Olympia / Wie Vera Hoffmann die nächsten Stunden vor ihrem Hoffnungslauf am Mittwoch verbringen wird
Man sah Vera Hoffmann am Dienstag an, dass der Mittelstreckenläuferin nach ihrer Olympia-Premiere eine große Last von den Schultern gefallen war. In einem taktischen Lauf hat sie beim Schlussspurt noch die Kraftreserven auspacken können, um ein paar Konkurrentinnen einzusammeln. Da die FLA-Athletin über die 1.500 Meter schon am Mittwoch eine zweite Chance im Hoffnungslauf bekommt, hüpfte die 27-Jährige nach den Interviews auch gleich in die Eistonne. Ein wenig „Social Media“ wollte sie sich aber noch gönnen.
Vera Hoffmann gehörte zu den Sportlerinnen, die bis ganz zum Schluss der Qualifikationsperiode um ein Olympia-Ticket kämpfen mussten. Erst am 2. Juli gab es Gewissheit: Die 27-Jährige hatte sich über das „Road to Paris“-Ranking qualifiziert. Dort belegte sie Platz 41 bei 45 Startberechtigten. Allein an der Startlinie des wichtigsten Wettbewerbs des Jahres zu stehen, war für die Celtic-Läuferin schon ein riesiger Erfolg, wie sie am Dienstag nach ihrer großen Premiere verriet: „Ich sagte bereits im Vorfeld, dass dieses Rennen heute mein persönliches Finale wäre. Ich werde nicht für Medaillen laufen, sondern bin hier, um das Bestmögliche herauszuholen.“
Mit einer Zeit von 4:07.64 Minuten ist sie zwar unter ihrer persönlichen Bestzeit (4:05.92) geblieben, doch das war ohnehin nicht ihr Hauptziel des Tages gewesen. „Mit meinem Trainer (Bob Bertemes, Anm. d. Red.) hatten wir besprochen, dass ich während des Rennens so ruhig wie möglich bleiben sollte. Ich wollte so viel Energie wie möglich sparen und innen laufen. Es war klar, dass irgendwann Löcher entstehen und Leute zurückfallen würden, die das Tempo zu schnell angegangen waren. Es ist am Ende schwer, ein taktisches Rennen mit starkem Finish und langsamer Endzeit gut zu verkaufen. Aber für mich war es eben auch kein Rennverlauf, um Bestzeit zu laufen. Einen Teil der Strecke bin ich hinterhergelaufen. Ein gutes Finish und hinten raus Gas geben – ohne unterzugehen – was das Ziel. Die Taktik habe ich gut umgesetzt bekommen.“ In der Endabrechnung des Tages landete sie auf Platz 33.
Damit hat sich Hoffmann auch selbst einen Gefallen getan, denn sie wird am Mittwochmorgen beim Hoffnungslauf mit sich im Reinen sein. „Mit diesem Ergebnis ist schon Druck von meinen Schultern abgefallen und ich kann zufrieden sein. Es war mir wichtig, eine gute Leistung bringen. Denn man befindet sich hier auch irgendwie in einem Zwiespalt. Einerseits will man die Stimmung aufsaugen und genießen, aber gleichzeitig ist man in Paris, um Leistung abzurufen. Daher ist dieser Druck weg, die erste Leistung stimmte.“
Kleine Ablenkung
Aufgesaugt hat sie dieses Olympia-Gefühl auch schon ein wenig. „Da mit Agathe Guillemot eine Französin in meiner Serie war, vibrierte das Stadion. Es war mega cool.“ Ob im Dorf, im Stade de France oder vor dem Fernseher, „man hat derzeit das Gefühl, dass ganz Paris und die ganze Welt im olympischen Fieber ist und das schwappt auf mich über. Bisher war es aber wichtig, diese Emotionen nicht zuzulassen.“ Und einen Tag – oder noch länger (falls es für das Halbfinale reicht) – wird sie diese Blockade noch aufrechterhalten müssen. „Auslaufen, ins Eisbad, Proteine zu mir nehmen, etwas essen, kurz bei meiner Familie vorbeischauen und dann ins Dorf fahren“, so sah ihr Programm direkt nach dem Rennen aus.
Im „Village olympique“ in der Nähe des Stade Saint-Denis hat Hoffmann ein paar ruhige Plätze ausfindig gemacht, um nicht von der Hektik und dem Trubel überwältigt zu werden. Das Zimmer als Rückzugsort und ein Luxemburger Tisch ganz am Ende der imposanten „Dining Hall“ halfen ihr in den vergangenen Stunden dabei, fokussiert zu bleiben. „Man merkt schon, welche Athleten ihre Wettbewerbe bereits abgeschlossen haben und welche nicht“, fügte sie hinzu.
Ich möchte das aber eher als Ablenkung und für die Aufnahme von positiver Energie nutzen, ohne schon auf jede einzelne Nachricht einzugehen
Auf die Frage, ob sie nach ihrer Olympia-Premiere einen Blick in die sozialen Medien werfen würfe, meinte Hoffmann: „Ich denke schon. Jetzt nicht sofort, aber der Tag ist ja noch lang. Ich möchte das aber eher als Ablenkung und für die Aufnahme von positiver Energie nutzen, ohne schon auf jede einzelne Nachricht einzugehen. Morgen oder übermorgen ist dafür noch genug Zeit.“ Natürlich hofft die Mittelstreckenläuferin, das Abenteuer in Paris jetzt auszubauen – und erst am späten Donnerstagabend wieder mehr Zeit für Instagram und Co. zu haben.
Dafür muss sie unter die ersten drei ihres Hoffnungslaufs. Ein schwieriges Unterfangen. „Die Taktik wird davon abhängen, wer neben mir in der Serie startet. Die Japanerin beispielsweise wollte das Rennen gleich schnell machen. Sie ist aber nicht weitergekommen. Wie heute (am Dienstag) geht es für mich darum, zunächst Energie zu sparen und ruhig zu bleiben. Das ist etwas, das ich bei der Weltmeisterschaft in Rom falsch gemacht habe, als ich mitgehen und mitboxen wollte.“ Lektion gelernt. Das Ziel für heute lautet: „So viele Leute wie möglich einzusammeln und hinter mir zu lassen. Ich will jetzt nochmal alles geben, was in mir steckt.“
So geht’s weiter
Insgesamt 45 Damen gingen am Dienstagmorgen bei der ersten Runde der 1.500 Meter im Stade de France an den Start. Nur die sechs schnellsten aus jedem der drei Vorläufe zogen direkt ins Halbfinale ein. Die verbleibenden 27 Athletinnen werden am Mittwoch im „Repêchage“ eine zweite Chance bekommen: Dann werden noch einmal jeweils drei Tickets pro Serie (2) vergeben. Für Hoffmann geht es demnach am Mittwoch um 12.45 Uhr in der Hoffnungsrunde weiter. Die Halbfinals finden am Donnerstag um 19.35 Uhr und das große Finale am Samstag um 20.15 Uhr statt.
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