Kommentar / Der lange Weg der Demokratie: Südafrika nach der Wahl
Zu demokratischen Wahlen gehört nicht zuletzt, dass man sie verlieren kann. Nach der Parlamentswahl in Südafrika wird von einer „historischen“ Wahlniederlage des African National Congress (ANC) und von einer politischen Wende gesprochen. In der Tat hat die ehemalige Befreiungsbewegung mit 40,2 Prozent der Stimmen erstmals seit den ersten allgemeinen und freien Wahlen im April 1994, die damals das Ende der Apartheid markierten, die absolute Mehrheit verloren. Bei dem Urnengang 2019 hatte der ANC noch 57,5 Prozent erhalten. Damit wurde er nicht zuletzt für das abgestraft, was ihm nicht gelungen ist: die eklatante soziale Ungleichheit sowie die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit und die anhaltend hohe Kriminalität erfolgreich zu bekämpfen. Vor allem aber gilt der ANC heute für viele Südafrikaner als Synonym für ein korruptes Regime.
Die Partei der früheren Staatspräsidenten Nelson Mandela, Thabo Mbeki und Jacob Zuma sowie des Amtsinhabers Cyril Ramaphosa dürfte mit der Wahlschlappe nach 30 Jahren an der Macht auch ein Stück ihres Selbstverständnisses eingebüßt haben, die unangefochtene Macht im Staat zu sein. Nun obliegt es dem ANC, einen Koalitionspartner zu finden. Das wäre nicht weniger demokratisch als etwa ein Regierungswechsel. Allerdings verharrt die stärkste Oppositionspartei, die liberale Democratic Alliance (DA), bei 21,8 Prozent, nur wenig mehr als 2019. Die Partei scheint sowohl für eine Koalition mit Ramaphosa als auch für die Tolerierung einer ANC-Minderheitsregierung offen zu sein. Dafür müsste sich der ANC jedoch mehr zur politischen Mitte hinbewegen.
Der große Gewinner der Wahl ist sicherlich Jacob Zuma. Der skandalumwitterte Ex-Präsident und ehemalige ANC-Chef wurde 2018 aus dem Amt gedrängt, nachdem er durch den „State Capture“-Korruptionsskandal, die systematische Unterwanderung und Beraubung des Staates, diesen zu einem Selbstbedienungsladen gemacht hatte. Nun erreichte er mit seiner neu gegründeten Partei uMkhonto we Sizwe (MK) aus dem Stand 14,5 Prozent, gefolgt von den marxistisch geprägten Economic Freedom Fighters (EFF) mit 9,5 Prozent. Deren Anführer Julius Malema fordert nicht nur eine radikale Bodenreform zugunsten der schwarzen Bevölkerung und die Verstaatlichung von Unternehmen. „Juju“ rief in Hassreden schon zur Ermordung weißer Farmer auf und zur Solidarität mit Wladimir Putin. Für Stabilität und Regierungsfähigkeit dürften weder Zuma noch Malema Garanten sein. „Long Walk to Freedom“ heißt übrigens die vor 30 Jahren erschienene Autobiografie Nelson Mandelas. „Ein langer Weg zur stabilen Demokratie“ könnte der Titel für die jüngere südafrikanische Geschichte lauten.
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