Radsport / Vom Pech verfolgt: Das Tageblatt-Abschlusszeugnis für die luxemburgischen WorldTour-Profis
Die Radsport-Saison auf der Straße ist vorbei. Zeit, eine Bilanz der Leistungen der Luxemburger zu ziehen. Die vier WorldTour-Profis Kevin Geniets, Bob Jungels, Alex Kirsch und Michel Ries wurden dabei nicht vom Pech verschont. Ihr Zeugnis orientiert sich dabei vor allem an ihrer Rolle im Team. Das Tageblatt liefert zudem einen kurzen Ausblick auf die Saison 2025.
Bob Jungels: 6/10
Das Jahr 2024: Bei Bora-hansgrohe war in diesem Jahr alles auf Neuzugang Primoz Roglic und die Tour de France ausgerichtet. Jungels sollte dabei an der Seite des Slowenen eine entscheidende Rolle einnehmen. Sie fuhren zusammen Paris-Nice (Roglic wurde 10., Jungels 34.) und die Baskenland-Rundfahrt (Jungels wurde 91.), bei der Roglic im schweren Massensturz beteiligt war und das Rennen aufgeben musste. Es folgte eine zweimonatige Rennpause für Roglic, der Jungels dann beim Critérium du Dauphiné wiederfand – und dieses gleich gewann (Jungels 40.) Für die Tour de France sollte alles gerichtet sein, doch Roglic stürzte auf der 12. Etappe und verlor dort bereits 2:27 Minuten auf die Favoriten. Einen Tag später stieg er aus. Als „Capitaine de route“, der Jungels in diesem Jahr war, ist man immer auch von den Ergebnissen seines Kapitäns abhängig. Am Ende der Saison hat der Luxemburger seinen Job erledigt und fuhr trotz seiner Rolle das eine oder andere Ergebnis ein (jeweils 15. bei der Algarve-Rundfahrt und Mailand-Turin, zweimal 17. bei der Tour).
Ausblick: Ab der kommenden Saison wird der 32-Jährige nun das Trikot von Ineos Grenadiers tragen. Er hat einen Vertrag bis Ende 2026 unterschrieben. Jungels’ Rolle definiert Scott Drawer, Performance Director des Teams: „Wir haben eine beträchtliche Anzahl von hochtalentierten jüngeren Fahrern, die zu erfahrenen Profis aufschauen, die wir im Team haben – und Bob wird ein wichtiger Teil dieser Mentorenkultur sein. Wir haben sein Können bei der letzten Tour de France gesehen und sind zuversichtlich, dass er sich in unserem Umfeld durch individuelles Coaching, Wissenschaft, Technologie und medizinische Unterstützung noch entwickeln kann.“ Jungels will sich erst auf die Flandern-Klassiker fokussieren, dann auf Etappenrennen. Gespannt darf man sein, welche Herangehensweise Ineos nach seiner schlechtesten Saison aller Zeiten (nur 14 Siege in diesem Jahr) wählt. Mit dem ehemaligen Tour-de-France-Sieger Egan Bernal, dem ehemaligen Weltmeister Michal Kwiatkowski, dem zweifachen Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna, Thomas Pidcock, Nachwuchstalent Carlos Rodriguez oder dem U23-Weltmeister von 2023 Axel Laurance steckt im Team doch eine Menge Potenzial.
Alex Kirsch: 6/10
Das Jahr 2024: Alex Kirsch ist an der Seite von Mads Pedersen kaum noch wegzudenken. In diesem Jahr gewann der Däne in Anwesenheit seines luxemburgischen Teamkollegen eine Etappe sowie das Gesamtklassement der Etoile de Bessèges und drei Etappen der Tour de la Provence, die Kirsch selbst auf Platz fünf beendete. Doch der 32-Jährige zeigt, dass er mehr als nur Helfer ist: beim Omloop Het Nieuwsblad wurde er 20., bei Kuurne-Brüssel-Kuurne 15. und das E3 Saxo Classic beendete er als Zehnter. Eine Zäsur der Saison bringt Dwars door Vlaanderen, bei der Kirsch stürzte und sich einen Knochen in der Hand brach. Etwa zwei Monate später stieg er wieder ins Renngeschehen ein, stürzte jedoch wieder beim Critérium du Dauphiné und verletzte sich am Knie. Die Tour de France war gelaufen, doch eins der Highlights seiner Karriere sollte das Straßenrennen der Olympischen Spiele in Paris werden, das er auf Platz 40 beendete. Trotz all des Pechs kämpfte Kirsch und fuhr Resultate in der zweiten Saisonhälfte ein (Platz 3 bei der Tour de Wallonie, Platz 10 bei der EM, Platz 19 bei Paris-Tours).
Ausblick: Lidl-Trek setzt auf Beständigkeit. Bei einem Rekord von 42 Siegen in einer Saison gibt es am Team wohl auch nur wenig zu rütteln. Die Tour-Etappensieger Søren Kragh Andersen (Alpecin-Deceuninck) und Lennard Kämna (Red Bull-Bora-hansgrohe) stoßen genau wie Nachwuchstalent Tim Torn Teutenberg (Lidl-Trek Future) zum Team. Wenig verwunderlich, wird Kirsch wieder Rennen an der Seite von Pedersen bestreiten. Doch der Luxemburger wird sicher auch mal seine Karte ausspielen dürfen. Vor allem, wenn es in die Frühjahrsklassiker geht, darf man auf ihn gespannt sein.
Michel Ries: 4/10
Das Jahr 2024: Michel Ries hat gezeigt, dass er auch über drei Wochen bei einer großen Rundfahrt in die Top 25 fahren kann. Den Giro d’Italia, den sein Team Arkéa – B&B Hotels ohne Kapitän fuhr, beendete Ries auf Platz 25. Ansonsten erfüllte Ries seine Rolle als Helfer in den Bergen. Cristian Rodríguez verhalf er bei der Katalonien-Rundfahrt zu Platz 11, zudem schloss er die Tour de l’Ain selbst als 11. ab. Bei der Vuelta a España stieg er mit Magenbeschwerden auf der 13. Etappe aus und auch in den restlichen Rennen war Ries noch nicht ganz regeneriert.
Ausblick: Noch hat Ries nicht kommuniziert, für welches Team er 2025 fahren wird. Sein Vertrag bei der französischen Mannschaft läuft am Ende dieses Jahres aus. Im Gespräch mit dem Tageblatt zeigte er sich nach der WM in Zürich jedoch zuversichtlich. Ohne ein Team zu nennen, sagte Ries, dass er auch 2025 weiter Teil eines Profiteams sein wird.
Kevin Geniets: 7/10
Das Jahr 2024: Emotional begann die Saison 2024 für Geniets: Beim GP Cycliste de Marseille jubelte er über seinen ersten internationalen Profisieg. Und auch die folgenden Ergebnisse waren vielversprechend: Sowohl bei der Etoile de Bessèges (10.), der Tour des Alpes-Maritimes (12)., Faun-Ardèche Classic (11.) oder Faun Drôme Classic (16.) fuhr der Luxemburger vorne mit, doch auf der letzten Etappe von Paris-Nice stürzte er – und zog sich eine Fraktur in der Hand zu. Die Klassiker musste er ausfallen lassen: Etwas weniger als drei Monate nach seinem Sturz gibt er sein Comeback bei der Mercan’Tour Classic Alpes-Maritimes (49.), dann steht das Dauphiné an der Seite von David Gaudu an, der 15. wird. Geniets gewinnt vor der Tour de France seinen dritten Landesmeistertitel im Straßenrennen, doch auch die „Grande Boucle“ verläuft für das Team nicht zufriedenstellend. Kapitän Gaudu steht nach einer Covid-Infektion geschwächt am Start und spielt keine Rolle im Gesamtklassement. Geniets nutzt diese Chance, zeigt sich immer wieder offensiv und aggressiv. Auf Etappe 12 fährt er 92 Kilometer in der Ausreißergruppe, auf der 20. Etappe ist er 85 Kilometer vorne dabei – und beendet das schwere Teilstück am Col de la Couillole auf Platz 19. Bei der darauffolgenden Vuelta a España kämpft Geniets’ Körper gegen die Hitze, doch auf Etappe 12 muss er den Kampf aufgeben.
Ausblick: Geniets ist aus dem Team kaum noch wegzudenken. Der 27-Jährige hat einen Vertrag bis 2027 unterschrieben und hat in diesem Jahr bewiesen, dass er nicht nur eine wichtige Rolle neben seinem Kapitän spielen kann, sondern dass er auch Ergebnisse herausfahren kann. Mit Guillaume Martin (von Cofidis), Remi Cavagna (Movistar) oder Lombardei-Rundfahrt-Sieger der Espoirs Brieuc Rolland (Kontinentalteam) hat das Team starke neue Fahrer zu vermelden. Doch Geniets, der die Strukturen der Mannschaft kennt, wird im nächsten Jahr noch mehr Verantwortung übernehmen. Eine Rolle, die dem Luxemburger liegt.
Drei in der zweiten Liga
Mit Arthur Kluckers und Luc Wirtgen sind zwei weitere Luxemburger Profis diese Saison auf der Straße gefahren. Beide fuhren für das zweitklassige Schweizer ProTeam Tudor. Beide haben ihren Job als Helfer erledigt und das Vertrauen der Verantwortlichen erhalten. Beide haben in diesem Jahr ihren Vertrag bis Ende 2026 verlängert. Mit Julian Alaphilippe und Marc Hirschi bekommen die Luxemburger im kommenden Jahr prominente Mannschaftskollegen. Mit Mats Wenzel wird außerdem mindestens ein dritter Luxemburger in der zweiten Liga fahren. Der 21-Jährige hat bekanntlich einen Vertrag bis 2026 beim spanischen Team Kern Pharma unterschrieben.
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