Geldpolitik / Europas Zentralbank will Anleihenkäufe deutlich beschleunigen
Die EZB will das Tempo ihrer Anleihenkäufe erhöhen, um den jüngsten Anstieg der Renditen von Staatsanleihen der Euro-Länder einzudämmen. Gleichzeitig gab sie bekannt, dass die EZB für das laufende Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 4,0 Prozent rechnet.
Die EZB will laut Notenbankchefin Christine Lagarde mit mehr Tempo bei den Anleihenkäufen ein günstiges Finanzumfeld in der Corona-Krise sichern. Günstige Finanzierungsbedingungen für alle Bereiche der Wirtschaft seien in Zeiten der Pandemie zentral, sagte sie am Donnerstag nach der Zinssitzung in Frankfurt. Ein andauernder und umfangreicher Anstieg von Renditen bei Staatsanleihen sei dabei unerwünscht, da beispielsweise Banken daran ihre Kreditbedingungen ausrichteten. Zugleich verwies Lagarde darauf, dass die Zinsen an den Märkten dieses Jahr bereits gestiegen seien.
Ein neues Stützungspaket für die Wirtschaft beschloss die EZB aber nicht. Sie hatte erst zum Jahresende 2020 ihre Konjunkturhilfen ausgebaut und unter anderem den Kaufrahmen des PEPP-Programms weiter aufgestockt. Auch den Leitzins beließ die Notenbank auf seinem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort steht er inzwischen seit März 2016.
Nach der Ankündigung der EZB fiel die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe und lag zuletzt bei minus 0,352 Prozent. Die Rendite zehnjähriger italienischer Papiere gab ebenfalls nach und betrug plus 0,622 Prozent.
Die EZB habe schnell auf den Renditeanstieg reagiert, kommentierte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert die Entscheidung. Die weitere Marktreaktion werde spannend. Es könne sein, dass einige Akteure die Entschlossenheit der EZB testen wollten, sodass noch ein weiterer Renditeanstieg zu sehen sein werde. „Aber letztlich sitzt die Zentralbank am längeren Hebel, weil sie über unbegrenzte Munition verfügt.“ Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe merkte an, dass sich die EZB von einer Inflationspanik nicht hat anstecken lassen. „Ihr Hauptaugenmerk liegt weiter auf günstigen Finanzierungsbedingungen“, sagte er.
Zuletzt waren Renditen von Staatsanleihen gestiegen
Zuletzt waren die Renditen von Staatsanleihen der Euro-Länder kräftig nach oben geklettert. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die als Richtgröße für Staatstitel der Euro-Länder gilt, war zeitweise auf minus 0,20 Prozent gestiegen. Dies hatte Befürchtungen bei einigen EZB-Ratsmitgliedern ausgelöst, die Finanzierungskosten könnten sich in der Folge für Staaten, Unternehmen und Haushalte erhöhen. Mitten in der Corona-Pandemie mit ihren massiven wirtschaftlichen Folgen käme das für die Notenbank zur Unzeit.
Die EZB habe die Entscheidung für mehr Tempo bei den Anleihekäufen auf Grundlage einer gemeinsamen Beurteilung der Finanzierungsbedingungen und der Inflationsaussichten gefällt, erklärten die Währungshüter. „Der EZB-Rat wird die Ankäufe flexibel in Abhängigkeit von den Marktbedingungen und mit dem Ziel durchführen, eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen zu vermeiden.“ Zudem stehe die Notenbank bereit, alle ihre Instrumente nötigenfalls anzupassen.
Die EZB greift der Wirtschaft im Euro-Raum seit vergangenem Jahr mit umfangreichen Stützungsmaßnahmen unter die Arme, um den Kreditfluss während der Pandemie am Laufen zu halten. Dazu gehören extrem günstige, langfristige Kreditspritzen für Banken und das PEPP genannte Notfall-Anleihenkaufprogramm. Dieses wurde inzwischen bereits zweimal aufgestockt und hat mittlerweile einen Kaufrahmen von 1,85 Billionen Euro. Die Käufe sollen noch bis mindestens Ende März 2022 laufen. Rund eine Billion Euro steht noch zur Verfügung.
EZB erwartet Anstieg der Inflation auf 1,5 Prozent
An ihrem Einlagesatz hielt die EZB am Donnerstag ebenfalls fest. Dieser liegt bei minus 0,5 Prozent. Das bedeutet, dass Banken Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten. Die EZB hatte den Satz erstmals 2014 auf unter null Prozent gesetzt.
Die EZB hat ihre Konjunkturprognose für die von der Corona-Krise gebeutelte Wirtschaft im Euro-Raum derweil etwas angehoben. Für das laufende Jahr rechnen die EZB-Volkswirte jetzt mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,0 Prozent, wie die Notenbank am Donnerstag nach dem Zinsbeschluss in Frankfurt mitteilte. Im Dezember hatten die Notenbank-Ökonomen noch 3,9 Prozent vorhergesagt. Für 2022 gehen die Volkswirte von einem Plus von 4,1 Prozent und für 2023 von 2,1 Prozent aus.
Die EZB-Ökonomen erwarten für dieses Jahr jetzt einen Anstieg der Verbraucherpreise um 1,5 Prozent. Noch im Dezember lautete die Prognose auf 1,0 Prozent. Für 2022 werden 1,2 (1,1) Prozent und für 2023 dann unverändert 1,4 Prozent vorhergesagt. Die Währungshüter würden somit weiterhin für Jahre ihr Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent verfehlen, das sie für die Wirtschaft mittelfristig als optimal erachten.
Sorgen um einen zu starken Anstieg der Preise macht sie sich nicht. „Die Inflation hat in den letzten Monaten angezogen, hauptsächlich aufgrund einiger vorübergehender Faktoren und eines Anstiegs der Energiepreise“, sagte Lagarde. „Gleichzeitig bleibt der zugrunde liegende Preisdruck angesichts der schwachen Nachfrage und der erheblichen Flaute auf den Arbeits- und Gütermärkten gedämpft.“ (Reuters)
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