Handball / VPS im Final Four ein Erfolg – für die Meisterschaft aber noch nicht bereit
Im Final Four der Handballer kam am Wochenende erstmals das „Video Proof System“ zum Einsatz. Für Refcom-Chef Patrick Simonelli war es eine gelungene Premiere. Im Gespräch mit dem Tageblatt erklärte er, warum der Videobeweis aber für die Meisterschaft noch nicht bereit ist.
„Es ist nicht wie in anderen Sportarten, dass irgendwo eine Person mit Headset in einem Keller sitzt und ein Signal an die Schiedsrichter gibt und sagt: ‚Die Situation solltet ihr euch noch einmal anschauen’. So funktioniert es nicht“, sagt Refcom-Chef Patrick Simonelli über das „Video Proof System“ im Handball. Das VPS ist viel mehr eine Unterstützung, auf die die Schiedsrichter bei erheblichen Zweifel auf Eigeninitiative zurückgreifen können. „Einzig sie selbst können die Entscheidung treffen, ob sie sich eine Aktion vor dem Bildschirm noch einmal anschauen wollen. Wenn ein Spieler sie dazu auffordert, kann er dafür sogar mit zwei Minuten bestraft werden“, erklärt der Präsident der Referees’ Commission, für den das Projekt Videoschiedsrichter eine Herzensangelegenheit ist.
„Ich analysiere praktisch jede Partie, die in der AXA League gespielt wird. Und dabei ist mir aufgefallen, dass wir auf den Bildern der Live-Übertragung von apartTV, sogar mit nur einer Kameraperspektive, 95 Prozent der Fehler, die auf dem Platz passieren, erkennen können. Da haben wir uns gesagt: Warum sollten wir nicht versuchen, diese für das VPS zu nutzen“, beschreibt Simonelli, wie es zu der Entscheidung kam, den Videobeweis im Final Four einzuführen.
So wenig wie möglich benutzen
Nachdem das System schon bei Jugendspielen und abseits der Öffentlichkeit in der Meisterschaft getestet wurde, eignete sich das Finalturnier im Pokal bestes für die erste offizielle Nutzung im Bereich der Seniors-Mannschaften, da die Bedingungen in der Coque für alle gleich sind. Das VPS auch in der Meisterschaft einzusetzen ist schwieriger, denn für den Videobeweis werden die Bilder von der Live-Übertragung von apartTV benutzt und der Sender überträgt in der Regel nur ein Spiel pro Spieltag. Anders ist dies im Final Four, das komplett live übertragen wurde.
Im Überblick
In diesen sieben Fällen können Schiedsrichter auf das VPS zurückgreifen:
1. Wenn Zweifel bestehen, ob eine Disqualifikation erfolgen soll oder eine Zeitstrafe reicht
2. Wenn Zweifel bestehen, ob bei einer Disqualifikation auch die Blaue Karte notwendig ist
3. Im Falle einer Rudelbildung, um herauszufinden, wer der Verantwortliche ist
4. In den letzten 30 Sekunden (nur wenn das Spiel zu dem Zeitpunkt noch nicht vorentschieden ist)
5. Bei Aktionen, in denen die angreifende Mannschaft ohne Torwart spielt, den Ball verliert, der Gegner zum Schuss übers ganze Spielfeld ansetzt, ein Fehler passiert und Zweifel bestehen, ob ein Siebenmeter gewährt werden muss
6. Wenn der falsche Spieler riskiert, eine Rote Karte zu bekommen
7. Bei unfairen Aktionen außerhalb des Sichtfeldes der Schiedsrichter
Drei weitere Punkte, für die in Luxemburg bisher die Technik fehlt:
1. Fehlerhafte Auswechslung
2. Torlinientechnik
3. Wenn nicht klar ist, ob der Ball vor oder erst nach der Schlusssirene im Tor war
Bei den Spielen in der Coque konnten sich die Unparteiischen in sieben verschiedenen Fällen (siehe Kasten) Situationen noch einmal auf dem Bildschirm ansehen. „Tatsachenentscheidungen wie Schrittfehler, Doppeldribbel, Stürmerfouls usw. gehören nicht dazu und können auch nicht rückgängig gemacht werden“, betont Simonelli.
Eigentlich geht es sowieso darum, das System nur bei ernsthaften Zweifel zu beanspruchen. „Unsere Schiedsrichter sind geschult, das VPS so wenig wie möglich zu benutzen. Denn wenn sie andauernd zum Bildschirm laufen, zeigen sie auch, dass sie unsicher sind“, erklärt Simonelli: „Wenn sie eine Entscheidung treffen und überzeugt sind, dass diese richtig ist, brauchen sie sich diese nicht noch einmal anzuschauen.“
Im Rückblick auf das Final Four wurde dies auch umgesetzt. Wie oft das VPS benutzt wurde, lässt sich fast an einer Hand abzählen. „Und in den paar Situationen, in denen sich die Schiedsrichter die Bilder angeschaut haben, gab es anschließend immer Rot, bis auf ein oder zweimal. Da gab es nur zwei Minuten“, sagt Simonelli im Rückblick: „Es hat relativ gut geklappt.“
Auf die Frage, ob der Videoschiedsrichter auch bereit für die AXA League ist, sagt er: „Mit den Kameras der RTL Live Arena wäre es machbar, aber das Bild ist nicht so gut. Und manchmal kommt die Kamera nicht mit, sodass man nicht alles darauf erkennen kann. Wir sind am Überlegen, ob wir in der Meisterschaft eventuell nur in den letzten 30 Sekunden diese Bilder benutzen, aber ich bin skeptisch. Das Problem ist, wenn man es anwenden will, muss das System auch einwandfrei funktionieren und 100 Prozent sicher sein.“
Deshalb wird das VPS wohl auch in Zukunft nur im Final Four eingesetzt werden. „Eventuell am letzten Spieltag in der Meisterschaft, sollte dann nur noch ein Spiel entscheidend sein“, so Simonelli.
So funktioniert das VPS in Luxemburg
Die Bilder von apart TV werden von drei verschiedenen Kameras eingefangen. Jeweils eine hinter jedem Tor und eine auf Höhe der Mittellinie. „Von apartTV sitzt jemand bei einem Bildschirm neben dem Spielfeld, der mit jedem Pfiff der Schiedsrichter eine Datei der letzten zehn Sekunden per Mausklick erstellt“, erklärt Simonelli. Wollen sich die Schiedsrichter dann eine Szene noch einmal ansehen, signalisieren sie das per Handzeichen und gehen zum Monitor. Dort können sie wählen, aus welcher Perspektive sie diese sehen wollen. Auch Zeitlupe und Vergrößern sind möglich.
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