Geldpolitik / EZB hält trotz hoher Inflation an Nullzins fest
Europas Währungshüter behalten trotz weiterhin hoher Teuerungsraten ihren ultralockeren geldpolitischen Kurs bei. Eine Zinswende in der Eurozone bleibt vorerst aus.
Die Europäische Zentralbank (EZB) beließ den geldpolitischen Schlüsselsatz am Donnerstag auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Zugleich müssen Finanzinstitute weiterhin Strafzinsen berappen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken. Der dafür gültige sogenannten Einlagesatz bleibt bei minus 0,5 Prozent. Die Währungshüter halten sich jedoch weiterhin die Tür für eine künftige Erhöhung offen: Der EZB-Rat steht bereit, „alle seine Instrumente“ bei Bedarf anzupassen. Damit will er sicherstellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei dem EZB-Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert.
Die Notenbank strich dabei zugleich die Passage vom Dezember, wonach sie bereit sei, diese Werkzeuge „in jede Richtung anzupassen“. Offenbar ein Fingerzeig, dass zumindest an eine weitere Zins-Senkung vorerst nicht zu denken ist.
Im Januar war die Teuerungsrate im Euroraum mit 5,1 Prozent überraschend gestiegen. Die EZB gerät damit in Erklärungsnöte, da sie laut ihrer Prognose vom Dezember mit einem schrittweisen Abklingen des Preisdrucks rechnet. Damit entfernt sich die Rate immer weiter vom mittelfristigen EZB-Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent. Angeheizt wird die Inflation durch die Energiepreise – insbesondere auch bei Gas. Auch spielen bei dem derzeit hohen Preisdruck Störungen der Lieferketten eine Rolle, die sich aus der Pandemie ergeben haben.
Die zuletzt sprunghaft gestiegene Teuerungsrate in der Euro-Zone wird aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor allem kurzfristig noch hoch bleiben. „Die Inflation wird wahrscheinlich noch länger als bisher gedacht erhöht bleiben, aber sich abschwächen im Laufe dieses Jahres“, sagte die Französin am Donnerstag in Frankfurt. Die hohen Energiepreise erwiesen sich als hartnäckig. Aber auch die Lebensmittelpreise kletterten deutlich.
Bislang gehen die Währungshüter davon aus, dass sich die Inflation im Euroraum im Jahresverlauf deutlich abschwächen wird. Ihre Ökonomen prognostizierten zuletzt, dass die durchschnittliche Rate dieses Jahr bei 3,2 Prozent liegen wird. Für 2023 und 2024 werden jeweils 1,8 Prozent erwartet. Neue Projektionen der EZB-Volkswirte werden erst wieder zur Sitzung im März erwartet.
„Geldpolitik wirkt wie aus der Zeit gefallen“
„Die Zinspolitik und Wertpapierkäufe der EZB wirken inzwischen wie aus der Zeit gefallen“, sagte Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW. „Europas Zentralbank betreibt im Grunde immer noch eine Politik der Deflationsbekämpfung, obwohl Europa den stärksten Inflationsschub seit Einführung des Euro erlebt und auch die Inflationserwartungen klettern. Der EZB-Rat riskiert inzwischen, die Reputation dieser Institution ernsthaft zu beschädigen. Immer mehr Beobachter der Geldpolitik fragen sich, ob die EZB wirklich noch der Preisstabilität oberste Priorität einräumt. Mit dem rigiden Festhalten an einem extrem lockeren Kurs trotz einer überraschend hartnäckig hohen Inflation wächst der Verdacht, dass eine Mehrheit im EZB-Rat inzwischen von ganz anderen Zielen wie etwa der leichten Finanzierbarkeit hoher Staatsdefizite getrieben wird.“
Die Notenbank in London legt derweil, wenige Wochen nach ihrer Zinswende, weiter nach. Sie erhöhte den geldpolitischen Schlüsselzins am Donnerstag um einen Viertelpunkt auf 0,5 Prozent. Von Reuters befragte Experten hatten damit gerechnet. Die Notenbank deutete eine mögliche weitere Straffung der Geldpolitik an. Sie hält es für möglich, dass die Inflation bald über die Marke von sieben Prozent hinausschießen könnte. Die Bank of England hatte im Dezember als erste der großen Zentralbanken seit Beginn der Pandemie den Zins angehoben – und zwar von 0,1 auf 0,25 Prozent. Die Währungshüter kündigten zudem an, dass sie damit beginnen werden, ihr 895 Milliarden Pfund schweres Anleihenkaufprogramm abzuschmelzen.
Auch die US-Notenbank Fed hat mittlerweile umgesteuert. Sie hat für März eine Zinswende signalisiert, der mehrere weitere Schritte nach oben im Jahresverlauf folgen dürften. Am Geldmarkt wird nun bereits bis zum Sommer auf eine leichte Anhebung des Einlagesatzes im Euroraum gesetzt. „Die Finanzmärkte sehen die EZB unter Zugzwang und bezweifeln, dass am gegenwärtigen Kurs festgehalten werden kann“, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Gerade diese Diskrepanz zwischen Markterwartungen und offizieller Kommunikation dürfte seiner Ansicht nach zusätzlich für Unruhe unter den europäischen Währungshütern sorgen.
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