Kommentar / Parteien und Zivilgesellschaft: ein wechselseitiges Verhältnis
Nie sind Parteien präsenter in der Gesellschaft als bei Wahlen. Im Wahlkampf laufen sie auf Hochtouren und mobilisieren ihre Anhänger. An den Wahlabenden jubeln die einen und jammern die andern – oder reden ihre Ergebnisse schön. Danach werden Koalitionen geschmiedet oder Wunden geleckt.
Wenn in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder von einer Krise der Parteiendemokratie die Rede war, dann wurde dies häufig mit der vermeintlichen Politikverdrossenheit der Bürger, der schwindenden Identifikation mit Parteien, dem Ende der Volksparteien oder der Fragmentierung der Parteienlandschaft begründet. Dabei stellen Krisen oft auch Chancen dar – und nicht selten den Anfang eines Wandlungsprozesses.
Denn Parteien verändern sich im Laufe ihrer Geschichte und folgen in dem für sie besten Fall der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Soziologe Helmut Klages hat sie „Input-Agenturen der Bevölkerung“ genannt. Die Politik ist ein Abbild der Gesellschaft und die Personalisierung der Politik ein Ausdruck der gesellschaftlichen Individualisierungstendenzen.
Festzustellen ist außerdem, dass die Zivilgesellschaft ein Impulsgeber für die Parteien ist. Diese Woche haben mehrere Nichtregierungsorganisationen dazu aufgerufen, dass sich die Wähler bei ihrer Stimmabgabe an Inhalten und nicht an Köpfen orientieren sollen. Vor dem Parlament stellten sie ihre „Wahlprüfsteine“ vor. Schon in den vergangenen Wochen haben sie ihre Forderungen und Wünsche für die kommende Legislaturperiode geäußert.
Am vergangenen Wochenende brachten zudem mehrere Hundert Bürger ihren Ärger über die Zustände im hauptstädtischen Bahnhofsviertel zum Ausdruck. Auch sie sind Teil der Zivilgesellschaft, einer Gesellschaft aktiver Bürger und zugleich einer pluralistischen „Konfliktgesellschaft“ konkurrierender Interessen, meint der Politologe Wolfgang Merkel. Daher war es seitens der Demonstranten richtig zu betonen, dass sie keiner Partei gehören. Denn die Gefahr, von rechtspopulistischen Bewegungen instrumentalisiert zu werden, ist groß. Letztere bilden nicht zuletzt die „dunkle Seite“ der Zivilgesellschaft.
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