Handball / „Torhüter können 70 Prozent ausmachen“ – Torwarttrainer Rajko Milosevic im Interview
Die luxemburgische Handball-Nationalmannschaft steht vor einer richtungsweisenden Woche. Sowohl in der EM- als auch in der WM-Qualifikation wollen sich die „Roten Löwen“ für die nächste Runde qualifizieren. Eine entscheidende Rolle könnten dabei die Torhüter spielen. FLH-Torwarttrainer Rajko Milosevic erklärt, worauf es zwischen den Pfosten ankommt.
Tageblatt: Was macht einen guten Handball-Torhüter aus?
Rajko Milosevic: In der neuen Generation des Handballs sagt man, dass Torhüter in einem Spiel 50 Prozent ausmachen können. Ich persönlich glaube, dass es sogar 70 Prozent sind. Dafür muss er mental stark und immer konzentriert sein. Er muss das Spiel lesen können, braucht physisches Training – und vor allem eine gute Vorbereitung. Videoanalyse und Statistiken sind sehr wichtig.
Wie wird man ein guter Torwart?
Die Grundlagen müssen in der Jugend erlernt werden. Wenn du 17 oder 18 Jahre alt bist und eine schlechte Basis und Technik hast, wird es schwierig. In dem Alter sollte man meiner Meinung nach schon in der ersten Mannschaft spielen. Das Potenzial muss vorher entdeckt und die Basis wie gesagt erarbeitet werden: Dazu gehören Positionierung, Technik, Zwischenschritte und so weiter.
Was verstehen Sie unter einem guten Torwarttraining?
Das Training muss auf jeden Torhüter individuell abgestimmt werden. Denn nicht jeder bringt die gleichen Voraussetzungen mit, was Körperbau und Reflexe angeht. Mika Herrmann ist zum Beispiel ein anderer Typ als Kell Meyers. Jeder braucht sein eigenes Training. Der eine braucht bessere Reflexe, der andere schnellere Beine – und ein Dritter muss nur mit kleinen Schritten die richtige Position finden. Das gilt besonders für sehr große Torhüter, wie zum Beispiel Niklas Landin (dänischer Nationaltorhüter; Anm. d. Red.). In der luxemburgischen Liga haben viele Torhüter im Verein kein richtiges Torwarttraining. Videos auf Youtube anschauen und nachmachen, was gezeigt wird, ist meiner Meinung nach kein richtiges Training. Der Trainer muss erklären, warum welche Übung wann sinnvoll ist und was das Ziel ist. Ich sage meinen Torhütern immer, dass sie sich viele Spiele der Bundesliga, Champions League usw. anschauen sollen. Sie sollen diese Torhüter aber nicht kopieren, sondern analysieren, warum sie welche Position einnehmen und welche Bewegung machen. Sie sollen beobachten und dadurch ihre Technik verbessern.
Wie sieht das Torwarttraining bei der Nationalmannschaft aus?
Wenn die Torhüter zur Nationalmannschaft kommen, machen wir immer einen Mini-Zyklus durch, mit täglich anderen Übungen. Wir versuchen einfach, in der Vorbereitungsphase so viel wie möglich zu arbeiten. Dazu gehören natürlich auch die Videoanalyse und Statistik.
Sie haben die Videoanalyse angesprochen. Wie wirkt sich diese auf das Torwartspiel aus?
Zur Vorbereitung auf ein Spiel schaue ich mir rezente Videos vom Gegner an. Dann schneide ich einzelne Wurfszenen von jedem Spieler heraus. Mit diesen Sequenzen erstelle ich von jedem Gegenspieler ein Video. Diese Videos sollen sich meine Torhüter dann einmal alleine und in Ruhe anschauen. Danach schauen wir sie uns noch zweimal gemeinsam an. Dazwischen machen wir Pausen, in denen wir analysieren, warum ein Spieler wohin schießt. Es ist sehr wichtig, auf Kleinigkeiten zu achten. Der Torwart muss wissen, welcher Wurf wahrscheinlich kommt, je nachdem, wie sich der Kopf und die Hand des Gegners bewegen. Er muss wissen, wie er darauf reagieren und welche Position er einnehmen muss. Ich zeichne auch jedes Spiel auf und analysiere danach die Leistung. Nur so kann man sich verbessern.
Sie haben Ihre eigene Torhüter-Akademie „Be One“ gegründet. Wie sieht Ihre Arbeit dort aus?
Ich habe in der Akademie ein Team von zehn bis 15 Torhütern zusammengestellt. Es sind Torhüter aus meinem Verein (HB Esch), aber auch aus anderen Klubs. Auch Petros (Boukovinas) ist immer noch in meinem Team, ebenso wie zwei junge Torhüter aus Serbien und zwei aus Rumänien. Ich versuche, sie alle zu unterstützen und ihre Karrieren in eine positive Richtung zu lenken. Eigentlich wollte ich die Akademie immer auf ein internationales Niveau heben. Leider fehlt mir im Moment mit dem Training von Klub und drei Nationalmannschaften – Herren, Damen und U15 – die Zeit.
Können Sie am Beispiel von Petros Boukovinas erklären, wie die Zusammenarbeit funktioniert? Er lebt in Deutschland und spielt in der 2. Bundesliga für TV Großwallstadt – Sie dagegen sind in Luxemburg.
Wir sehen uns jeden Mittwoch per Videokonferenz. Wir besprechen und analysieren, was in seinem letzten Spiel passiert ist. Ich schicke ihm dann zwei oder drei spezifische Trainingseinheiten und bereite die Videos und Statistiken für die nächsten Spiele vor. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, weil er eine sehr professionelle Einstellung hat. Petros hat letzte Saison erstmals in der 2. Bundesliga gespielt und wurde gleich MVP der Liga. Jetzt spielt er mit Griechenland bei der Europameisterschaft. Die EM wird wichtig für seine Karriere sein. Denn bei seinem Verein hat er noch einen Vertrag bis Ende Juni. Er hat auf jeden Fall das Potenzial, danach in der ersten Bundesliga oder in der ersten französischen Liga zu spielen. Ich hoffe, dass er einen guten Transfer macht.
Unterstützen Sie ihn auch während der Europameisterschaft?
Ich wurde gefragt, ob ich die griechische Nationalmannschaft bei der EM begleiten könnte. Leider geht das nicht, wegen der Länderspiele der luxemburgischen Nationalmannschaft im Januar. Aber ich schaue mir Petros’ Spiele an, mache die Statistiken und Videoanalysen für ihn und bereite ihn auf seine Spiele vor. Ich tue, was ich kann, um ihm auf diese Weise zu helfen. Das ist nicht einfach. Besonders während des Spiels. Ich kann nicht eingreifen und mit ihm reden. Aber Petros wollte auch keinen anderen Torwarttrainer für die EM.
Zurück zu Luxemburgs Nationalmannschaften. Sie trainieren bei der FLH sowohl die Torhüter als auch die Torhüterinnen. Wie unterschiedlich ist die Herangehensweise?
Das ist ein großer Unterschied. Ich kenne die Mädchen noch nicht so lange, deshalb bin ich von meiner Art her etwas ruhiger. Alle sind sehr nett. Die Jungs habe ich schon eine ganze Kampagne lang betreut und kenne sie auch aus der Liga. Ich bin sehr kritisch mit ihnen. Das ist meine Mentalität. Wenn du mit positivem Training viel Druck machst, muss auch das Ergebnis kommen.
Wie zufrieden sind Sie mit dem derzeitigen Leistungsstand der FLH-Torhüterinnen?
Die Zusammenarbeit klappt super, aber es ist nicht einfach. Früher gab es kein Torwarttraining in der Frauen-Nationalmannschaft – wir haben jetzt erst damit angefangen. Daher ist die Technik ein bisschen problematisch. Die Mädchen arbeiten sehr gut mit und nehmen die Vorgaben an. Laure (Flener) spielt in Deutschland und macht gute Fortschritte. Auch Ines (Lopa) ist super. Sie ist erst 15 Jahre alt und hat viel Potenzial, genau wie Maewa (Huberty). Meiner Meinung nach hat die Damen-Nationalmannschaft auf der Torhüterposition viel Potenzial. Man sieht die Fortschritte.
Wie sieht es vor den anstehenden Länderspielen gegen Lettland und Israel mit den Herren aus?
Mika (Herrmann) und Scott (Meyers) sind in sehr guter Form. Kell (Meyers) auch. Matusz (Lallemang) ist diesmal nicht dabei. Den neuen Jungen, Guillaume Felici, der aus Frankreich kommt, habe ich in der Vorbereitung auf diese Kampagne zum ersten Mal gesehen. Er hat noch etwas Arbeit vor sich, aber auch er hat Potenzial.
Programm FLH-Auswahl
EM-Qualifikation, Relegation:
11. Januar, 18.40 Uhr:
Lettland – Luxemburg (Valmiera)
14. Januar, 16.00:
Luxemburg – Lettland (Coque)
WM-Qualifikation, 1. Phase:
17. Januar, 18.45 Uhr:
Luxemburg – Israel (Coque)
18. Januar, 18.45 Uhr:
Israel – Luxemburg (Coque)
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