Kommentar / Anstatt Fluchtursachen werden Flüchtende bekämpft
Aus migrationspolitischer Sicht bedeutet das zu Ende gehende Jahr ein besonders trauriges Kapitel in der Geschichte der Europäischen Union. Zwar war eine Reform des europäischen Asylsystems dringend notwendig und längst überfällig. Denn an der Uneinigkeit drohte die Union zu zerbrechen. Was aber die Unterhändler des Europaparlaments, der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission kurz vor Weihnachten beschlossen haben, ist ein massiver Eingriff in das Asylrecht und ein schwerer Schlag gegen den Flüchtlingsschutz. Die Zeichen in Europa stehen auf Abschottung.
So ist zum Beispiel geplant, dass ein Teil der Schutzsuchenden beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen durchlaufen sollen. Für die Unterbringungen sind dort geschlossene Lager vorgesehen. Wer keine Aussicht auf eine Aufnahme hat und abgelehnt wird, soll an der Weiterreise gehindert und in sein sogenanntes sicheres Herkunftsland abgeschoben werden, wer aus einem „sicheren Drittstaat“ einreist, ohne Asylverfahren dorthin zurückgebracht werden. Familien mit Kindern sind davon nicht ausgenommen. In dieser Hinsicht zog das Europaparlament den Kürzeren. Immerhin will die EU unbegleiteten Minderjährigen mit einer besonderen Betreuung helfen. Vor allem Staaten mit hohem „Migrationsdruck“ wie Italien oder Griechenland hatten harte Regeln gefordert und die mitteleuropäischen Visegrád-Staaten sich mit ihrer Forderung nach einer Krisenverordnung durchgesetzt, wenn Migranten wie etwa von der Türkei, Russland oder Belarus „instrumentalisiert“ werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einer „historischen Einigung“. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Beschluss mit den Worten: „Damit begrenzen wir die irreguläre Migration und entlasten die Staaten, die besonders stark betroffen sind – auch Deutschland.“ Wer behauptet, die humanitären Standards an den Außengrenzen könnten damit erhöht werden, verdreht jedoch die Tatsachen. Nicht zu vergessen sind die ominösen, oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit zustande gekommenen Deals mit Tunesien und anderen Staaten, die häufig mit Zugeständnissen an autoritäre Herrscher einhergehen. Derweil hat auch das Europaparlament seine menschenrechtliche Position weitgehend aufgegeben. Amnesty International schreibt von einem „menschenrechtlichen Dammbruch“. Der Beschluss mache die Rechtlosigkeit an den Außengrenzen zur Norm.
Menschen, die vor Krieg, Folter und Hunger fliehen, würden monatelang in Lagern inhaftiert. Wer glaubt, mit dem Beschluss vom Mittwoch vergangener Woche könne die EU den Rechtspopulismus und -extremismus in Europa stoppen, ist sich der Gefahr dieses politischen Handelns nicht bewusst. Denn Brüssel übernimmt damit die Politik der Rechten. Wer die Verhaltensmuster der Rechtspopulisten kennt, weiß: Sie werden es bei den nun erfüllten Forderungen nicht belassen. Der Berliner Migrationsforscher Marcus Engler schrieb unlängst: „Ob mit oder ohne Einigung über eine gemeinsame europäische Asylpolitik werden rechtspopulistische Kräfte das Thema Migration auch in Zukunft eskalieren.“
Von einem „Solidaritätsmechanismus“ ist die Rede: Wenn ein Staat etwa keine Migranten aufnehmen möchte, kann er sich freikaufen, indem er 20.000 Euro pro Person als Kompensation in die EU-Kasse bezahlt. Doch ob die Reform wirklich mehr Solidarität bringt, bleibt fraglich. Die insgesamt fünf Verordnungen treten erst 24 Monate nach der ausstehenden Verabschiedung in Kraft. Sie bedeuten jedenfalls eine massive Verschärfung des Asylrechts. Historisch ist die Reform in der Tat: Sie sind nämlich ein historischer Kniefall vor dem Rechtspopulismus. Und ein weiterer Baustein für die „Festung Europa“ oder, wie Marcus Engler es ausdrückt: „Die Stärkung des Außengrenzschutzes ist zum Minimalkonsens in der europäischen Asylpolitik geworden.“ Asylpolitik wird zu reiner „Flüchtlingsabwehr“. Die Risiken für die Schutzsuchenden auf ihrem gefährlichen Weg über die Meere oder zu Land werden steigen. Anstatt die Fluchtursachen zu bekämpfen, werden die Flüchtenden bekämpft.
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An der Politik, wei‘ och an der Medezinn an villen aaner Gebidder ginn nemmen d’Sympthomer bekaempft.
Ursaachen, waat ass daat fir dei‘ ??
Fluchtursachen? die eigenen Machthaber, Überbevölkerung, ethnische Konflikte,.. wie soll man denn diese Fluchtursachen bekämpfen?
Die Fluchtursachen sind eher die unheilige Allianz zwischen Schleusern und der privaten Seenotrettung . Schleuser verdienen an einem Fluechtling bis zu 5000 US Dollar ,es sind also nicht die ganz Armen die es bis bei uns schaffen .Die Zeche bezahlt die Classe Populaire ( der sogenannte kleine Mann ) und nicht der vwolmeinende Bourgeois und deshalb ist die Welle der Rechten wohl nicht mehr zu stoppen , ausser in Daenemark dass von Sozialdemokraten regiert wird ,die die Lage ohne falsche Sentimentalitaet richtig erkannt haben .
Die Fluchtursachen müssen in den jeweiligen Ländern bekämpft werden. Für diese keinen Euro aus dem Staatssäckel. Bekämpfen wir lieber die Arbeitslosigkeit der jungen Leute in Luxemburg.
@jung.lu.lux
Wenn Sie die Arbeitslosigkeit in Luxi bekämpfen wollen, wenden Sie sich doch bitte an die Firmen Ihrer Parteiklientell. Oder stellen diese eventuell lieber billige ausländische Kräfte ein, zwecks Gewinnmaximierung?
Sie sehen, es ist hier wie überall, nur die Rendite zählt.
„sicheren Drittstaat“ – „Migrationsdruck“ – „instrumentalisiert“ – „menschenrechtlichen Dammbruch“ – „Solidaritätsmechanismus“ – „Festung Europa“ – „Flüchtlingsabwehr“… markige Worte die der Schreiber hier gebraucht.
Leider wird mit keinem Wort erwähnt vor was schon vor Jahren Jean-Claude Juncker als ehemaliger Präsident der Eurogruppe und der Europäischen Kommission gewarnt hat, „Bevor wir die Innengrenzen aufheben, müssen erst alle Aussengrenzen befestigt werden!“
Nur ist es nie dazu gekommen, und Nachfolgerin Ursula von der Leyens Prioritäten sind es auch nicht… ganz im Gegenteil… siehe rezente Aufhebung der Grenzkontrollen zu Rumänien und Bulgarien. Das wird die Saugwirkung der Stamm-EU verstärken und somit auch die Flüchtlingsprobleme.
Würde von der Leyen bei den diesjährigen Europawahlen ausscheiden, käme der nächste (einfache) Kommissarsjob laut Koalitionsabkommen der Ampelregierung den Grünen zu. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe sich damit einverstanden erklärt, heißt es.
Das würde die Flüchtlingsproblematik erst recht verstärken!