Handball / Tommy Wirtz verabschiedet sich von der 2. Bundesliga: „Eine unvergessliche Erfahrung“
Mit dem Wechsel ins Profilager hat sich Tommy Wirtz im vergangenen Jahr einen Traum erfüllt – das Abenteuer „2. Bundesliga“ neigt sich aber nun dem Ende zu. Am Samstagabend bestreitet der Nationalspieler seine letzte Partie im Trikot der Rimpar Wölfe. Nach einer anstrengenden Saison freut sich der 29-Jährige darauf, Handball in Zukunft wieder nur in seiner Freizeit zu spielen.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge wird Handball-Nationalspieler Tommy Wirtz am Samstag sein letztes Spiel für die Rimpar Wölfe in der zweiten deutschen Bundesliga bestreiten. „Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich an meinen Abschied denke“, sagt der 29-Jährige: „Einerseits bin ich froh, dass diese lange Saison, in der wir fast jede Woche durchtrainiert haben, nun endet. Körperlich und mental war dies nicht einfach, durch Corona hat sich das Ganze zudem in die Länge gezogen. Andererseits ist es aber auch so, dass mir die Menschen, mit denen ich jeden Tag zusammen trainiert habe, ans Herz gewachsen sind. Ich habe hier Freundschaften geschlossen. Zu wissen, dass ich sie gleich nicht mehr so oft sehen werde, ist schon traurig. Das werde ich sicherlich vermissen.“
Das letzte Saisonspiel der Wölfe findet auswärts, in Konstanz, statt. Offiziell vom Verein verabschiedet wurde Wirtz aber bereits vor einer Woche im letzten Heimspiel. „Ich hatte mich sehr auf das Spiel gefreut, denn es waren endlich wieder ein paar Zuschauer erlaubt. Diesen Moment habe ich sehr genossen. Neben mir verlassen zwei weitere Spieler den Verein im Sommer. Der Teammanager hat uns alle einzeln nach dem Spiel verabschiedet“, erzählt der Luxemburger: „Es gab Geschenke, unter anderem ein Trikot zur Erinnerung. Unsere Mitspieler haben uns am Tag darauf auch noch mit einem Mannschaftsessen überrascht.“ Diese familiäre Stimmung bei den Rimpar Wölfen war nur einer der Gründe, warum sich Wirtz 2020 für einen Wechsel zu dem Zweitligisten entschied.
Niveau höher als erwartet
Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. Blickt Wirtz auf seine Saison zurück, dann wurden die sportlichen Erwartungen sogar übertroffen: „Ich hatte mir die zweite Bundesliga sehr stark vorgestellt. Das Niveau ist aber noch viel höher als ich es erwartet hatte. Ich habe von Anfang an gemerkt, dass man zu jedem Zeitpunkt mental und physisch stark sein muss, sonst kann man in dieser Liga nicht bestehen. Ich habe jetzt noch mehr Respekt davor als zuvor“, so der Luxemburger: „Wenn ich mir das Talent einiger Spieler hier ansehe, dann stelle ich mir manchmal die Frage: Tommy, was machst du eigentlich hier?“, erzählt er lachend.
Dabei überzeugte auch Wirtz von Anfang an. Mit dem Ziel, sich als „kleiner Luxemburger in der zweiten Bundesliga durchzusetzen“, wagte der Linksaußen im Sommer den Schritt ins Profilager und konnte sofort Fuß fassen. Die ersten Partien der Saison spielte er quasi durch, vor allem vor der Winterpause lief es richtig gut. „Ich hatte selbst nicht damit gerechnet, so viel zu spielen. Ich habe mich sehr über das Vertrauen gefreut und war sportlich sehr zufrieden. Nach der Winterpause habe ich dann etwas weniger gespielt“, so Wirtz. Ein Grund war die hohe Intensität in der Bundesliga, die Leistung muss in jedem Spiel stimmen: „Ich habe mich während dieser Zeit etwas gehen lassen. Irgendwann habe ich mich aber wieder zusammengerauft, dann lief es auch wieder besser.“
Auf seine besten Momente in der zweiten Bundesliga angesprochen, schwärmt Wirtz von dem Erfolg gegen Gummersbach – der Sieg gegen eines der besten Teams der Liga war ein besonderer Augenblick. „Aber auch das letzte Heimspiel war besonders. Wir haben gegen den Tabellenersten, TuS N-Lübbeke, gewonnen. In diesem Spiel wurde ich auch verabschiedet, das ist ein Moment, den ich nicht vergessen werde. Am meisten werden mir aber die Menschen, die ich hier kennengelernt habe, fehlen. Mit ihnen habe ich täglich zusammen trainiert und auch wenn ich mal Heimweh hatte, haben sie mir geholfen.“
Wegen der Corona-bedingten Einschränkungen durften Freunde und Familie ihn nicht besuchen. Auch die Hallen blieben leer – gespielt wurde vor leeren Kulissen. Dabei war die Vorfreude auf die Spiele vor prall gefüllten Tribünen ein Grund gewesen für den Wechsel nach Deutschland. „Aufgrund der andauernden Einschränkungen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen, konnte ich meinen sportlichen Traum mit den dazugehörigen Empfindungen nicht in vollen Zügen genießen“, wurde Wirtz in einer Mitteilung des Klubs zitiert, als man seinen Abschied im März bekannt gab. „Für die Wölfe ist der Abgang des luxemburgischen Nationalspielers definitiv ein Verlust“, hieß es weiter.
Ich habe gemerkt, dass dies auf Dauer nichts für mich istüber das Profileben
Wegen der Restriktionen war es zudem unmöglich, zwischendurch abzuschalten. Mal eben Familie und Freunde in Luxemburg zu besuchen war fast nie möglich. Corona war deshalb auch der Hauptgrund, aber nicht der einzige, für Wirtz’ Entscheidung, seine Profikarriere zu beenden.
„Ich habe jetzt eine ganz andere Sicht auf das Bundesliga-Profileben als zuvor. Ich habe mir früher immer gedacht, man müsste nicht viel machen außer jeden Tag trainieren“, erinnert sich der Luxemburger: „So relaxed ist es nicht. Ich habe jetzt großen Respekt vor den Spielern, die das durchziehen. Denn man muss mental und physisch immer bereit sein, man muss alles investieren. Ich habe gemerkt, dass dies auf Dauer nichts für mich ist und freue mich darauf, gleich wieder als Lehrer zu arbeiten und Handball wieder als Hobby zu betreiben.“
Neuer Alltag
Das Abendteuer „2. Bundesliga“ bereut der Linksaußen aber keineswegs: „Ich bin froh, dass ich diese unvergessliche Erfahrung machen durfte. Für mich ging damit ein Herzenswunsch in Erfüllung. Als Kind hatte ich immer den Traum, als Profi einmal in Deutschland zu spielen. Dieses Kindheitsziel habe ich erreicht. Sowohl sportlich als auch menschlich habe ich die Erfahrung sehr genossen.“
Tommy Wirtz in der zweiten Bundesliga
35 Spiele
67 Tore (davon 27 Siebenmeter)
Wurfquote von 64,42%
8 Zeitstrafen
1 Rote Karte
Quelle: www.liquimoly-hbl.de
Der Alltag von Wirtz wird sich also bald radikal ändern. Während er letztes Jahr jeden Tag hart trainiert und sich nur auf seinen Sport fokussiert hat, beginnt für ihn nun ein ganz anderer Lebensabschnitt. Bei Saarlouis wird er in der kommenden Saison nur noch abends trainieren, tagsüber wird er seiner Arbeit als Lehrer nachgehen. „Ich musste mich dieses Jahr nur auf den Handball konzentrieren. Morgens bin ich immer zum Corona-Test gegangen, dann gab es ein Training. Am Nachmittag stand dann Physiotherapie auf dem Programm und danach noch eine Trainingseinheit“, sagt Wirtz. Dieser Tagesablauf gehört ab der kommenden Woche der Vergangenheit an: „Es wird mehr auf dem Stundenplan stehen als Physiotherapie und Training. Es wird schwer sein, diesen Schalter umzulegen, aber ich freue mich auf die neue Herausforderung.“
Saarlouis ist Teil der neuen Herausforderung, die Entscheidung zurück zu seinem ehemaligen Verein zu wechseln, hat Wirtz bewusst getroffen: „Ich habe auch daran gedacht, zurück nach Luxemburg zu wechseln. Das hätte die Situation mit meiner Tätigkeit als Lehrer sicherlich vereinfacht. Ich habe aber erst 29 Jahre und will weiter noch auf einem etwas höheren Niveau spielen“, erklärt er: „Der Kontakt zu Saarlouis ist nie abgebrochen. Ich habe mich zuvor dort sehr wohlgefühlt und so war die Entscheidung schnell gefallen. Nach Luxemburg zurückkehren kann ich auch in ein paar Jahren noch.“
Viel Zeit, um abzuschalten, bleibt Wirtz aber auch jetzt nicht. Es steht ein Trainingslager mit der Nationalmannschaft an – die Saisonvorbereitungen mit Saarlouis lassen anschließend auch nicht mehr lange auf sich warten.
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