Retro 2021 / Land unter in Luxemburg: Zuerst die Wassermassen, dann die Solidarität
Nach zwei von Hitzewellen geprägten aufeinanderfolgenden Sommern gab es in den warmen Monaten 2021 vor allem eines: Regen. Trauriger Höhepunkt waren dabei Hochwasser sowie Überflutungen nach pausenlosem Starkregen am 14. und 15. Juli. Trotzdem lassen sich daraus Lehren für die kommende Zeit ziehen.
Als ich vor rund vier Jahren bei einer Tageszeitung meine Arbeit als Lokal-Journalistin begann, gab ein erfahrenerer Kollege mir einen Tipp: Ich sollte immer Gummistiefel dabei haben, denn früher oder später würde ich diese bei der Arbeit brauchen. Tatsächlich liegt seitdem stets ein Paar schwarze, wasserdichte Schuhe im Kofferraum meines Autos. Ich wünschte mir, die Stiefel wären in diesem Jahr nicht zum ersten Mal bei der Arbeit zum Einsatz gekommen.
Denn am Donnerstagnachmittag des 15. Juli machte ich mich in Gummistiefeln und Regelmantel bei strömendem Regen auf den Weg zur hauptstädtischen place Dargent. Dort bot sich ein Bild, das es so zuletzt in den 1990er Jahren gegeben hatte: Nach mehr als 48 Stunden andauerndem Starkregen über dem Großherzogtum stand das Wasser dort so hoch, dass ein Durchkommen unmöglich war. Bei zahlreichen geparkten Autos reichte die braune Brühe bis zum Dach, es roch nach Benzin. Der Strom in den umliegenden Häusern funktionierte bereits seit Mittwochabend nicht mehr. Aus ihren Häusern geflüchtete Bewohner wateten knietief durch das Wasser. In anderen Vierteln der Hauptstadt – unter anderem in Grund und Pfaffenthal – war die Lage noch ernster.
Und nicht nur dort: Auf nationaler Ebene wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Rund 6.300 Mal wurde in ganz Luxemburg bereits während oder unmittelbar nach den Unwettern der Notruf 112 gewählt. Mehr als 400 Menschen mussten landesweit aus ihren Häusern gerettet werden – Echternach und Rosport wurden großräumig evakuiert. Unter anderem in Fels, Mersch und dem Müllerthal hatte man mit vollgelaufenen Kellern und großen Schäden zu kämpfen. Auf der Messstation in Godbringen, nördlich von Junglinster, wurden innerhalb von 24 Stunden 105,7 Liter Regen pro Quadratmeter verzeichnet. Ein noch nie dagewesener Wert.
Krisen lassen sich besser gemeinsam bewältigen
Im Gegensatz zu den Nachbarländern forderten die Unwetter im Großherzogtum keine Toten. Viele Luxemburger halfen im Ausland. Und auch innerhalb des Landes war die Solidarität groß: Gemeinden organisierten Unterbringungsmöglichkeiten für Flutopfer, Privatpersonen nahmen Mitmenschen auf. Gemeinsam wurden Keller ausgepumpt, kaputte Möbel auf Container geworfen und eimerweise Schlamm aus Häusern getragen. Spontane Spendenaktionen wurden organisiert. Man half sich, man war füreinander da. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstagabend nach den Geschehnissen – bei der die Regierung ein erstes Hilfspaket von 50 Millionen Euro ankündigte – lobte Premierminister Xavier Bettel die Solidarität der Menschen untereinander.
Es flossen zuerst viele Tränen, dann Schweiß bei dieser Katastrophe. Und doch zeigten die Ereignisse uns allen dieses Jahr doch eines: Wenn Menschen zusammenrücken, nach anderen sehen, solidarisch sind, dann sind sie stärker. Krisen lassen sich einfach besser gemeinsam bewältigen. Das sollte nicht vergessen werden und im kommenden Jahr der leitende Grundsatz für das Handeln von jedem sein.
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