/ Scham überwinden: Illettrismus zur Sprache bringen
Die Ursachen, warum erwachsene Menschen Defizite beim Lesen und Schreiben haben, sind komplex. Oft schämen sich die Betroffenen, ihre Schwäche zuzugeben, und schlagen sich mit vielen Umwegen, Vorwänden und Abwehrmechanismen durchs Leben. Sogar das eigene Umfeld weiß oft nicht von den Problemen.
Die Digitalisierung macht das Leben von funktionalen Analphabeten nicht einfacher: Vieles von der digitalen Welt scheint für die Betroffenen unerreichbar. Erst bei genauerem Nachdenken wird einem bewusst, wie viel Raum das Lesen im Alltag einnimmt: E-Mails, SMS und Messages verlangen nach Aufmerksamkeit. Die Wege der Kommunikation verlaufen häufig nicht über das gesprochene, sondern über das geschriebene Wort. Viele der Betroffenen haben ihre Schulzeit in schlechter Erinnerung. Oft werden sie von regelrechten Ängsten geplagt, wenn sie nach langer Zeit wieder die Schulbank drücken.
Dem Luxemburger Bildungssystem kann nicht alleine die Schuld dafür gegeben werden, dass sich so mancher Analphabet unentdeckt durch die Schuljahre quält. Die Situation in Deutschland sieht schließlich ähnlich aus.
Es müsste jedoch verstärkt aufgeklärt werden. Ein offener Diskurs darüber, dass funktionaler Analphabetismus in Luxemburg existiert, würde schon helfen, damit sich die Betroffenen nicht mehr so alleingelassen fühlen.
Ee Mënsch den Defiziter beim liesen an schreiwen huet, ass ee Mënsch! Als Legislathiker schreiwen schreiwen ech all Dag et puer Artikelen fir mäi Blogg, schreiwe Bicher, Gedichter, asw. Mat de Hëllef vum Spellchecker lu. ass dat Haut méiglech. Keen Mënsch dee Problemer huet mam liesen an mam schreiwen brauch sech net ze schummen.
Dës Mënschen si ganz oft ganz Kreativ. Analyséieren ganz schnell Problemer an hirem Ëmfeld. Si sinn Intelligent an hunn een Intellekt, wat vill leit déi liesen an Feeler fräi schreiwen kënnen net hunn. Den Illettrismus, wat ee komplizéiert Wuert fir Illettristen.
Madamm trotzdeem een schéine Sonndeg.
„Die Digitalisierung macht das Leben von funktionalen Analphabeten nicht einfacher: “ Naja. Manchmal macht sie es auch einfacher Immerhin kann man heute mit Emojis ganze Diskussionen führen. An einzelnen Bankautomaten kann man sogar ohne Lesekenntnisse Geld aufheben. Einfach den gewünschten Geldschein (20, 50 EUR) auswählen und solange auf das +Zeichen tippen bis der angezeigte Geldstapel einem gross genug erscheint …
Wenn man sich mit einer Lese- und/oder Schreibschwäche unentdeckt durch das Bildungssystem quälen kann, spricht das allerdings auch nicht gerade für dieses System.
Dem Luxemburger Bildungssystem kann nicht alleine die Schuld dafür gegeben werden, dass sich so mancher Analphabet unentdeckt durch die Schuljahre quält
Sicher spielen mehrere Faktoren mit. Das Bildungssystem kann mehr machen, damit die Zahl Betroffener zurückgeht. Österreich, Deutschland und die Schweiz haben ähnliche Probleme mit Illettrismus: in den drei Ländern werden Betroffene nicht während 9 Jahren gefördert und gestützt. Ausnahme: Finnland, mit einem selektionsfreien System und 5-7% Betroffene bei Schulende. Schweiz: 15-20% Betroffene bei Schulende, seit Jahrzehnten stabil. Das finnische Schulsystem gibt Hinweise, wie die Zahl reduziert werden kann.