Paralympics / Vom Leistungssport in die Trainerrolle: Katrin Kohls Trainer Stefan Strobel im Gespräch
Stefan Strobel bringt als ehemaliger Paralympics-Teilnehmer und Medaillengewinner seine Erfahrungen als Leistungssportler mit nach Paris. Als Coach von Katrin Kohl erlebt er jetzt auch die anstrengenderen Facetten der Trainerrolle. Das Tageblatt hat sich vor dem Rennen der Luxemburgerin am Mittwoch mit ihm unterhalten.
Stefan Strobel kann auf eine erfolgreiche Karriere als Leistungssportler zurückblicken. Der 47-jährige Gymnasiallehrer aus dem Saarland, der mittlerweile Mathematik und Informatik an der Oberstufe unterrichtet, gewann vor 20 Jahren in Athen bei den Paralympics Silber im Marathon und hält bis heute den Weltrekord über 10.000 Meter in seiner Klasse. „Ich hatte über diese Distanz die Weltbestzeit 2006 erstmalig aufgestellt und dann 2010 verbessert, ehe ich den Rekord, wie ich es gerne sage, an meinen Freund Pieter Du Preez ausgeliehen habe. 2019 konnte ich ihn in der Schweiz dann zurückerobern.“ Das sollte dann auch das Ende von Strobels Sportlerkarriere sein. „Ich hatte mich die letzten Jahre richtig durchgequält. Mit dem erneuten Weltrekord wusste ich, warum.“
Strobels Leidenschaft ist die Langstrecke, er bestreitet noch heute drei bis vier Marathons im Jahr, aber eher als Stadtrundfahrt, wie Katrin Kohls heutiger Trainer mit einem Lachen sagt. Nachdem es bei den Paralympics 2008 keine Wettkämpfe für T51-Athleten gegeben hatte, war in London nur die 100-Meter-Sprintstrecke auf dem Programm. „Sprint war einfach nicht meine Welt, dennoch habe ich mich breitschlagen lassen und Sprint trainiert.“ Für London sollte es nicht reichen, aber für die WM in Lyon 2013 hatte Strobel überraschend die Qualifikation geschafft. „Aber dort bin ich nur hinterhergefahren.“
Ausgerichtet auf Paris
2019 hat er dann seine Karriere beendet und die Trainingsgruppe von Katrin Kohl, die mittlerweile durch Corona sehr geschrumpft ist, übernommen. „Es sind noch drei Sportlerinnen übriggeblieben. Katrin aus Luxemburg, Julia aus Bitburg und Susanna aus Karlsruhe.“ Aus Organisationsgründen trifft sich dieses Trio jeden Samstag für drei Stunden im Olympiastützpunkt in Saarbrücken. Je nach Trainingsphase wechseln die Schwerpunkte. „Ich erstelle einen detaillierten Plan für jeweils sechs Wochen mit verschiedenen Schwerpunkten. Katrin arbeitet dann nach diesem Programm über die Woche zu Hause, teilweise alleine, aber auch mit Marc Kiefer.“
Kohls Ziel war immer die Teilnahme an den Spielen in Paris. Lange Zeit fehlte ihr dafür eine winzige, aber sehr wichtige Sekunde zur Qualifikation. „Wir wussten lange nicht, ob es klappen würde. Alle hatten damit geliebäugelt. In der Saisonplanung hatte ich im Kalender Paris als oberstes Ziel eingetragen. Der Plan war, dass nach den beiden Grand Prix in Notwill und Paris die Qualifikation stehen würde.“ Nach einem guten Saisonbeginn mit Bestzeit in Dubai gab es dann aber einen Leistungseinbruch. Trotz neu gesetzter Impulse sollte es in Notwill nicht zur Qualifikation reichen. Im Juli kam dann aber die Wildcard, die es Kohl trotzdem ermöglicht, an den Paralympics teilzunehmen. „Nach dem Wettkampf in Notwill war Katrin sehr frustriert und dachte ans sofortige Aufhören. Ich konnte sie jedoch neu motivieren. Eine Wildcard schmeißt man auch nicht einfach so hin. So eine Gelegenheit soll man nutzen.“
Fokus auf den Wettkampf
In den letzten Wochen vor den Spielen wurde nun noch an einigen Stellschrauben gedreht, um Defizite in der Technik aufzuarbeiten. Außerdem wurden die Intensität und die Anzahl der Trainingseinheiten deutlich erhöht. „Am Mittwoch ist die Stunde der Wahrheit“, so Strobel. „Es werden 14 Konkurrentinnen am Start sein. Der Einzug ins Finale wäre ein Riesenerfolg. Aber dafür müsste sich Katrin extrem verbessern. Wir hoffen einfach nur, dass sie eine gute Zeit fährt und sagen kann: Ich habe mein Ding gemacht. Persönliche Bestzeit bleibt demnach das Ziel.“
Um sich der Wettkampfzeit (12.07 Uhr am Mittwoch) anzupassen, wird jeweils vormittags trainiert. Allerdings ist der Belag im Trainingsstadion Auguste Delon langsamer als der im Stade de France, wo sie vor dem Wettbewerb nur einmal kurz testen konnten. „Da kommt schon mal Frust auf, da man nicht alles so eins zu eins umsetzen kann. Für uns Rollis sind die Unterschiede der verschiedenen Bahnen schon deutlicher als für die Läufer.“
All das Drumherum ist momentan eigentlich Nebensache. Das ist aber nicht so einfach bei all dem, was das paralympische Dorf so an Abwechslungen zu bieten hat.über die Vorbereitung auf den Wettkampf
Trainer und Betreuer tun alles Mögliche, damit die Athleten den Fokus auf den eigenen Wettkampf legen können. „All das Drumherum ist momentan eigentlich Nebensache. Das ist aber nicht so einfach bei all dem, was das paralympische Dorf so an Abwechslungen zu bieten hat.“ Da ist der Standort der Appartements vom Team Luxemburg direkt neben und über dem Village Club mit seiner Disco und seinen vielen sonstigen Angeboten nicht gerade ideal. „Katrin verfolgt, was rundherum passiert. Ihr fällt es schwer, komplett auf den eigenen Wettkampf konzentriert zu sein. Für sie wäre es vielleicht besser gewesen, wenn der Wettkampf einige Tage früher gewesen wäre.“ Strobel denkt an seine eigene Teilnahme in Athen zurück. „Ich war drei Wochen in einem Tunnel und wusste nicht einmal, dass es noch ein Leben nach dem Marathon gibt. Allerdings gab es damals noch keine Social Media.“
Neues Erlebnis
Aber auch andere Unterschiede werden dem Saarländer heute bewusst. „Die Trainer sorgen dafür, dass die Sportler optimale Bedingungen vorfinden. Ich erinnere mich daran, dass ich immer ausgeschlafen und topfit war. Heute befinde ich mich in dieser Rolle und passe alles an Katrin an. Ich erlebe also Paris ganz anders als Athen. Es kommt mir so vor, als ob ich nichts mache, aber dennoch sehr müde bin. Ich stelle mir also jetzt die Frage, wie es damals meinen Betreuern und Trainern erging. Ich bin nie auf die Idee gekommen, danach zu fragen. Dies muss ich nach den Spielen nachholen.“
Für die Paralympics genießt Strobel, der ansonsten eher selten bei Kohls Wettkämpfen vor Ort sein kann, Sonderurlaub. Da soeben erst Schulbeginn im Saarland war, hat er seinen Informatikschülern eine verschlüsselte Mitteilung als erste Aufgabe übermittelt. Seine Präsenz an den Paralympics lässt grüßen.
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