Paralympics / „Was will man mehr?“: Das Comeback-Märchen von Kugelstoßer Tom Habscheid
Tom Habscheid hat am Samstagabend in Paris eine 40-jährige Wartezeit beendet und die erste luxemburgische Medaille bei den Paralympischen Spielen seit New York 1984, wo Luxemburg mit gleich fünf Medaillen äußerst erfolgreich war, geholt. In seinem definitiv letzten Wettbewerb hat der Kugelstoßer eine starke Leistung abgerufen und sich mit Bronze belohnt.
Die schönsten Geschichten schreibt immer wieder der Sport. Aus Frust und Enttäuschung hatte Tom Habscheid nach seinem vierten Platz bei den Paralympics 2021 in Tokio seine Karriere beendet. Mit der Strongman-Serie hielt sich der Düdelinger kräftemäßig in Form. Vor sechs Monaten hatte noch keiner den 38-Jährigen auf der Rechnung für die Paralympischen Spiele in Paris – er selbst wohl auch nicht. Aber seither hat der Ehrgeiz den Kugelstoßer des CAD wieder gepackt. Plötzlich wollte Habscheid es wieder wissen, hat die „High Performance Norm“ für eine Qualifikation in der französischen Hauptstadt ohne Probleme geschafft und sich von Wettbewerb zu Wettbewerb gesteigert. Die super effiziente Rückkehr in den Wettkampfmodus war somit sogar mit berechtigten Medaillenhoffnungen verbunden. Diese Erwartungen hat er am Samstag vollends erfüllt. Mit 14,97 Metern und Bronze ist ihm seine persönliche Revanche geglückt. Tom Habscheid hat „seine Dämonen besänftigt“, wie er es im Vorfeld ausgedrückt hatte. Neben dem Gewinn der Bronzemedaille kann er auf einen starken Wettkampf zurückschauen.
Ruhe gewahrt
„Ich wollte im Vorfeld meine Ruhe und meine Konzentration bewahren. Das hat perfekt geklappt, wie man gesehen hat. Zudem habe ich die Nacht vor dem Wettbewerb bestens geschlafen, so gut wie die letzten 14 Tage nicht mehr“, sagte Habscheid nach dem Wettbewerb. Er hatte sich im Vorfeld etwas von der Außenwelt abgeschottet und war voll auf seinen Auftritt fokussiert. Glücklicherweise blieben die angekündigten Regenschauer aus, sodass es kein Déjà-vu, wie vor drei Jahren im japanischen Tokio, gab. Allerdings sollte es immer wieder Unterbrechungen geben, aufgrund von Starts und Medaillenzeremonien. Und immer wieder traf es genau Habscheid vor seinen Einsätzen. „Es war eine Kunst, die Konzentration immer voll aufrechtzuerhalten. Ich habe alles richtig gemacht.“ Der Luxemburger ließ sich zu keinem Zeitpunkt aus der Ruhe bringen und startete Lockerungsübungen bei den zahlreichen Stopps des Wettbewerbs.
Von Beginn an strahlte Habscheid Ruhe und Sicherheit aus. Angefangen bei seinen Aufwärmversuchen im Ring. Ein Stoß um die 14 Meter und das Selbstvertrauen war intakt. Und mit diesem guten Gefühl ging er dann den Wettbewerb an.
Paralympischer Rekord
Als dritter von neun Teilnehmern war der Luxemburger gefordert und übertraf sofort mit 14,09 Metern seine Weite von Tokio (13,92). Hiermit knackte er auch seinen eigenen paralympischen Rekord in der Klasse F63. Bekanntlich trafen im Wettbewerb Konkurrenten aus den Kategorien F42 und F63 aufeinander, beide Klassen werden für die Paralympics zusammengelegt. Als Prothesenträger starteten aber nur der Luxemburger sowie der Österreicher Schober in der Kategorie F63. Ein erster Schritt war damit getan, auch wenn im ersten Durchgang gleich vier Konkurrenten an ihm vorbeizogen.
„Der erste Stoß war zur Sicherheit. Der zweite war dann schon Vollgas, obwohl ich den Stoß nicht so richtig gefühlt habe. Er hätte noch weiterfliegen können“, so Habscheid, der anschließend einen richtig starken Versuch raushauen konnte und damit erneut den eben erst aufgestellten paralympischen Rekord verbesserte. Die Weite von 14,97 Metern bedeutete zudem eine neue Saisonbestmarke und den zwischenzeitlichen ersten Platz. Als letzter Konkurrent verwies der Kuwaiter Sorour (15,01) Habscheid aber nach dem zweiten Durchgang auf Rang zwei. Der Favorit, der Waliser Davies, übernahm dann im dritten Durchgang (15,10) die Spitze des Wettbewerbs.
„Es reicht jetzt definitiv. Ein Comeback reicht völlig. Dieses war ja perfekt.wird seine Karriere nach Paris endgültig beenden
Vor den letzten drei Durchgängen belegte Habscheid aber immer noch einen Medaillenrang mit immerhin 46 Zentimetern Vorsprung auf Platz vier, Halgahawela aus Sri Lanka. Im vierten Durchgang erzielte Sorour anschließend starke 15,31 Meter, die am Ende auch zu Gold reichten. Denn Davies verbuchte drei weitere ungültige Versuche und auch Habscheid konnte sich nicht mehr steigern. „Ich bin mega zufrieden. Silber wäre noch möglich gewesen, denn Aled Davies war heute nicht in Topform. Meisterschaften sind da, um Medaillen zu gewinnen und ich habe am Ende Bronze. Die Weiten waren alle ganz gut und sehr konstant“, so der zufriedene Luxemburger. Mit sechs Versuchen über 14 Meter (14,09, 14,97, 14,87, 14,12, 14,50, 14,45) bestritt Habscheid wohl den besten Wettbewerb seiner ganzen Karriere. Und da er keine halben Sachen macht, erreichte er neben der so erhofften Medaille auch noch den bereits erwähnten paralympischen Rekord.
Definitiv Schluss
Auf sein Geheimnis hinter diesem besonderen Tag angesprochen, sagte Habscheid: „Eine meiner Taktiken war, nicht zu sehr auf die anderen zu schauen. Ich versuchte immer, mich etwas abzulenken und mich auf meine kleine Welt zu konzentrieren.“ Ein Rezept, das vollends aufging. Vor seinem letzten Versuch war sein Platz auf dem Podest schon bestätigt. „Da fiel alles runter. ‚Entweder rabbelt et elo oder net.’ Ich wusste, dass ich so oder so eine Medaille sicher habe.“ Wie schon bei seinen Versuchen zuvor nahm er das Publikum mit ins Boot. „Ich habe mit den Zuschauern gespielt. Das macht mir viel Spaß. So habe ich sofort meinen Flow gefunden und dann ging es ab.“
Beim sechsten und letzten Stoß hatte er das proppenvolle Stadion voll im Griff, wie auch später auf dem Siegerpodium. „Ich bin extrem froh, dass ich es in den letzten sechs Monaten noch einmal zurückgeschafft habe in die Weltelite. Und als Bonus eine Medaille. Was will man mehr?“, so Habscheid, der mit den Paralympics nun definitiv im Reinen ist. Die dritte Teilnahme, nach Rio und Tokio, hat das erträumte Edelmetall, das er aus den Händen einer ebenso glücklichen Großherzogin Maria Teresa erhielt, gebracht. Feiern und Ferien mit der Familie in der Bretagne stehen jetzt an. Und die Kugel wird endgültig zur Seite gelegt und nicht mehr in die Hand genommen. „Es reicht jetzt definitiv. Ein Comeback reicht völlig. Dieses war ja perfekt“, so die Worte des Bronzemedaillengewinners zu seinem endgültigen Karriereende als Kugelstoßer. Bekanntlich soll man ja auf dem Höhepunkt aufhören.
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