Zweiter Sieger, erster Verlierer / LSAP wird zweitstärkste Partei, zufrieden ist trotzdem niemand
Zwischen dem Absturz von Koalitionspartner „déi gréng“ und dem Erfolg der ADR geht der LSAP die Freude am eigenen Ergebnis verloren. Im „Melusina“ bleibt die Stimmung den ganzen Abend verhalten – trotz besserem Ergebnis als 2018.
Franz Fayot kann seinen Frust nicht verstecken: „Es ist immer ein bisschen ernüchternd, wenn man zweitstärkste Partei ist, prozentual im nationalen Ergebnis, und am Ende drei Sitze hinter der drittstärksten Partei liegt.“ Es ist 22.30 Uhr in dieser Wahlnacht und die Terrasse, wo Fayot steht, hat sich in den letzten Minuten sichtbar geleert. Partystimmung wollte auf der Wahlparty der LSAP an diesem Abend nie so richtig aufkommen.
Dabei ist das Ergebnis auf dem Papier gar nicht mal so schlecht – wenn man die LSAP isoliert betrachtet. Die Partei konnte ihre Talfahrt abfangen, auf der sie sich seit drei Wahlen befand. Fast anderthalb Prozentpunkte hat sie im nationalen Ergebnis zugelegt. Mit 18,91 Prozent liegt sie auf dem zweiten Platz, hinter der CSV und knapp vor der DP mit 18,7 Prozent. Und doch konnte die LSAP im Vergleich zur Wahl 2018 nur einen Sitz im Parlament hinzugewinnen – während die DP von zwölf auf 14 Sitze anwächst.
Fayot nennt das die „Absurdität unseres Wahlsystems“. Es sei frustrierend, wenn man in drei Bezirken knapp am Restsitz vorbeischrammt. „Das ist leider so, das ist ein bisschen wie eine Lotterie.“ Am Ende sei man „nicht unfroh über das Resultat“, sagt Fayot. „Wir haben einen guten Wahlkampf gemacht, wir hatten die richtigen Themen und einen guten Zusammenhalt in der Partei.“
Rechtsruck und Absturz von „déi gréng“
Allein, froh erscheint an diesem Abend fast niemand. Immer wieder sieht man Menschen mit nachdenklichen Gesichtern über ihre Smartphone-Bildschirme wischen. Die zwei großen Themen des Abends: der für fast alle hier unerwartete Erfolg der ADR und der Absturz von Koalitionspartner „déi gréng“. „Schon traurig“, sagt ein LSAP-Mitglied, während die Hochrechnungen von RTL über die Leinwand flimmern. Auch Fayot ist geknickt. „Ich bin traurig über das Resultat, das die Grünen erreicht haben. Weil sie das nicht verdient haben. Sie haben gute Akzente gesetzt in der Regierung.“
Angesichts der Zugewinne der ADR spricht Fayot von einem „Rechtsruck“. Ein Wort, das man an diesem Abend bei der LSAP in vielen Gesprächen aufschnappen kann. Auch Claude Haagen, der seinen Sitz im Norden verteidigen konnte, stimmt der Erfolg der ADR nachdenklich: „Ich persönlich habe nicht damit gerechnet, dass die ADR gestärkt aus diesen Wahlen herausgeht.“ Auch Spitzenkandidatin Paulette Lenert gab sich schon zu Beginn des Abends besorgt, als sich der Erfolg der ADR in ersten Trends abzeichnete. „Krisenzeiten sind Zeiten für Populisten“, sagt sie. Man habe gehofft, dass man in der Regierung genug getan habe, um das abzufedern. Offensichtlich habe es aber nicht gereicht.
Die Ergebnisse aus dem Norden und Osten waren an diesem Abend erwartungsgemäß als Erstes da. In Haagens Bezirk hat es auch 2018 knapp nicht gereicht. Die LSAP hat den gewünschten zweiten Sitz nicht gewonnen. Wenige Hundert Stimmen fehlten. „Wir hatten Romain Schneider dieses Mal nicht dabei, und diese Stimmen aufzufangen, das war schwer für die neue Mannschaft“, sagt Haagen.
Auch im Osten, dem Bezirk von Spitzenkandidatin Lenert, konnte die LSAP keinen zweiten Sitz hinzugewinnen. Am Lenert-Effekt zweifeln will an diesem Abend trotzdem niemand. „Wir hatten mit Paulette eine sehr engagierte, sehr gute Kandidatin, die auch das ganze Team mitgenommen hat“, sagt Fayot. „Deshalb würde ich jetzt nicht über eine Enttäuschung reden.“
Eines der wenigen strahlenden Gesichter dieses Abends gehört Liz Braz. Die junge Kandidatin aus dem Süden, wo die LSAP ihre sechs Sitze verteidigt, zieht zum ersten Mal ins Parlament ein. „Ich habe mir das nicht in meinen wildesten Träumen vorstellen können“, sagt Braz. Sie brauche jetzt ein, zwei Tage, um das zu verdauen. „Ich möchte der jungen Generation ein Sprachrohr geben, das ist wichtig, das hat bislang gefehlt“, so Braz. „Ich werde mich mit allem einsetzen, was ich habe.“ Einmal hat die LSAP an diesem Abend dann doch Glück in Fayots Restsitz-Lotterie: Claire Delcourt holt am Ende den dritten Sitz im Zentrum, den einen Sitz, den die LSAP im Vergleich zu 2018 zulegen konnte. Eine kleine Sensation.
Diskussionsbereit, auch mit der CSV
Als Paulette Lenert um 21.40 Uhr die Bühne betritt, brandet zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend richtiger Jubel auf. Die Spitzenkandidatin bedankt sich bei ihrem guten Team, bei den vielen jungen Menschen, vor allem in ihrem Heimatbezirk Osten. „Wir kommen weiter als Regierungspartei infrage“, sagt Lenert. Als zweitstärkste Partei sei man diskussionsbereit.
„Die CSV ist unumgänglich mit dem Ergebnis, das sie erreicht hat“, sagt Fayot. Auch Haagen zeigt sich bereit für Sondierungsgespräche. Und Braz will die LSAP noch nicht abgeschrieben sehen. „Alles ist zurzeit noch drin. Und als zweitstärkste Partei im Land sollte man eine sozialistische Partei weiterhin beachten.“ Nun kommt es auf die Schnittmengen an. Auf die zwischen CSV und DP und die zwischen CSV und LSAP. Auf die Frage, welche größer sind, will an diesem Abend niemand eine deutliche Antwort geben. Fayot hat bezüglich einiger Themen Sorgen, was die CSV angeht. „Wir müssen die Klimakrise ernst nehmen“, sagt der Minister. „Und wenn ich mir eine CSV ansehe, die das noch nicht in ihrer Dringlichkeit erkannt hat, dann mache ich mir große Sorgen.“
Eine Koalition mit der CSV will aber auch er nicht ausschließen. Es müsse thematisch klappen und die Prioritäten der LSAP müssten sich wiederfinden. „Man muss uns dann auch erklären, wie man eine Steuerreform gegenfinanziert, bei der man bei jedem die Steuern runtersetzt.“
Wenn es am Ende nichts wird mit der LSAP und der CSV, bleibt immer noch die Opposition. Die hat Braz in Esch schon kennengelernt. „Da kann man viel machen“, sagt sie. „Die kann man auch dort richtig ärgern. Und da kann man auch seinen Input liefern.“
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