Sportserie / Wie sportlich ist Luxemburg? Teil 1 der Tageblatt-Serie mit ENEPS-Direktor Charles Stelmes
„Lëtzebuerg lieft Sport“ – so der Titel des nationalen LTAD-Konzepts (Long-Term Athlete Development). In einer mehrteiligen Serie versucht das Tageblatt in den nächsten Wochen nicht nur die unterschiedlichen Programme, Umsetzungsmöglichkeiten und Angebote aufzuschlüsseln, sondern auch herauszufinden, wie Sport tatsächlich in Luxemburg gelebt wird. Den Anfang macht ENEPS-Direktor Charles Stelmes, der auf die Geschichte und die Zielsetzungen der Sportphilosophie eingeht.
Die Herkunft
Das LTAD-Konzept (Long-Term Athlete Development) stammt ursprünglich aus Kanada. Es handelt sich dabei um ein Phasenmodell, das auf die ganzheitliche Entwicklung des Sportlers und des Bewegungsaktiven hinzielt, sprich gezielt und auf Dauer. Der ehemalige Technische Direktor des COSL, Heinz Thews, entdeckte die Idee 2006 vor Ort. Was in Kanada in erster Linie zunächst als Pläne für einen langfristigen Leistungsaufbau entwickelt worden war, etablierte sich später als Sportphilosophie und gesellschaftliches Modell – und wird mittlerweile als „Long term development in sports and physical activity“ betitelt. Eine auf Luxemburger Bedürfnisse zugeschnittene „Roadmap“ von „LTAD – Lëtzebuerg lieft Sport“ wurde im Oktober 2019 während eines Symposiums erstmals präsentiert. Ausgangspunkt waren Anregungen des Olympischen Komitees und der Ecole Nationale d’Education Physique et des Sports (ENEPS).
Der Ausgangspunkt in Luxemburg
„Die gesellschaftliche Bedeutung des Sports wird sowohl politischen als nicht-politischen Akteuren immer bewusster. Das Potenzial des Sports und der Bewegung für die physische und mentale Gesundheit wurde erkannt“, sagt Charles Stelmes. Doch Sport hat noch viele andere Qualitäten, sei es bei der Integration, Inklusion oder der geschlechtlichen Gleichstellung. „Das geschieht allerdings nicht von selbst. Es braucht gut ausgebildete Personen, um diese positiven Effekte des Sports für die Gesundheit und die Gesellschaft nicht dem Zufall zu überlassen.“ Für qualitativ hochwertigen Sport sind drei Faktoren ausschlaggebend: Kompetente Personen und den Bedürfnissen der Sportler und Bewegungsaktiven angepasste Programme und Infrastrukturen.
Das erste Rahmenkonzept
„Hier handelt es sich um ein übergeordnetes Phasenmodell, das die Philosophie, Vision und Arbeitsprinzipien dieser Akteure des Luxemburger Sports veranschaulicht“, erklärt Eneps-Direktor Charles Stelmes das 2021 vorgestellte Rahmenkonzept, das gemeinsam von Sportministerium, ENEPS, COSL, Sportlycée und LIHPS ausgearbeitet worden ist. Offiziell heißt es im nationalen Rahmenkonzept: Der Leitspruch „Lëtzebuerg lieft Sport“ steht sinnbildlich für die Weiterentwicklung einer körperlich aktiven Gesellschaft in all ihren Ausprägungsformen. Laut Definition ist das Rahmenkonzept demnach sportartenübergreifend. Damit das Konzept in konkreten Sportangeboten gelebt werden kann, wird derzeit in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Sportverbänden an sportartspezifischen Konzeptionen gearbeitet, die die Verbände dann selbst umsetzen und an ihre Vereine weitergeben können.
Erste konkrete Erkenntnisse
Aktuell sind acht große Sportverbände konkret im Prozess der Ausarbeitung von sportartangepassten LTAD-Konzepten aktiv und setzen diese teilweise auch schon mit ihren Vereinen um. „Der Weg vom Rahmenkonzept auf das Terrain ist ein komplexer und langfristig angelegter Prozess“, meint Charles Stelmes. Es sei schwer, die bisherige Entwicklung an Fixpunkten festzumachen. „Momentan gibt es mehrere Ansätze, um die Qualität und das Angebot zu verbessern: Ein Ansatz liegt in der Aus- und Weiterbildung der unterschiedlichen Akteure im Luxemburger Sport, zum Beispiel über die der Trainer und des administrativen Bereichs, für die die ENEPS in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden direkt verantwortlich ist. Dann arbeiten wir in enger Zusammenarbeit mit dem IFEN (Institut de formation de l’éducation nationale) und dem SNJ (Service national de la jeunesse) an neuen Weiterbildungsangeboten für Lehrer und Erzieher. Neuerdings besteht beim LTPES (Lycée technique pour professions éducatives et sociales) auch eine auf Sport und Bewegung ausgerichtete Ausbildung für zukünftige Erzieher.“ Neben Trainern, Eltern, Lehrern sind es laut Stelmes diese Bezugspersonen, die eine entscheidende Rolle spielen, damit die Kinder einen positiven Bezug zu Sport und Bewegung entwickeln.
Der zweite Ansatz liegt darin, über Subsidien mehr gut qualifiziertes Personal in der Sportlandschaft zu etablieren. Neben Zuschüssen für Personal bei den Verbänden und über Qualité+ bei den Vereinen stellt das Sportministerium seit einiger Zeit Gelder für die Gemeinden zur Verfügung, damit diese einen Sportkoordinator einstellen können, der in den Kommunen hilft, die Sportlandschaft zu entwickeln.
Medaillen oder „LTAD“?
„Lëtzebuerg lieft Sport“ zielt darauf ab, die gesamte Gesellschaft für mehr Bewegung und ein gesünderes Leben zu begeistern. „Dies schließt aber nicht aus, dass auch weiterhin leistungsorientiert trainiert werden kann und soll. Immerhin handelt es sich dabei um einen wichtigen Aspekt, der dabei hilft, über sich hinauszuwachsen. Spiele, Wettbewerbe, Siege: All dies sind Motivationsquellen. Aber es ist nicht die einzige Facette des Sports“, erklärt Stelmes, der darauf eingeht, dass sich viele Vereine jahrelang auf diese klassische Philosophie konzentriert hätten. „Das Gesamtpotenzial wäre viel höher, wenn man das Angebot entsprechend ausweiten würde.“
Ein Beispiel: Neben einer leistungsorientierteren Trainingsgruppe kann der Verein gleichzeitig eine partizipativere Einheit anbieten. „Nicht mehr die nötige Leistung aufbringen zu können, um in einer Mannschaft zu spielen, darf für die Kinder und die Jugendlichen nicht derart negativ gewertet werden, dass sie ihren positiven Bezug zum Sport verlieren. Hier spielen die Trainer eine entscheidende Rolle.“ Für Verbände und Vereine geht es darum, das Angebot vielfältig und interessant zu gestalten – beispielsweise für Athleten, die sich aus dem aktiven Wettbewerb zurückziehen wollen. „Denn wer engagiert sich langfristig auch als Ehrenamtlicher? Es sind die Leute, die sich mit ihrem Klub identifizieren und etwas zurückgeben wollen. Die Chance, dass das passiert, erhöht sich, wenn sie nach ihrer Wettkampflaufbahn auch weiterhin ein Sportangebot im Verein nutzen können.“
Was tun als Verein?
Als Klub sollte man sich in erster Linie mit dem Modell „Lëtzebuerg lieft Sport“ auseinandersetzen und überlegen, welche Möglichkeiten bestehen, um der Philosophie gerecht zu werden. „Ein Sportkoordinator kann hier eine Anlaufstelle sein“, sagt Stelmes. Wenn die Gemeinde den Posten nicht besetzt hat, könne es auch die lokale Sportkommission sein, die das Screening übernimmt. Es ist wichtig, zu wissen, was in der Gemeinde angeboten wird. „Es geht nicht darum, Konkurrenz zu schaffen, sondern Lücken zu füllen: Gibt es Altersbereiche, die nicht abgedeckt sind? Gibt es Sportangebote, die fehlen?“
Wie geht es weiter?
In der kommenden Woche führt der Weg in die Bissener „Maison relais“. Spielerische Herangehensweisen, wenig Druck und vor allem Spaß: So verläuft der erste Kontakt mit der Sportwelt laut dem LTAD-Konzept.
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