Forum / Wenn der Politik das Geld ausgeht
Verfolgt man die Diskussion in den nationalen Medien, sind die größten Probleme des Ländchens gierige Bettler sowie blutrünstige Hühnerdiebe. Welche Luxemburg zu einem neuen Chicago machen.
Dabei sollte mit der neuen Regierung alles besser werden. Die Frieden-Bettel-Mannschaft ist seit über 100 Tagen im Amt. Begleitet von unnützen Polemiken und trivialen Skandalen. Einige der neuen Minister haben ihren Tritt noch nicht gefunden. Andere gefallen sich in der neuen Würde. Angefangen beim Premier und beim Außenminister, wetteifernd um die meisten Auslandsauftritte.
Es häufen sich die Probleme
Zum 1. Januar gab es zwar das von Luc Frieden versprochene „mehr Netto für Brutto“. Die teilweise Anpassung der Einkommenssteuer an die Inflationsentwicklung brachte vornehmlich den Beziehern hoher und höchster Einkommen einen nennenswerten Kaufkraft-Gewinn. Immerhin zahlen fast ein Viertel der 600.000 Steuerpflichtigen null Einkommenssteuer, zwei Drittel relativ wenig.
Eine 2022 veröffentlichte Analyse des Wirtschafts- und Sozialrates belegte, dass damals 128.000 Haushalte keine Steuern zahlten. 417.000 Haushalte mit einem Einkommen bis zu 100.000 Euro zahlten 2,1 Milliarden Euro direkte Steuern. Weniger als 40.000 Haushalte mit einem Einkommen von 100.000 bis 200.000 Euro steuerten rund 1,44 Milliarden Euro bei. Die 6.950 „Reichen“, mit Einkommen von 200.000 bis 500.000 Euro, zahlten 695 Millionen Euro. Die 1.230 „Superreichen“ mit Einkommen von über 500.000 Euro, darunter 300 Millionäre, zahlten insgesamt 496 Millionen Euro Steuern.
Im Klartext heißt dies, dass von 600.000 Steuerpflichtigen 545.000 nicht bis sehr wenig von der Inflationsbereinigung der Steuertabellen profitierten. Einige 40.000 „mittelständische“ Haushalte erhielten erkennbar mehr Netto. Dagegen wurden über 9.000 Großverdiener mit einem Einkommen von 200.000 bis über die Million Euro in ihrer Kaufkraft richtig gestärkt.
Dennoch kam es nicht zum erhofften Auftrieb von Konsum oder Investitionen. Friedens „trickle down“-Effekt ist eine Illusion. Die Gewinne der Oberschicht „berieseln“ das Wachstum der Wirtschaft mitnichten.
Noch nie und nirgendwo führten plötzliche Steuerersparnisse zu mehr Investitionen. Der US-Ökonom Robert Reich belegte, dass alle Steuerreformen von Reagan bis Trump nur die Reichen reicher machten. Börsennotierte Firmen nutzten ihre Steuerersparnisse vornehmlich zum Aufkauf eigener Aktien. Deren Wert stieg für die Aktionäre an. Investitionen gab es kaum. Dafür aber Restrukturierungen und Rationalisierungen.
Grau auf Grau
Ein Blick auf die nationale Wirtschaft bietet ein desolates Bild. Der Industriesektor schrumpft weiter. Wirtschaftsminister Lex Delles lag beim jüngsten Energie-Ministerrat der EU richtig mit der Einschätzung, der Rückgang des europäischen Erdgas-Konsums sei eine Folge der rückläufigen Produktion gasabhängiger Industrien. So auch in Luxemburg, wo nur noch ein Ofen für die Flachglas-Herstellung von Guardian funktioniert.
Größtes Sorgenkind bleibt der Bau-Sektor. Laut Statec schrumpften die genehmigten Neubauflächen von 2 Millionen Quadratmeter im Jahr 2019 auf 1,1 Millionen m2 im letzten Jahr. In Planung und Bau stehen nur noch 4.450 neue Wohneinheiten. So wenig wie zum letzten Mal im Jahr 2015. Nur dass damals die Wohnungsnot kleiner war und das Land 100.000 Einwohner weniger zählte.
Da laut Regierung das Land mindestens 6.000 neue Wohnungen jedes Jahr benötigt, legten Frieden, Roth und Meisch einen Plan zur Wiederbelebung des Sektors vor, der von den Grünen als zu dürftig kritisiert wurde – obwohl die Partei der früheren Minister Tanson und Kox in den letzten fünf Jahren nicht gerade glänzte in Sachen Wohnungsbau.
Man wird das Gefühl nicht los, die neue Regierung habe zwar die Probleme erkannt, besitze jedoch keine eigenen Ideen zur Krisenbewältigung. Davon zeugt die Multiplizierung der „Tische“. Mal treffen sich der Premier und seine Minister mit der Baubranche, mal mit den Bauern, mal mit den Gewerkschaften, mal mit den Naturschutz-Organisationen. Sicher, eine Regierung sollte zuhören. Doch wenn man die Gewerkschaften vom Dialog mit der Baubranche ausschließt, oder die Naturschützer nicht am Tisch haben will, wenn Agrarpolitik diskutiert wird, kommen Zweifel auf über die wahren politischen Absichten der Regierung. Frieden scheint ein Anhänger des „Beicht-Geheimnisses“ zu sein. Beim „Dialogieren“ darf nicht zugehört werden.
Weder Fisch noch Fleisch
Die erste Budget-Vorlage der Koalition spiegelt den Eindruck von „weder Fisch noch Fleisch“ wider. Offiziell heißt es: „sparen und investieren“. Investiert werden 4,4% des Budgets, vornehmlich in Schienen und Straßen. Weiter 700 Millionen Euro (oder 0,83%) in Verteidigung, darunter 70 Millionen für die Ukraine.
Die Sparanstrengungen bleiben nebulös. Das Haushaltsdefizit ist mit 1,9 Milliarden Euro erheblich. Der Schuldendienst übersteigt die halbe Milliarde Euro. Dennoch bleibt Finanzminister Gilles Roth optimistisch. Die Zusatzverschuldung des Staates soll bis 2026 abgesenkt werden.
Immerhin hat Roth gute Erfahrung mit Schulden. Die Gemeinde Mamer, der er als Bürgermeister diente, ist nationaler Spitzenreiter in Sachen kommunaler Verschuldung …
Der Spielraum für Frieden, Roth und Co. wird enger. Nach dem negativen Wachstum vom letzten Jahr soll es 2024 ein Plus von 2% geben. Dennoch steigt die Arbeitslosigkeit. Die Inflation bleibt über 3%, mit einer zusätzlichen Index-Tranche in der zweiten Jahreshälfte.
Vor allem steigen die Ausgaben für Renten, Krankenkassen und andere Sozialausgaben. Gleichzeitig sinken die Reserven. 47% aller Ausgaben in Roths erstem Budget sind gesetzlich vorgeschriebene Sozialtransfers. Da bleibt wenig Marge für gestalterische Politik.
Rückkehr der Rentenmauer
Was vielleicht erklärt, weshalb die neue Sozialministerin sich mit unorthodoxen Ideen in die Debatte über die Zukunftsfähigkeit unserer Renten einbrachte. Martine Deprez mag zwar die Empfindlichkeiten der Gewerkschaften unterschätzt haben. Doch als Mathematikerin kann sie zumindest rechnen. Junckers Rentenmauer kommt, später als ursprünglich angedacht, aber umso mächtiger.
Im Jahr 2000 gab es 107.000 Rentner und 247.000 Versicherte. 2022 waren es 208.000 Renten-Bezieher bei 488.000 Versicherten. Dass Junckers Mauer sich nach hinten verschob, ist ausschließlich den Grenzgängern zu verdanken, die in immer größeren Zahlen nach Luxemburg zur Arbeit strömen. Da es sich in der Mehrheit um recht junge Arbeitnehmer handelt, nahm die Zahl der Beitragszahler stetig zu. Womit die Reserven im Privatsektor auf rund 24 Milliarden Euro anstiegen. Sie wären noch höher, hätte die Politik den Geldverwaltern weniger angeblich „ethische“ Auflagen gemacht.
Doch in den letzten 30 Jahren haben sich viele Grenzgänger Rentenansprüche erworben. Die sie verstärkt einfordern. Der Trierische Volksfreund organisiert neuerdings Beratungsabende über das luxemburgische Rentenwesen. Beteiligungsgebühr: 22 Euro. Da die Abende vom 30.3. und 10.4. voll ausgebucht sind, wurde bereits ein weiterer Abend für den 22. Mai anberaumt.
Laut dem Rentenexperten der Trierischen Zeitung ist das luxemburgische Rentensystem viel günstiger als das deutsche. Man könne mehr Studienjahre als Beitragsjahre anrechnen lassen und schon nach 40 Beitragsjahren eine Vollpension beziehen. Die Luxemburger Rente sei zwei- bis dreimal höher als eine deutsche. Selbst nach nur 20 Jahren Beiträgen bekäme man eine bessere Rente in Luxemburg. Eine Invalidenrente oder eine vorgezogene Rente sei in Luxemburg allenfalls günstiger als in der Bundesrepublik. Luxemburg sei das einzige Land in der EU, wo das Einkommen der über 75-Jährigen über dem Durchschnitt der gesamten Bevölkerung liege.
Laut dem Volksfreund die Erklärung dafür, weshalb in Luxemburg weniger als die Hälfte der Versicherten noch zwischen 55 und 64 Jahren aktiv seien. Besonders die Grenzgänger seien „ausgebrannt“ nach Jahren Dauerstau auf ihren langen Wegen nach Luxemburg. Für belgische und französische Grenzgänger ist die Problematik die gleiche. Auch sie werden ihre erworbenen Rechte verstärkt nutzen.
Die Diskussion über die Zukunft der Pensionen in Luxemburg wird mit Sicherheit das explosivste Thema der Ära Frieden. Zumal die Rentenmauer auch für den öffentlichen Dienst besteht. Zurzeit eine Ausgabe von 814 Millionen Euro für 28.000 Pensionäre. Direkt aus dem Steueraufkommen.
Wenn das Geld knapper wird, steigen die politischen Spannungen. Dann können Hühnerdiebe nicht mehr zur Ablenkung dienen.
„Zum 1. Januar gab es zwar das von Luc Frieden versprochene „mehr Netto für Brutto“.
Hallo Robert, Sie müssen sich da irren. Muss mal mit der CNAP reden, wahrscheinlich haben die was vergessen, mein Netto ändert sich nur hinter dem Komma.
Nach einem Focus Artikel vom Februar 2019 ist Luxemburg der wahre Schuldenkoenig in Europa .Nicht wegen seiner Staatsschulden ( explizite Schulden ) sondern seiner impliziten Schulden , die auf Leistungsversprechen ( Renten ) in der Zukunft liegen . Unsere implizite Staatsverschuldung liegt bei 900 % des PIB .Jedes Schneeballsystem bricht einmal zusammen und dann wird es gewaltig krachen zwischen den Alten und den Jungen .
.. hat eine Regierung, vor allem eine Partei Zuviel Gratis verteilt und ist damit voll gescheitert🥳
Das Resultat von 10 jähriger Inkompetenz, „laisser aller“ und sinnloser Geldverschwendung.