Radsport / „Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen“ – Majerus über die Aufnahme von Paris-Roubaix
Gestern gab die UCI den Rennkalender der Damen bekannt. Überraschend war dabei vor allem, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Radsports der Klassiker Paris-Roubaix für Damen ausgetragen wird. Das Rennen soll am 25. Oktober vor dem Start der Männer ausgetragen werden. Für Christine Majerus (Boels-Dolmans), die sich seit vielen Jahren für eine Gleichstellung zwischen den Frauen und Männern einsetzt, ein Schritt nach vorne – doch Ausruhen will sie sich darauf nicht.
Im Haus virtuelle Rennen zu fahren, kommt für Christine Majerus nicht infrage. Zu schlecht sei die Luftzirkulation, auch wenn sie das Fenster öffne. Problematisch wird es aber, wenn es regnet – die aufwändige technische Installation, die ein solches virtuelles Rennen mit sich bringt, darf, logischerweise, nicht nass werden. Mit einer Plane schaffte es die 33-Jährige, die zweite Etappe der Tour For All am Dienstag in trockene Tücher zu bringen. Zehnte wurde die Luxemburgerin auf der zweiten Etappe, ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis. „Es macht Spaß und es ist eine gelungene Abwechslung“, erklärt Majerus. „Aber ich bin froh, professionelle Straßenfahrerin zu sein.“ Am gestrigen Mittwoch stand die dritte von fünf Etappen der virtuellen Tour auf dem Programm. Majerus zeigte sich bis zum Fuß des letzten Berges in der Ausreißergruppe – bis ihr die Kräfte ausgingen.
Kurz nach der zweiten Etappe am Dienstag veröffentlichte die UCI den Rennkalender für den Rest der diesjährigen Saison. Die größte Überraschung: Der Radsport-Dachverband organisiert Paris-Roubaix für Damen. Ein Rennen, das für die Frauen bis jetzt noch nie im Kalender enthalten war. Auch Majerus zeigte sich davon überrascht. „Am Anfang des letzten Jahres gab es Gespräche, dass das Rennen in diesem Jahr zu Beginn der Saison stattfinden sollte. Als es dann aber wieder nicht auf dem Rennkalender für 2020 auftauchte, war ich ziemlich enttäuscht. Vielleicht hat ihnen noch Zeit gefehlt. Dass es jetzt aufgenommen wurde, ist umso überraschender – ich glaube, damit hätte kaum eine Fahrerin gerechnet.“ Das Rennen wird vor dem Rennen der Männer am 25. Oktober gestartet und dient als Ersatz fürs Rennen der Junioren, das gestrichen wurde. Die Modalitäten wie die genaue Streckenführung oder der Startort bleiben offen, doch „es werden ‚einige mythische Streckenabschnitte’ im Rennen der Damen enthalten sein“, erklärte Christian Prudhomme der AFP.
Nächster Schritt: Tour de France?
„Für mich wäre es ein Traum, einmal bei Paris-Roubaix zu starten“, sagt Majerus. „Im Team gibt es sicherlich Fahrerinnen, die besser auf diesem Terrain zurecht kommen als ich.“ Ob Majerus starten wird, wird an der Planung ihres niederländischen Teams Boels-Dolmans liegen. Die 23-fache (10 Mal Straßenrennen, 13 Mal Zeitfahren) luxemburgische Landesmeisterin weiß aber auch, dass es sich, bezogen auf die Gleichstellung zwischen Männer- und Frauenradsport, nicht auf diesem historischen Erfolg auszuruhen gilt. „Es gibt noch genug andere Rennen, die wir verdient hätten, zu fahren. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir noch nicht bei der Gleichberechtigung angekommen sind.“ In einem offenen Brief hatte „The Cyclists Alliance“ (TCA), eine Vertretung von mehreren Profi-Radsportlerinnen, der auch Majerus angehört, kritisiert, dass zu wenig Frauen in den Diskussionen um die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Herausforderungen vertreten sind.
Die Organisation wurde vor zweieinhalb Jahren gegründet, um die Interessen der Frauen im Radsport zu vertreten. Ziel dabei war es, stärker von der UCI einbezogen zu werden, um den Frauenradsport umfassend vertreten zu können. Neben der zweifachen Olympiasiegerin und zwölffachen Weltmeisterin Marianne Vos oder der fünffachen Weltmeistern Ellen van Dijk ist auch die Luxemburgerin Christine Majerus einer der fünf Radprofis, die zum Rat der Radsportlerinnen gehören. „Warum sitzen kaum Frauen bei diesen Meetings der UCI am Tisch und bekommen den aktuellen Stand mitgeteilt?“, fragt sich Majerus. „Wir müssen uns genauso auf eine Saison vorbereiten wie die Männer auch.“ Der AFP gab Christian Prudhomme vor kurzem bekannt, in konkreteren Planungen für eine Tour de France der Damen zu stecken. Seit 2014 fahren die Radfahrerinnen lediglich „La Course by Le Tour de France“, die während der Tour an einem Tag stattfindet – mehr symbolisch als sportlich, meint Majerus. „Wir sind uns einig, dass wir nicht über drei Wochen fahren können. Aber wir wollen auch das größte Rennen der Welt fahren – über zehn Tage wäre beispielsweise ein Kompromiss. Das peilen wir an und wir werden Druck machen, um das zu realisieren.“
Insgesamt sei die im Val d’Oise, einem Département im Großraum Paris, lebende Luxemburgerin aber zufrieden mit dem Rennkalender. „Wir können uns nicht beklagen, wenn wir in diesem Jahr noch Rennen fahren können. Es sind mit insgesamt 18 WorldTour-Rennen zwar nicht viele, aber daran kann man nichts ändern.“ In den letzten fünf Jahren hatte Majerus 56, 46, 46, 48 und 52 Renntage – Zahlen, an die sie in diesem Jahr nicht herankommen wird. Außerdem könne sich Majerus durchaus vorstellen, in diesem Jahr keine Ergebnisse einzufahren. Doch das sei momentan eines der kleineren Probleme – Majerus sehnt sich erstmal nach Fahrten auf der Straße. „Ich muss bald wieder ein Gefühl für die Straße bekommen und hoffe, dass ich nicht zu viel verloren habe.“ Dann, wenn Majerus wieder auf den Sattel ihres Straßenrads steigen wird, um ein Rennen zu fahren, wird sie sich zumindest nicht darum sorgen müssen, dass ihr Equipment nass wird – denn im Gegensatz zur Technik bei virtuellen Rennen, stellt ein nasses Straßenrad kein Problem dar.
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