Märkte / Rohstoff-Preissprünge schüren bei Anlegern Rezessionsangst
Die Angst vor Lieferengpässen wegen des Krieges in der Ukraine heizt die Preisrally bei Metallen und Energie noch weiter an.
Die Diskussion um ein Verbot russischer Energie-Lieferungen trieb den europäischen Erdgaspreis am Montag auf ein Rekordhoch. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee setzte zum Sprung über die bisherige Bestmarke von 2008 an. Im Gegenzug steuerten Dax und EuroStoxx50 mit Kursverlusten von jeweils etwa fünf Prozent auf 12.439 beziehungsweise 3.387 Punkte auf den größten Tagesverlust seit dem Börsen-Crash vom März 2020 zu. Auch der Luxemburger Börsenindex LuxX lag bis gegen Mittagszeit um etwa 2,6 Prozent im Minus.
Bei einem Embargo russischer Energielieferungen, wie es derzeit diskutiert werde, müssten sich Verbraucher auf dauerhaft höhere Preisen einstellen, prognostizierte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Dies würde den Konsum und das Wirtschaftswachstum empfindlich treffen. Eine Rezession bei gleichzeitig hoher Inflation entwickele sich damit mehr und mehr zum Basisszenario.
Eine rasche Erholung von Konjunktur und Börse sei anders als bei der durch den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ausgelösten Talfahrt nicht in Sicht, warnte Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets. „Die Notenbanken fallen als Unterstützung weg, im besten Fall halten sie die Füße still, statt wie angekündigt die Zinsen zu erhöhen.“
Palladium teuer wie nie – Rekord-Preissprung bei Nickel
Wegen der Embargo-Diskussion steuerte der europäische Erdgas-Future mit einem Plus von 63,4 Prozent auf den größten Tagesgewinn seiner Geschichte zu und notierte mit 335 Euro je Megawattstunde so hoch wie nie. Der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee sprang um knapp 20 Prozent nach oben und erreichte mit 139,13 Dollar je Barrel (159 Liter) ein 13-1/2-Jahres-Hoch. „Bei einer Sanktion sämtlicher russischer Energie-Exporte würde mich ein Brent-Preis von mehr als 200 Dollar nicht überraschen“, sagte Volkswirt Howie Lee von der Bank OCBC.
Bei anderen Rohstoffen seien ebenfalls panikartige Käufe zu beobachten, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. So stieg der Preis für Palladium zeitweise um fast 15 Prozent auf ein Rekordhoch von 3.440,76 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) und stand vor dem drittgrößten Tagesgewinn seiner Geschichte. Russland ist der größte Exporteur dieses für Autokatalysatoren benötigten Edelmetalls. Vor diesem Hintergrund brach der europäische Index der Fahrzeug-Branche um bis zu 7,5 Prozent ein, so stark wie zuletzt vor zwei Jahren.
Parallel dazu verbuchte das bei der Stahl-Herstellung eingesetzte Nickel einen Rekord-Kurssprung von fast 31 Prozent und notierte mit 37.800 Dollar je Tonne so hoch wie zuletzt vor fast 15 Jahren. „Das Angebot war ohnehin schon knapp“, sagte Kunal Sawhney, Chef des Research-Hauses Kalkine. „Wenn ein großer Lieferant ausfällt, löst das einen Kaskadeneffekt aus.“
Euro kostet erstmals seit 2015 weniger als einen Franken
Zu den Nutznießern der rasant steigenden Rohstoffpreise gehörten die europäischen Öl- und Gasförderer sowie die Bergbaufirmen. Die beiden Branchen-Indizes gewannen in der Spitze jeweils mehr als 3,5 Prozent. Gefragt blieben auch Rüstungswerte, da ihnen durch die geplante Aufstockung der Wehretats vieler westlicher Staaten glänzende Geschäfte winken. Die Aktien des Herstellers von „Leopard 2“-Panzern Rheinmetall und des Rüstungselektronik-Anbieters Hensoldt stiegen um bis zu 9,3 Prozent.
Aus Furcht vor enttäuschenden Geschäften bei einer Rezession im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg werfen Anleger Finanzwerte in hohem Bogen aus ihren Depots. Der Index für die Banken der Euro-Zone fällt um fast zehn Prozent, so stark wie zuletzt beim Börsen-Crash vom März 2020. Besonders hart trifft es Institute mit einem großen Russland-Engagement. Die Titel der Raiffeisen Bank, der Société Générale (SocGen) und der HypoVereinsbank-Mutter Unicredit verbuchen jeweils zweistellige prozentuale Kursverluste.
Während der Moskauer Aktienmarkt erneut geschlossen blieb, ging die Talfahrt der russischen Währung weiter. Im Gegenzug stieg der Dollar zeitweise um 8,6 Prozent auf ein Rekordhoch von 131,50 Rubel.
Unter Druck geriet auch der Euro, der um bis zu ein Prozent auf ein Zwei-Jahres-Tief von 1,082 Dollar fiel. „Die kreuz und quer durch die Ukraine verlaufenden Gas-Pipelines sind ein Sinnbild dafür, wie abhängig Europa von russischen Energielieferungen ist“, sagt Finanzmarkt-Experte Sean Callow von der Westpac Bank. Da sich dies nicht von heute auf morgen ändern lasse, trübten sich die Konjunkturaussichten für Europa ein. Zudem plant die US-Notenbank Fed gegen die höhere Inflation vorzugehen, währen die Euro-Währungshüter überaus zögerlich sind.
Die Flucht in „sichere Häfen“ drückte den Euro zudem erstmals seit sieben Jahren unter die Parität zum Schweizer Franken. Die „Krisen-Währung“ Gold war ebenfalls gefragt. Ihr Preis stieg um bis zu 1,6 Prozent auf ein Einhalb-Jahres-Hoch von 2000,69 Dollar je Feinunze.
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