EM 2024 / Southgates Genugtuung: „Wir wollen alle geliebt werden, oder?“
Gareth Southgate hat es den Kritikern gezeigt. Nach der plötzlichen Leistungsexplosion glaubt nun sogar der König an den Titel.
Als die vernichtende Kritik verstummte und das ersehnte Ende der „58 years of hurt“ plötzlich ganz nah war, platzte die ganze Erleichterung aus Gareth Southgate heraus. Englands Teammanager ließ sich ausgiebig feiern, von den Fans, die erst kürzlich noch mit Bierbechern nach ihm geworfen hatten. Er riss die Fäuste nach oben, brüllte wie entfesselt – und schwor eine ganze Nation voller Genugtuung auf das letzte Ziel einer EM-Reise mit Höhen und noch mehr Tiefen ein. Selbst König Charles III. glaubte an die Krönung.
Durch den dramatischen Last-Minute-Finaleinzug gegen die Niederlande (2:1) habe sein Team den Menschen in der Heimat „einen der besten Abende der letzten 50 Jahre beschert. Ich hoffe, sie gönnen sich ein paar Bier“, sagte Southgate. Und das, obwohl nicht wenige auf ein Ende der englischen Quälerei gehofft hatten.
Unerwartete Leistungsexplosion
Doch im Halbfinale löste die Milliardentruppe endlich das ein, was sie lange versprochen hatte. „Wir sind noch hier“, sagte Southgate – und kündigte mit Blick auf das Duell mit Spanien am Sonntag (21.00 Uhr) in Berlin an: „Wir kämpfen weiter.“
Was hatte sich der englische Teammanager zuvor aber nicht alles anhören müssen. Verhöhnt, verspottet, beim letzten Gruppenspiel gegen Slowenien (0:0) gar von den eigenen Fans mit Bechern vom Feld gejagt – Southgate schien für viele, die es mit den Three Lions halten, die Wurzel allen Übels. Doch nun, nur wenige Tage und eine unerwartete Leistungsexplosion später, ist der 53-Jährige lediglich ein Spiel davon entfernt, die „years of hurt“, die Jahre des Schmerzes seit dem bislang einzigen großen Titel 1966, zu beenden.
Southgate hat es seinen Kritikern gezeigt, der Gegenwind der vergangenen Wochen zog aber keineswegs spurlos an ihm vorbei. „Wir alle wollen geliebt werden, oder?“, sagte er: „Wenn man etwas für sein Land tut und ein stolzer Engländer ist, und wenn man das dann nicht zurückbekommt und nur Kritik einstecken muss, ist das hart.“
Dabei spricht die Bilanz trotz teils düsterer Leistungen für ihn. Unter Southgates Regie zogen die Three Lions bereits ins zweite Finale ein, dies sei etwas „ganz Besonderes“, sagte der englische Coach. Vor seiner Amtszeit war dies den Engländern bei großen Turnieren überhaupt nur einmal gelungen (1966). Und: Southgate formte eine Mannschaft, die bei dieser EM zwar Schläge der Gegner, der eigenen Fans und der heimischen Presse einstecken musste, die sich aber immer wieder aufraffte.
„Alles tun, was nötig ist“
Jude Bellinghams rettender Fallrückzieher gegen die Slowakei, das Ende des Elfmetertraumas gegen die Schweiz, oder nun der späte Siegtreffer des unverhofften Helden Ollie Watkins belegen den unerschütterlichen Glauben. Und auch im Finale, betonte Anführer Harry Kane, werde England „alles tun, was nötig ist. Wir wollen den Weg zu Ende gehen“.
Ein Spiel noch, das rief Southgate auch den Fans in Dortmund entgegen. „Is it finally coming home?“, fragte der Daily Express, klappt es endlich mit dem Titel? Drei Jahre nach der bitteren EM-Finalpleite von Wembley greifen die Three Lions erstmals außerhalb des eigenen Landes in einem Endspiel nach der Krone – sogar mit royaler Unterstützung.
König Charles schickte schon einmal „die besten Wünsche“, und hatte dennoch eine kleine Bitte. „Wenn ich Sie ermutigen darf, den Sieg zu erringen, bevor ein Wundertor in letzter Minute oder ein weiteres Elfmeterdrama nötig wird, bin ich mir sicher, dass die Belastungen für den kollektiven Puls und Blutdruck der Nation erheblich gemildert würden“, schrieb der Monarch: „Viel Glück, England.“
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