Pressekonferenz / Warum Willy Sagnol seine Spieler aufforderte, ihr „Hirn einzuschalten“
Fernab von jeglicher Ablenkung bereitet sich Willy Sagnol in den georgischen Bergen auf die Mission Europameisterschaft vor. Die „Roten Löwen“ kennt der Franzose laut eigenen Aussagen auswendig, das sei am Ende aber nicht das entscheidende Element in seinem Puzzle.
Als georgischer Nationaltrainer hat Willy Sagnol einen Durchschnitt von 1,52 Punkten pro Spiel – heißt, dass seine Mannschaft bei den 31 Duellen unter dem Franzosen seit März 2021 14-mal als Sieger vom Platz ging. Kommen in den nächsten Tagen zwei Heimerfolge hinzu, würde der ehemalige Bayern-Coach im fußballverrückten Land wohl zum Nationalhelden avancieren.
Denn die Georgier sind nach einer bitteren Play-off-Finalpleite 2021 (Niederlage gegen Nordmazedonien) erfolgshungrig geblieben. Die Favoritenrolle konnte oder wollte der 47-Jährige auch nur halbherzig von sich weisen: „Diese Diskussionen interessieren meist nur die Presse und die Zuschauer, uns Trainer und Spieler aber nicht. Wir wissen, dass, wenn man in Schlüsselmomenten falsche Entscheidungen trifft, dann geht es schief, völlig unabhängig von Favoritenrolle oder nicht.“
Gefühlt ein Dutzend Mal hob Sagnol bei der Pressekonferenz den „Spirit“, also den Geist und die Einstellung, hervor. „Die Spieler sind auf ihre Aufgabe fokussiert. Georgien hat viele Qualitäten und der Kopf ist dabei die Größte. Wir müssen intelligent auftreten“, sagte der Nationaltrainer des Weltranglisten-77. „Es ist klar, dass es ein wichtiges Spiel ist, aber am Ende des Tages ist es auch nur ein weiteres Fußballspiel. Wenn wir mit dem Kopf dabei sind und mit der richtigen Einstellung und Motivation spielen, vergrößert das unsere Chancen.“
„Verantwortlich“
Der Coach, der seine Fragen auf Englisch beantwortete, wusste, dass jedes Wort vor der lokalen Presse genau durchdacht sein müsste. Eine Meute von etwa 50 Journalisten, Kameraleuten und Fotografen wartete mucksmäuschenstill auf die taktischen Ansagen – ohne Erfolg: „Vor seinem Comeback gab es ein paar Gespräche mit Jaba (Kankava). Aufgrund seiner Erfahrung könnte er wichtig für das Team und junge Spieler werden. Das Einzige, was sicher ist: Kvaratshkhelia wird nicht auf dem Platz stehen. Von der Aufstellung erfährt niemand etwas, bevor es der Luxemburger Coach auch tut.“ Also mindestens eine Stunde vor dem Anpfiff im Boris-Paitschadse-Stadion, wenn die UEFA die Startelf bekanntgeben wird.
Genau wie es die Luxemburger Trainer im Vorfeld erklärt hatten, sind auch die Georgier ihrer Linie bei der Match-Vorbereitung treu geblieben: „Selbst wenn es ein besonderes Duell ist, sollte man die Routinen nicht verändern“, sagte Sagnol. Dieser hatte Mittelfeldspieler Otar Kiteishvili neben sich: „Wir fühlen uns verantwortlich. Je näher die Spiele rücken, desto größer wird der Druck, aber wir versuchen, auf dieses spezielle Treffen vorbereitet zu sein.“
Der Coach zeigte sich glücklich darüber, keine kurzfristigen Ausfälle beklagen zu müssen: „Ich bin wirklich zufrieden mit meinem Kader. Vor solchen Spielen hat man als Coach nur einen Wunsch, dass sich niemand verletzt. Wir hatten Glück, obschon einige wie Mikataudze zuletzt sehr viel Spielzeit hatten.“
Nur kurz ging der Franzose dann auf den Gegner ein: Inzwischen würde er die „Roten Löwen“ auswendig kennen, zumindest alles, was man über die letzten 12 Monaten wissen müsste. „Der größte Fehler wäre, sie zu unterschätzen“, warnte Sagnol. „Wichtiger, als ihre Spielweise zu kennen, ist allerdings, dass wir von unserer Seite aus unser Bestes geben. Ich weiß, dass die Spieler bereit sind. Wir müssen unser Spiel kontrollieren. Es braucht eigentlich nicht mehr viele Worte, sondern nur Konzentration, Attitüde und Fokus.“
Auch er selbst müsse diese Vorgaben an den Tag legen: „Natürlich bin ich aufgeregt, wie die Spieler auch. Aber ich kann nicht von ihnen verlangen, sich zu konzentrieren, während ich wild herumspringe. Das geht nicht. Als Trainer und Spieler arbeiten wir jeden Tag für diese Momente. Das Einzige, was jetzt wichtig ist, ist positiv zu bleiben. Wir haben viele Qualitäten und müssen zuerst das Hirn und dann das Herz einschalten.“
Szenenwechsel
Vom Großstadttrubel, der das Hotel der Luxemburger Nationalmannschaft umgab, ging es für vier der Journalisten am Mittwochnachmittag in die 30 Kilometer entfernte Unterkunft der Georgier. Unterwegs zu dem nagelneuen Resort gab es einen hautnahen Einblick in die Gegebenheiten des lokalen Straßennetzes. Weder durchgezogene Linien noch die Geschwindigkeits-Beschilderung schienen den Taxi-Fahrer auf dem Hinweg zu beeinflussen. Zudem gab es unzählige streunende Hunde, waghalsige Überholmanöver über die rechte Fahrbahn und einen Fußgänger auf der Autobahn zu sehen, bevor das Auto die Innenstadt verlassen und an einer wunderschönen Landschaft vorbei in die Berge fuhr. Das Hotel der Georgier lag eigentlich mitten im „Nichts“, völlig abgelegen konnte sich das Team auf seine Aufgaben vorbereiten.
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