EM-Kolumne „Extrawurst“ / Verlängerung auf dem Parkplatz
Da stand ich nun am Montag, zum ersten Mal live im Stadion bei einem EM-Spiel. Die Vorfreude war riesig, die Erwartungen hoch. Die Düsseldorfer Arena beeindruckte, die Fans tobten – die Kulisse war perfekt für ein denkwürdiges Fußballspiel. Belgien gegen Frankreich – zwei mit Stars vollgepackte Mannschaften, die sich gegenüberstehen – das klang auch auf dem Papier nach dem Topspiel des Achtelfinales überhaupt. Doch es kam anders. Die ersten Minuten vergingen und das Spiel entwickelte sich zunehmend zur Schlaftablette. Ein mitgereister Kollege konnte die Augen nicht offen halten und gönnte sich während der ersten Halbzeit sogar ein fünfminütiges Nickerchen. Vielleicht lag es am vielen Bier, das er bis dahin schon getrunken hatte, oder an einer schier endlosen Diskussion mit einem Briten. Viel wahrscheinlicher war der Grund aber der Minimalisten-Fußball, den beide Mannschaften darboten. Maskenmann Mbappé und Co. zeigten jedenfalls kaum nennenswerte Höhepunkte.
Frankreich gewann am Ende unspektakulär mit 1:0 durch ein Eigentor der Belgier in der 85. Minute. Es war der einzige Glanzpunkt des Spiels, wenn man ihn denn so nennen will. Die Verlängerung, die sich lange Zeit angedeutet hatte, blieb aus – zumindest auf dem Spielfeld. Auf dem Parkplatz hingegen sah die Sache ganz anders aus. Eine gute Stunde nach Abpfiff erreichten wir unser Auto inmitten trauernder Belgier und feiernder Franzosen. Und es sollte dann noch einmal genauso lange dauern wie das Spiel selbst, um den Parkplatz zu verlassen. Die Herausforderung bestand darin, dass ich als Fahrer der einzige Nüchterne im Auto war. Während die zwei mitgereisten Freunde, ein Österreicher und ein Halbfranzose, das Spiel mit ein paar Bieren verarbeiteten, durfte ich sie unter ihrer Anleitung durch das unendliche Meer von Autos im Stau navigieren. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir schließlich die Autobahn. Im Wagen wurde es ruhiger, die Gespräche verstummten. In Gedanken ließ ich das Spiel Revue passieren. Die EM-Euphorie und die Stadion-Atmosphäre hatten die Erwartungen erfüllt, das Spiel selbst hatte zu wünschen übrig gelassen. Trotzdem bleibt es ein unvergessliches EM-Erlebnis. Und dafür stellt man sich dann auch gerne zwei Stunden in den Stau.
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