Russland / Fünfte Amtseinführung für Wladimir Putin im Kreml
Bei seiner Amtseinführung im Kreml schwört Wladimir Putin sein Volk auf seinen Kriegskurs ein. Der „erste Platz“ sei immer das Vaterland, sagt er bei der pompösen Zeremonie. Russlands Patriarch Kirill segnet den 71-Jährigen für „eine Herrschaft bis zum Ende des Jahrhunderts“.
Es ist das Wetter, das die Hauptrolle an diesem Tag des Prunks spielt. Das liefert, was die goldenen Lüster und die marmornen Säle in der russischen Herrschaftsfestung zu übertünchen versuchen. Es schneit in Moskau, als Wladimir Putin sich in seinem blank polierten schwarzen Aurus in den Großen Kremlpalast kutschieren lässt. Die inszenierte Feierlichkeit des alten und neuen Präsidenten versinkt geradezu in der depressiven Stimmung über der Stadt, die Minusgrade – es sei der kälteste 7. Mai seit einem Vierteljahrhundert, sagt der russische Wetterdienst – spiegeln die Hoffnungslosigkeit und den politischen Frost wider, die das Land in den kommenden sechs Jahren erwartet, auch wenn es sich und seine Helden lautstark besingt.
So steht Putin am Treppenende des Palastes, der Schneeregen prasselt auf seine Schultern, neben ihm das Rednerpult mit den nassen Mikrofonen, vor ihm stramm die Präsidentengarde. Die Kamera, die die Bilder der Inauguration einfängt, es ist seine mittlerweile fünfte, zeigt einen Präsidenten, der allein da steht, entfremdet vom Land und seinen Menschen, gefangen in seinem Wahn von Russlands Größe, in seinen unversöhnlichen Gelüsten, es der ganzen Welt zu zeigen. Und wenn es sein muss, dann eben mit Atomwaffen, wie er auch am Vortag der Amtseinführung wieder gedroht hatte. Eine Welt ohne Russland sei für den 71-Jährigen keine Welt, erklärt er immer wieder. Dem Dialog mit dem Westen sei er natürlich nicht abgeneigt, sagt er auch an diesem kalten Dienstag, „aber ohne ihre Überheblichkeit und Wichtigtuerei“. Der Westen habe die Wahl: „Will er die Aggression fortsetzen oder doch nach einem Weg der Zusammenarbeit suchen?“
Die pompöse Zeremonie lässt Putin fast schon geschäftsmäßig über sich ergehen. Lange Kamerafahrten begleiten ihn von seinem Arbeitszimmer, wo er noch schnell einen Blick in seine Dokumente wirft und sein Jackett zuknöpft, in den Heldensaal des Heiligen Georgs, durch den Alexandersaal bis in den Thronsaal des Kremls hinein. Hier legt er vor mehr als 2.600 Zuschauern – Politikern, Geschäftsleuten, Künstlern, Soldaten seiner „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine und den Kindern der gefallenen „Helden“ – seine rechte Hand auf die russische Verfassung und schwört, „die Menschenrechte und die Freiheiten jedes Bürgers zu achten und zu schützen, die Verfassung der Russischen Föderation zu verteidigen und die Souveränität und die Unabhängigkeit des Staates zu wahren“. Derweil werden Tausende Russinnen und Russen wegen ihrer Kritik an der Regierung und der Armee verklagt, sitzen Dutzende Politgefangene in russischen Strafkolonien ein, werden etliche wegen „Extremismus“ verfolgt. Die Verfassung hatte Putin 2020 auf verfassungswidrige Weise umschreiben lassen, sodass er sich bis an sein Lebensende wiederwählen lassen kann. 87 Prozent brachte ihm die letzte „Wahl“ im März ein, „Towarischtsch Präsident“, wie er anknüpfend an sowjetische Traditionen im Kreml genannt wird, sieht in dieser Bestätigung die „Richtigkeit“ seines Kurses.
„Herrschaft bis zum Ende des Jahrhunderts“
In seiner achtminütigen Rede nach dem Eid spricht er gewohnt von „traditionellen Werten“, „Volkserhaltung“ und der „Einzigartigkeit Russlands“. „Auf den ersten Platz müssen wir immer unsere Heimat stellen“, sagt er. Der Kreml vereinnahmt mittlerweile jeden Einzelnen für den Erhalt seines Status quo. Putin stellt an die Menschen neue Ansprüche, fordert nicht mehr nur die schweigende Zustimmung, sondern macht sie zu Komplizen seines Regimes: Sie sollen für die von den Machthabern ausgemachten Helden jubeln, sollen an den russischen Sieg glauben, bei den Propagandashows marschieren. „Alle zusammen werden wir siegen“, ist seine Losung. Zur „neuen Elite“ im Land sollen die werden, die sich an der Front und in den Militärfabriken fürs Vaterland aufopfern, das ist Putins Ziel.
Dafür lässt er sich vom höchsten Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche segnen. „Hoheit“, nennt ihn Patriarch Kirill in der Mariä-Verkündigungskathedrale im Kreml. Wie die früheren Zaren. Er vergleicht ihn mit Alexander Newski, Russlands sagenumwobenen Nationalhelden und Heiligen der Kirche, der als Fürst von Nowgorod im 13. Jahrhundert mehrere legendäre Schlachten gewann. Das Protokoll räumt dem Ritual in der Kirche dieses Mal erstaunlich viel Platz ein. Putin wird nicht mit heiligem Öl bestrichen, mit Worten aber gesalbt: Kirill wünscht ihm eine „Herrschaft bis zum Ende des Jahrhunderts“.
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