Deutschland / Streit um Wahltermin: Jetzt ist der Bundespräsident gefragt
Sie streiten und streiten und streiten. Um die Frage des Datums einer Vertrauensfrage. Um Neuwahlen. Nächste Woche schon, oder erst Mitte Januar? Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zunächst „spätestens bis Ende März“ Neuwahlen angekündigt, wollte die Vertrauensfrage im Januar stellen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) spricht sich hingegen schon für einen Wahltermin am 19. Januar aus. Ein Neuwahltermin hängt vom Zeitpunkt der Vertrauensfrage ab, gemäß Artikel 39 muss der Bundestag nach Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.
Die Union hat sich auf den Kanzler eingeschossen, die SPD reagiert gereizt, um Inhalte geht es in der Diskussion schon lange nicht mehr. Die Bundeswahlleiterin wird verunglimpft, weil sie auf die Schwierigkeiten einer überstürzten Wahl hinweist. Angesichts einer nahenden Bundestagswahl ist das Niveau der Debatte traurig.
Es sind in den vergangenen nervenzehrenden Tagen strategische Fehler auf beiden Seiten gemacht worden. Der Kanzler hätte im ersten Statement nach dem Scheitern der Ampel-Koalition kein Datum für die Vertrauensfrage nennen sollen. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hätte wiederum am Tag danach erst mal das Gespräch mit dem Kanzler abwarten sollen, bevor er eine „sofortige“ Vertrauensfrage nach einer Fraktionssitzung öffentlich fordert. Beide hätten das Gespräch miteinander zuerst suchen sollen. Jetzt ist die Diskussion derart vergiftet, dass es nur noch um Gesicht wahren geht. Ein Vorgriff auf den heftigen Wahlkampf in den nächsten Wochen. Doch es geht um die Verfassung und die Demokratie.
Deswegen muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier jetzt eingreifen und vermitteln. Allein das Staatsoberhaupt hat die Autorität dazu. Alleine scheinen es die Kontrahenten jedenfalls nicht mehr hinzubekommen.
Wie wäre denn etwa der Kompromiss, dass Scholz vor Weihnachten die Vertrauensfrage stellt, nach den Feiertagen löst Steinmeier den Bundestag auf und es kommt dann im Zeitraum von Mitte Februar bis Anfang März zu Wahlen? Was spricht dagegen? Die Bürger hätten dann auch die Chance, zu erfahren, wie die verschiedenen Parteien mit ihren Spitzenkandidaten eigentlich die Probleme des Landes wieder in den Griff bekommen wollen. Noch liegt kein Wahlprogramm vor, nirgends.
Führung und Verantwortung zu zeigen, gehört auch zu jemandem, der Kanzler bleiben beziehungsweise werden will. Das wollen sie beide, Scholz und Merz. Sie sollten sich so verhalten und diesen Streit würdig zu Ende bringen. Vielleicht kann ein Tee im Schloss Bellevue dazu beitragen. Es wäre der politischen Kultur in diesem Land zu wünschen.
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