Der Wahlflüsterer / Schöne Bescherung
In der Stadt steht der Baum, in Esch hängt die Christbeleuchtung. „Ja, ist denn heut’ schon Weihnachten?“, fragt sich der Wahlflüsterer. Und wenn ja, wird es unter der neoliberalen Regierung eine Bescherung geben?
Abwarten, erst einmal stehen die Gräber an. Bei Sauwetter, wie sich das in Luxemburg gehört. Als wenn das nicht schon deprimierend genug wäre, blickt der Flüsterer auf diese Woche zurück. 45 Abgeordnete wurden am Dienstag vereidigt. Erstmals mussten sie dabei nicht ihre Treue zu Henri von Nassau beschwören. Niemand begehrte an diesem feierlichen Tag dagegen auf, sogar die fünf Mitglieder des rechtspopulistischen Lagers nicht.
Der Rechteste aller Rechten in der Chamber allerdings hörte genau hin und fand heraus, dass man im Ösling scheinbar eine stramm patriotische Gesinnung pflegt, da 90% der Nord-Deputierten den Eid in Moselfränkisch ablegten und nicht auf Galloromanisch. Dazu passt, dass acht von zehn Gemeinden, in denen die frühere Rentenpartei bei den Landeswahlen die größten Gewinne einfahren konnte, im Norden liegen. Enttäuscht zeigte sich der Rechteste aller Rechten in seinem Facebook-Post derweil vom Osten. In der Tat schworen lediglich 40% der dortigen Volksvertreter auf Lëtzeboiesch. Das, obwohl es von dort am wenigsten weit ist bis heim ins Reich von AFD und NPD, die übrigens inzwischen „Die Heimat“ heißt.
Schluss mit den düsteren Gedanken, sagt sich der Wahlflüsterer, es reicht jetzt. Ist ja auch alles andere als lustig. Vielleicht sogar gefährlich. Und den Menschen im Norden und Osten will er auch nichts Böses unterstellen, im Gegenteil. Eine schöne Bescherung ist es aber ganz bestimmt, dass so was jetzt im Abgeordnetenhaus sitzt. Eine schöne Bescherung. Im umgangssprachlichen Sinne, wohlgemerkt. Als ironischer Ausdruck des verärgerten Erstauntseins, wie das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache die Redewendung definiert. (Philip Michel)
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