischen zu Hause ist, ist der Weg für Manuel Fonseca noch längst nicht beendet: „Man hat mir gesagt, dass es ein Jahr benötigt, bis die Krankheit komplett geheilt ist. Im Moment erhalte ich noch alle drei Wochen eine Hämoglobin-Kur und die Muskeln wollen auch weiter aufgebaut werden. Da steht mir auch jetzt noch einiges an Arbeit bevor, auch wenn meine Kurse derzeit nicht stattfinden können.“ Und so hat er sich nun ein neues Ziel gesetzt: „Im September will ich wieder auf dem Basketballparkett stehen.“ Denn schließlich will Manuel Fonseca seinen guten Freund und Schiedsrichterkollegen Luc Meisch, was die Anzahl an geleiteten Spielen betrifft, noch immer einholen: „Ich habe ja jetzt auch noch ein Jahr verloren“, scherzt er zum Abschluss.
Guillain-Barré-Syndrom
Laut der Weltgesundheitsorganisation ist das Guillain-Barré-Syndrom eine seltene Erkrankung (eine von 100.000 Personen ist betroffen), bei der das Immunsystem einer Person die peripheren Nerven angreift. Das Syndrom kann sowohl die Nerven betreffen, die die Muskelbewegung steuern, als auch diejenigen, die Schmerzen, Temperatur und Berührungsempfindungen übertragen. Dies kann zu Muskelschwäche und Gefühlsverlust in Beinen und/oder Armen führen. Bei 20 bis 30 Prozent der Menschen sind die Brustmuskeln betroffen, was das Atmen erschwert. In schweren Fällen kann die Fähigkeit zu sprechen und zu schlucken beeinträchtigt werden. Menschen aller Altersklassen können betroffen sein, die Erkrankung betrifft jedoch häufiger Erwachsene und Männer.
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