EM-Kolumne „Extrawurst“ / Wie ein Paul Philipp, den man sich bei AliExpress bestellt hat
Drei wichtige Punkte haben uns die vergangenen Tage gelehrt. Angefangen mit der ungewöhnlichen Tatsache, dass die gefährlichsten Torschützen (selbst bei Titelkandidaten) in diesem Jahr aus der eigenen Verteidigerreihe stammen. Aufgrund mangelnder Auswahl an Topscorern plant die UEFA notgedrungen, das ekligste Eigentor zu küren. Rüdiger machte den Weg frei – doch der Türke Samet Akaydin wird nach seinem Steilpass Richtung Eigentor-Thron in dieser Kategorie wohl nur sehr schwer zu verdrängen sein.
So etwas würde Cristiano Ronaldo nie passieren. Für Patzer hatte der Kapitän zwischen Vorlagen und Selfies mit Flitzern keine Zeit. Das bringt uns zu Punkt zwei: Was macht Platzstürmer noch berühmter als ein paar Sekunden Bildschirmzeit? Sie bewusst nicht mehr im TV zu zeigen, verursacht eigentlich nur eines: steigendes Interesse, wenn man trotzdem in den sozialen Medien nach Videos sucht, die zeigen, wie Gelbwesten erfolglos einem Kind hinterherjagen.
Die andere Erkenntnis der ersten EM-Tage ist privater Natur. Aus dem eigenen Nachwuchs wurden Paul-Philipp-Modelle herangezüchtet – zumindest wenn es um das Kommentieren der internationalen Spiele geht. Eine jahrelange, zeitaufwendige Investition, ihnen König Fußball als Herzensangelegenheit zu vermitteln, trägt die erhofften Früchte. „Deen hat scho Giel“, „Abseits!“, „schéi gespillt“, „dat ass dee vu Real“ … Fußballweisheiten und Kommentare werden mit jeden zusätzlichen 90 Minuten tiefgründiger.
Bei näherer Qualitätskontrolle wird allerdings auch recht schnell deutlich, dass es sich in diesem Entwicklungsstadium noch um Replikationen von AliExpress oder Temu handelt. Kleinere Mängel (die Batterien sind bei Einbruch der Dunkelheit völlig platt), aber auch größere Pannen (so entfallen 50% ihrer Informationen, nimmt man ihnen ihr Topps-Heft weg) mussten seit Turnierbeginn in Kauf genommen werden.
Köstlich amüsiert hat uns das Beisteuern ihrer Kenntnisse und das Interesse am schönsten Sport der Welt aber allemal. Wer sich selbst davon überzeugen will, sollte Erstklässler den Namen des türkischen Kapitäns vorlesen lassen. Und fragt man sie dann, ob wir uns vor den Nationalhymnen mit Snacks eindecken sollten, heißt es definitiv jedes Mal: „Oh jo!“ Was will man mehr …
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